Noch ein anderes Beyspiel, welches beweiset, was vor erstaunliche Veränderungen mit unserm Erdcörper vorgegangen sind, und wie oft dessen Oberfläche bewohnt gewesen, wieder verwüstet, und mit einer Menge von Erdlagen und Schich- ten bedecket worden, ist folgendes, welches sich gleichfalls in hiesigen Landen vorgefunden hat. Als man vor ohngefehr vierzehn Jahren in dem Dorfe Braunsberg, unter das Amt Alt-Ruppin gehörig, so in der Mittelmark, unweit der Meck- lenburgischen Grenze liegt, einen neuen Brunnen verfertigen wollte, und da dieses Dorf eine etwas hohe Lage hat, zu dem Ende über zweyhundert Fuß tief in die Erde eingraben mußte; so fand man ohngefehr hundert und sechzig Fuß tief un- ter der jetzigen Oberfläche des Erdbodens, und un- ter einer Menge von Erd- und Steinlagen, einen großen Haufen eichene Kerbspähne, die sämmtlich versteinert waren. Kerbspähne heißet man die- jenigen, welche entstehen, wenn man einen Baum nahe an der Wurzel abhauet. Diese versteiner- ten Kerbspähne hatten sämmtlich die Figur sol- cher Spähne; und waren theils groß, theils mit- telmäßig, theils klein, nach der Maaße, wie tief die Axt in den Baum eingetrungen war, und niemand konnte zweifeln, so bald man sie nur
betrach-
Vorrede.
Noch ein anderes Beyſpiel, welches beweiſet, was vor erſtaunliche Veraͤnderungen mit unſerm Erdcoͤrper vorgegangen ſind, und wie oft deſſen Oberflaͤche bewohnt geweſen, wieder verwuͤſtet, und mit einer Menge von Erdlagen und Schich- ten bedecket worden, iſt folgendes, welches ſich gleichfalls in hieſigen Landen vorgefunden hat. Als man vor ohngefehr vierzehn Jahren in dem Dorfe Braunsberg, unter das Amt Alt-Ruppin gehoͤrig, ſo in der Mittelmark, unweit der Meck- lenburgiſchen Grenze liegt, einen neuen Brunnen verfertigen wollte, und da dieſes Dorf eine etwas hohe Lage hat, zu dem Ende uͤber zweyhundert Fuß tief in die Erde eingraben mußte; ſo fand man ohngefehr hundert und ſechzig Fuß tief un- ter der jetzigen Oberflaͤche des Erdbodens, und un- ter einer Menge von Erd- und Steinlagen, einen großen Haufen eichene Kerbſpaͤhne, die ſaͤmmtlich verſteinert waren. Kerbſpaͤhne heißet man die- jenigen, welche entſtehen, wenn man einen Baum nahe an der Wurzel abhauet. Dieſe verſteiner- ten Kerbſpaͤhne hatten ſaͤmmtlich die Figur ſol- cher Spaͤhne; und waren theils groß, theils mit- telmaͤßig, theils klein, nach der Maaße, wie tief die Axt in den Baum eingetrungen war, und niemand konnte zweifeln, ſo bald man ſie nur
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[XVI/0020]
Vorrede.
Noch ein anderes Beyſpiel, welches beweiſet,
was vor erſtaunliche Veraͤnderungen mit unſerm
Erdcoͤrper vorgegangen ſind, und wie oft deſſen
Oberflaͤche bewohnt geweſen, wieder verwuͤſtet,
und mit einer Menge von Erdlagen und Schich-
ten bedecket worden, iſt folgendes, welches ſich
gleichfalls in hieſigen Landen vorgefunden hat.
Als man vor ohngefehr vierzehn Jahren in dem
Dorfe Braunsberg, unter das Amt Alt-Ruppin
gehoͤrig, ſo in der Mittelmark, unweit der Meck-
lenburgiſchen Grenze liegt, einen neuen Brunnen
verfertigen wollte, und da dieſes Dorf eine etwas
hohe Lage hat, zu dem Ende uͤber zweyhundert
Fuß tief in die Erde eingraben mußte; ſo fand
man ohngefehr hundert und ſechzig Fuß tief un-
ter der jetzigen Oberflaͤche des Erdbodens, und un-
ter einer Menge von Erd- und Steinlagen, einen
großen Haufen eichene Kerbſpaͤhne, die ſaͤmmtlich
verſteinert waren. Kerbſpaͤhne heißet man die-
jenigen, welche entſtehen, wenn man einen Baum
nahe an der Wurzel abhauet. Dieſe verſteiner-
ten Kerbſpaͤhne hatten ſaͤmmtlich die Figur ſol-
cher Spaͤhne; und waren theils groß, theils mit-
telmaͤßig, theils klein, nach der Maaße, wie tief
die Axt in den Baum eingetrungen war, und
niemand konnte zweifeln, ſo bald man ſie nur
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Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_geschichte_1771/20>, abgerufen am 21.11.2024.
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