Jch will mich nicht aufhalten, alle andere Merk- zeichen und Spuhren aus denen Natur- und Reisebe- schreibern mühsam aufzusuchen, die etwan einige An- zeige und Vermuthung von einem ehedem in dem Erd- cörper gewesenen Brande an die Hand geben möch- ten. Diese Bemerkungen sind selten, und es hat gar keinen Anschein, daß daraus eine wirkliche Ueber- zeugung zusammengebracht werden könnte, daß unser Erdcörper ehedem eine Sonne, oder ein brennender Comet gewesen; dergleichen Entzündungen oder Brand in dieser oder jener besondern Gegend des Erdcörpers sind keinesweges zureichend zu beweisen, daß derselbe einstmahls allgemein im Brande gestanden habe. Um dieses zu erläutern, will ich eine Begebenheit aus der Geschichte anführen, die ganz ohngezweifelt zu der Geschichte unserer jetzigen Zeitrechnung ge- höret.
Die ältesten Geschichtschreiber versichern allgemein, daß, nachdem Spanien, oder das damahls so genannte Jberien, eine Zeitlang genugsam bewohnet gewesen, eine große und dreyßigjährige Dürre eingefallen, bin- nen welcher Zeit es in Spanien niemahls geregnet habe. Diese langwierige Dürre habe endlich die Wirkung nach sich gezogen, daß alle Städte und Dör- fer von selbst zu brennen angefangen hätten; die Wäl- der wären gleichfalls in Brand gerathen, und diese Entzündung habe sich endlich auf alle Gebirge und auf das ganze Land erstrecket. Da alle Einwohner wegen dieser langen Dürre und der darauf erfolgten Entzün- dung die Flucht genommen, und das Land verlassen hätten, so sey Spanien ganzer achthundert Jahr un-
bewohnet
III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Jch will mich nicht aufhalten, alle andere Merk- zeichen und Spuhren aus denen Natur- und Reiſebe- ſchreibern muͤhſam aufzuſuchen, die etwan einige An- zeige und Vermuthung von einem ehedem in dem Erd- coͤrper geweſenen Brande an die Hand geben moͤch- ten. Dieſe Bemerkungen ſind ſelten, und es hat gar keinen Anſchein, daß daraus eine wirkliche Ueber- zeugung zuſammengebracht werden koͤnnte, daß unſer Erdcoͤrper ehedem eine Sonne, oder ein brennender Comet geweſen; dergleichen Entzuͤndungen oder Brand in dieſer oder jener beſondern Gegend des Erdcoͤrpers ſind keinesweges zureichend zu beweiſen, daß derſelbe einſtmahls allgemein im Brande geſtanden habe. Um dieſes zu erlaͤutern, will ich eine Begebenheit aus der Geſchichte anfuͤhren, die ganz ohngezweifelt zu der Geſchichte unſerer jetzigen Zeitrechnung ge- hoͤret.
Die aͤlteſten Geſchichtſchreiber verſichern allgemein, daß, nachdem Spanien, oder das damahls ſo genannte Jberien, eine Zeitlang genugſam bewohnet geweſen, eine große und dreyßigjaͤhrige Duͤrre eingefallen, bin- nen welcher Zeit es in Spanien niemahls geregnet habe. Dieſe langwierige Duͤrre habe endlich die Wirkung nach ſich gezogen, daß alle Staͤdte und Doͤr- fer von ſelbſt zu brennen angefangen haͤtten; die Waͤl- der waͤren gleichfalls in Brand gerathen, und dieſe Entzuͤndung habe ſich endlich auf alle Gebirge und auf das ganze Land erſtrecket. Da alle Einwohner wegen dieſer langen Duͤrre und der darauf erfolgten Entzuͤn- dung die Flucht genommen, und das Land verlaſſen haͤtten, ſo ſey Spanien ganzer achthundert Jahr un-
bewohnet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0138"n="110"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III.</hi> Abſchn. Ob der Erdcoͤrper</hi></fw><lb/><p>Jch will mich nicht aufhalten, alle andere Merk-<lb/>
zeichen und Spuhren aus denen Natur- und Reiſebe-<lb/>ſchreibern muͤhſam aufzuſuchen, die etwan einige An-<lb/>
