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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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zuversichtlichen wie ungereimten Urtheile und die wunderlichen Aus-
drücke dieser Kenner, die mit sehenden Augen blind zu sein schienen.

E. Da hast du freilich so Recht! Der grösste Gelehrte, den Se-
villa und vielleicht die Halbinsel je besessen hat, der Urheber der grossen
Polyglotte Philipp II, Arias Montano, unser wortgewaltigster und geschmack-
vollster Dichter Herrera, und selbst der beste Beurtheiler der Malerei
unter den Laien, den ich gekannt, mein verehrter Freund Francisco de
Medina, alle diese drei haben sich einst vor meinen Augen aufs gröb-
lichste verhauen. Jener erste Sprachenkenner seiner Zeit feierte den
Villegas 1) vor den grössten Malern in Italien und Flandern, von dem
doch weder im Leben noch im Tode gesprochen worden ist. Der Her-
zog Don Fernando machte eine Ausnahme, die Bescheidenheit des so
grossen und einsichtsvollen Fürsten hat mich oft gerührt. -- Ein Bei-
spiel von der Schwierigkeit des Kennerurtheils ist dieses Bild der
Kreuzigung.

Tr. Das würde ich unbedingt für eine Arbeit des berühmten
Flamenco erklären, der den Retablo mayor von S. Ana in der Triana ge-
malt hat, und jetzt sehe ich auch den Namen auf dem Rahmen.

E. Auch ich schrieb es Maese Pedro 2) zu, als es mir der Herzog
zeigte, der es selbst bei dem reichen Kaufmann Pedro de Yebenes ge-
funden und theuer erworben hatte. Später aber fand sich anderswo
ein altes Familienbild, welches übrigens härter und weniger gut, sonst
aber absolut übereinstimmend gemalt, und das Original war. Indess
beschlossen wir den Namen Campanna doch darauf zu lassen.

Tr. Aber warum sollen denn also wir Wissenden uns mit einem
Consejo der Unwissenden umgeben? Die Eingeweihten die anhören,
welche sich in den Vorhöfen der Kunst herumtreiben?

E. Die Gelehrten sollen ja nicht über die Kunst mitreden, nur
die Wahl und Disposition der Geschichte und das Uebliche sollen sie
nach Quellen und Gründen bestimmen. Ich zeige stets die Ideen zu
meinen Historien einem Priester und befolge seinen Rath. ... Nach
diesem soll man die schönsten, zweckentsprechendsten Köpfe aus der
Natur aussuchen und in Oel auf Papier und imprimirte Leinwand malen,
in den erforderlichen Geberden. Dagegen die Extremitäten, wie Arme,
Hände, Beine, und das übrige Nackte braucht man bloss nach der

1) Pedro de Villegas Marmolejo, geb. 1520 zu Sevilla, malte die Heimsuchung
Mariae in der Kathedrale und den englichen Gruss in S. Lorenzo, + 1597. Vgl.
Arte II, 153 f.
2) Peeter de Kempeneer (aus Kempen) genannt Pedro de Campanna, der
bekannte Maler aus Brüssel, vgl. a. a. O. II, 161.

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zuversichtlichen wie ungereimten Urtheile und die wunderlichen Aus-
drücke dieser Kenner, die mit sehenden Augen blind zu sein schienen.

E. Da hast du freilich so Recht! Der grösste Gelehrte, den Se-
villa und vielleicht die Halbinsel je besessen hat, der Urheber der grossen
Polyglotte Philipp II, Arias Montano, unser wortgewaltigster und geschmack-
vollster Dichter Herrera, und selbst der beste Beurtheiler der Malerei
unter den Laien, den ich gekannt, mein verehrter Freund Francisco de
Medina, alle diese drei haben sich einst vor meinen Augen aufs gröb-
lichste verhauen. Jener erste Sprachenkenner seiner Zeit feierte den
Villegas 1) vor den grössten Malern in Italien und Flandern, von dem
doch weder im Leben noch im Tode gesprochen worden ist. Der Her-
zog Don Fernando machte eine Ausnahme, die Bescheidenheit des so
grossen und einsichtsvollen Fürsten hat mich oft gerührt. — Ein Bei-
spiel von der Schwierigkeit des Kennerurtheils ist dieses Bild der
Kreuzigung.

Tr. Das würde ich unbedingt für eine Arbeit des berühmten
Flamenco erklären, der den Retablo mayor von S. Ana in der Triana ge-
malt hat, und jetzt sehe ich auch den Namen auf dem Rahmen.

