Justi, Johann Heinrich Gottlob von: Geschichte des Erd-Cörpers. Berlin, 1771.IX. Abschn. Widerlegung Glaubenslehre halten, daß der kleine Erdcörper stillestehe, und die mehr als tausendmahl größere Sonne um ihn herumlaufe. Denn die Worte in der Bibel: Sonne, stehe stille zu Gibeon, und Mond im Thal Ajalon, und andere Ausdrücke der Schrift von dem Laufe der Sonne sind allzu klar und deutlich, als daß die Brühe der Erklährung, welche die Naturforscher, und selbst einige philosophische Geistliche darüber ha- ben gießen wollen, dieselben verdunkeln konnte. Al- lein, die Bibel hat nichts weniger, als die Absicht gehabt, denen Menschen die Naturkunde und andere Wissenschaften zu lehren. Sie hat lediglich den End- zweck, denen Menschen den Weg zur Seligkeit zu zei- gen; und wenn sie von ohngefehr von Dingen aus der Naturkunde und andern Wissenschaften redet; so ge- schiehet es allemahl nur zufälliger Weise, und alsdenn richtet sie sich nach denen Begriffen, welche die Men- schen damahls von der Naturkunde und andern Wis- senschaften gehabt haben. Sie konnte auch auf keine andere Art verfahren, da es ihr Endzweck keineswe- ges war, Offenbahrungen vor die Gelehrsamkeit mit- zutheilen. Diesen Gegenstand hat Gott lediglich dem menschlichen Nachsinnen und Erkenntniß überlassen; und wenn er hierinnen die Schriftsteller der Bibel hät- te erleuchten wollen; so würden sie weder sich selbst, noch andere sie verstanden haben. Jndessen hat es dennoch durch einen übertriebenen schränkten
IX. Abſchn. Widerlegung Glaubenslehre halten, daß der kleine Erdcoͤrper ſtilleſtehe, und die mehr als tauſendmahl groͤßere Sonne um ihn herumlaufe. Denn die Worte in der Bibel: Sonne, ſtehe ſtille zu Gibeon, und Mond im Thal Ajalon, und andere Ausdruͤcke der Schrift von dem Laufe der Sonne ſind allzu klar und deutlich, als daß die Bruͤhe der Erklaͤhrung, welche die Naturforſcher, und ſelbſt einige philoſophiſche Geiſtliche daruͤber ha- ben gießen wollen, dieſelben verdunkeln konnte. Al- lein, die Bibel hat nichts weniger, als die Abſicht gehabt, denen Menſchen die Naturkunde und andere Wiſſenſchaften zu lehren. Sie hat lediglich den End- zweck, denen Menſchen den Weg zur Seligkeit zu zei- gen; und wenn ſie von ohngefehr von Dingen aus der Naturkunde und andern Wiſſenſchaften redet; ſo ge- ſchiehet es allemahl nur zufaͤlliger Weiſe, und alsdenn richtet ſie ſich nach denen Begriffen, welche die Men- ſchen damahls von der Naturkunde und andern Wiſ- ſenſchaften gehabt haben. Sie konnte auch auf keine andere Art verfahren, da es ihr Endzweck keineswe- ges war, Offenbahrungen vor die Gelehrſamkeit mit- zutheilen. Dieſen Gegenſtand hat Gott lediglich dem menſchlichen Nachſinnen und Erkenntniß uͤberlaſſen; und wenn er hierinnen die Schriftſteller der Bibel haͤt- te erleuchten wollen; ſo wuͤrden ſie weder ſich ſelbſt, noch andere ſie verſtanden haben. Jndeſſen hat es dennoch durch einen uͤbertriebenen ſchraͤnkten
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IX. Abſchn. Widerlegung
Glaubenslehre halten, daß der kleine Erdcoͤrper ſtille
ſtehe, und die mehr als tauſendmahl groͤßere Sonne
um ihn herumlaufe. Denn die Worte in der Bibel:
Sonne, ſtehe ſtille zu Gibeon, und Mond im Thal
Ajalon, und andere Ausdruͤcke der Schrift von dem
Laufe der Sonne ſind allzu klar und deutlich, als daß
die Bruͤhe der Erklaͤhrung, welche die Naturforſcher,
und ſelbſt einige philoſophiſche Geiſtliche daruͤber ha-
ben gießen wollen, dieſelben verdunkeln konnte. Al-
lein, die Bibel hat nichts weniger, als die Abſicht
gehabt, denen Menſchen die Naturkunde und andere
Wiſſenſchaften zu lehren. Sie hat lediglich den End-
zweck, denen Menſchen den Weg zur Seligkeit zu zei-
gen; und wenn ſie von ohngefehr von Dingen aus der
Naturkunde und andern Wiſſenſchaften redet; ſo ge-
ſchiehet es allemahl nur zufaͤlliger Weiſe, und alsdenn
richtet ſie ſich nach denen Begriffen, welche die Men-
ſchen damahls von der Naturkunde und andern Wiſ-
ſenſchaften gehabt haben. Sie konnte auch auf keine
andere Art verfahren, da es ihr Endzweck keineswe-
ges war, Offenbahrungen vor die Gelehrſamkeit mit-
zutheilen. Dieſen Gegenſtand hat Gott lediglich dem
menſchlichen Nachſinnen und Erkenntniß uͤberlaſſen;
und wenn er hierinnen die Schriftſteller der Bibel haͤt-
te erleuchten wollen; ſo wuͤrden ſie weder ſich ſelbſt,
noch andere ſie verſtanden haben.
Jndeſſen hat es dennoch durch einen uͤbertriebenen
Eifer zum Bloͤdſinn verfuͤhrte Geiſtliche gegeben; und
es giebt vielleicht noch heutiges Tages, jedoch nur we-
nige, dergleichen, welche die Bibel allein zum unum-
ſchraͤnkten
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