zeige und Vermuthung von einem ehedem in dem Erd-<lb/>
coͤrper geweſenen Brande an die Hand geben moͤch-<lb/>
ten. Dieſe Bemerkungen ſind ſelten, und es hat<lb/>
gar keinen Anſchein, daß daraus eine wirkliche Ueber-<lb/>
zeugung zuſammengebracht werden koͤnnte, daß unſer<lb/>
Erdcoͤrper ehedem eine Sonne, oder ein brennender<lb/>
Comet geweſen; dergleichen Entzuͤndungen oder Brand<lb/>
in dieſer oder jener beſondern Gegend des Erdcoͤrpers<lb/>ſind keinesweges zureichend zu beweiſen, daß derſelbe<lb/>
einſtmahls allgemein im Brande geſtanden habe. Um<lb/>
dieſes zu erlaͤutern, will ich eine Begebenheit aus<lb/>
der Geſchichte anfuͤhren, die ganz ohngezweifelt zu<lb/>
der Geſchichte unſerer jetzigen Zeitrechnung ge-<lb/>
hoͤret.</p><lb/><p>Die aͤlteſten Geſchichtſchreiber verſichern allgemein,<lb/>
daß, nachdem Spanien, oder das damahls ſo genannte<lb/>
Jberien, eine Zeitlang genugſam bewohnet geweſen,<lb/>
eine große und dreyßigjaͤhrige Duͤrre eingefallen, bin-<lb/>
nen welcher Zeit es in Spanien niemahls geregnet<lb/>
habe. Dieſe langwierige Duͤrre habe endlich die<lb/>
Wirkung nach ſich gezogen, daß alle Staͤdte und Doͤr-<lb/>
fer von ſelbſt zu brennen angefangen haͤtten; die Waͤl-<lb/>
der waͤren gleichfalls in Brand gerathen, und dieſe<lb/>
Entzuͤndung habe ſich endlich auf alle Gebirge und auf<lb/>
das ganze Land erſtrecket. Da alle Einwohner wegen<lb/>
dieſer langen Duͤrre und der darauf erfolgten Entzuͤn-<lb/>
dung die Flucht genommen, und das Land verlaſſen<lb/>
haͤtten, ſo ſey Spanien ganzer achthundert Jahr un-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">bewohnet</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[110/0138]
III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Jch will mich nicht aufhalten, alle andere Merk-
zeichen und Spuhren aus denen Natur- und Reiſebe-
ſchreibern muͤhſam aufzuſuchen, die etwan einige An-
zeige und Vermuthung von einem ehedem in dem Erd-
coͤrper geweſenen Brande an die Hand geben moͤch-
ten. Dieſe Bemerkungen ſind ſelten, und es hat
gar keinen Anſchein, daß daraus eine wirkliche Ueber-
zeugung zuſammengebracht werden koͤnnte, daß unſer
Erdcoͤrper ehedem eine Sonne, oder ein brennender
Comet geweſen; dergleichen Entzuͤndungen oder Brand
in dieſer oder jener beſondern Gegend des Erdcoͤrpers
ſind keinesweges zureichend zu beweiſen, daß derſelbe
einſtmahls allgemein im Brande geſtanden habe. Um
dieſes zu erlaͤutern, will ich eine Begebenheit aus
der Geſchichte anfuͤhren, die ganz ohngezweifelt zu
der Geſchichte unſerer jetzigen Zeitrechnung ge-
hoͤret.
Die aͤlteſten Geſchichtſchreiber verſichern allgemein,
daß, nachdem Spanien, oder das damahls ſo genannte
Jberien, eine Zeitlang genugſam bewohnet geweſen,
eine große und dreyßigjaͤhrige Duͤrre eingefallen, bin-
nen welcher Zeit es in Spanien niemahls geregnet
habe. Dieſe langwierige Duͤrre habe endlich die
Wirkung nach ſich gezogen, daß alle Staͤdte und Doͤr-
fer von ſelbſt zu brennen angefangen haͤtten; die Waͤl-
der waͤren gleichfalls in Brand gerathen, und dieſe
Entzuͤndung habe ſich endlich auf alle Gebirge und auf
das ganze Land erſtrecket. Da alle Einwohner wegen
dieſer langen Duͤrre und der darauf erfolgten Entzuͤn-
dung die Flucht genommen, und das Land verlaſſen
haͤtten, ſo ſey Spanien ganzer achthundert Jahr un-
bewohnet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/138>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.