E. Auch ich schrieb es Maese Pedro 2) zu, als es mir der Herzog
zeigte, der es selbst bei dem reichen Kaufmann Pedro de Yebenes ge-
funden und theuer erworben hatte. Später aber fand sich anderswo
ein altes Familienbild, welches übrigens härter und weniger gut, sonst
aber absolut übereinstimmend gemalt, und das Original war. Indess
beschlossen wir den Namen Campaña doch darauf zu lassen.

Tr. Aber warum sollen denn also wir Wissenden uns mit einem
Consejo der Unwissenden umgeben? Die Eingeweihten die anhören,
welche sich in den Vorhöfen der Kunst herumtreiben?

E. Die Gelehrten sollen ja nicht über die Kunst mitreden, nur
die Wahl und Disposition der Geschichte und das Uebliche sollen sie
nach Quellen und Gründen bestimmen. Ich zeige stets die Ideen zu
meinen Historien einem Priester und befolge seinen Rath. … Nach
diesem soll man die schönsten, zweckentsprechendsten Köpfe aus der
Natur aussuchen und in Oel auf Papier und imprimirte Leinwand malen,
in den erforderlichen Geberden. Dagegen die Extremitäten, wie Arme,
Hände, Beine, und das übrige Nackte braucht man bloss nach der

1) Pedro de Villegas Marmolejo, geb. 1520 zu Sevilla, malte die Heimsuchung
Mariae in der Kathedrale und den englichen Gruss in S. Lorenzo, † 1597. Vgl.
Arte II, 153 f.
2) Peeter de Kempeneer (aus Kempen) genannt Pedro de Campaña, der
bekannte Maler aus Brüssel, vgl. a. a. O. II, 161.
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[94/0114] Anhang. zuversichtlichen wie ungereimten Urtheile und die wunderlichen Aus- drücke dieser Kenner, die mit sehenden Augen blind zu sein schienen. E. Da hast du freilich so Recht! Der grösste Gelehrte, den Se- villa und vielleicht die Halbinsel je besessen hat, der Urheber der grossen Polyglotte Philipp II, Arias Montano, unser wortgewaltigster und geschmack- vollster Dichter Herrera, und selbst der beste Beurtheiler der Malerei unter den Laien, den ich gekannt, mein verehrter Freund Francisco de Medina, alle diese drei haben sich einst vor meinen Augen aufs gröb- lichste verhauen. Jener erste Sprachenkenner seiner Zeit feierte den Villegas 1) vor den grössten Malern in Italien und Flandern, von dem doch weder im Leben noch im Tode gesprochen worden ist. Der Her- zog Don Fernando machte eine Ausnahme, die Bescheidenheit des so grossen und einsichtsvollen Fürsten hat mich oft gerührt. — Ein Bei- spiel von der Schwierigkeit des Kennerurtheils ist dieses Bild der Kreuzigung. Tr. Das würde ich unbedingt für eine Arbeit des berühmten Flamenco erklären, der den Retablo mayor von S. Ana in der Triana ge- malt hat, und jetzt sehe ich auch den Namen auf dem Rahmen. E. Auch ich schrieb es Maese Pedro 2) zu, als es mir der Herzog zeigte, der es selbst bei dem reichen Kaufmann Pedro de Yebenes ge- funden und theuer erworben hatte. Später aber fand sich anderswo ein altes Familienbild, welches übrigens härter und weniger gut, sonst aber absolut übereinstimmend gemalt, und das Original war. Indess beschlossen wir den Namen Campaña doch darauf zu lassen. Tr. Aber warum sollen denn also wir Wissenden uns mit einem Consejo der Unwissenden umgeben? Die Eingeweihten die anhören, welche sich in den Vorhöfen der Kunst herumtreiben? E. Die Gelehrten sollen ja nicht über die Kunst mitreden, nur die Wahl und Disposition der Geschichte und das Uebliche sollen sie nach Quellen und Gründen bestimmen. Ich zeige stets die Ideen zu meinen Historien einem Priester und befolge seinen Rath. … Nach diesem soll man die schönsten, zweckentsprechendsten Köpfe aus der Natur aussuchen und in Oel auf Papier und imprimirte Leinwand malen, in den erforderlichen Geberden. Dagegen die Extremitäten, wie Arme, Hände, Beine, und das übrige Nackte braucht man bloss nach der 1) Pedro de Villegas Marmolejo, geb. 1520 zu Sevilla, malte die Heimsuchung Mariae in der Kathedrale und den englichen Gruss in S. Lorenzo, † 1597. Vgl. Arte II, 153 f. 2) Peeter de Kempeneer (aus Kempen) genannt Pedro de Campaña, der bekannte Maler aus Brüssel, vgl. a. a. O. II, 161.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/114>, abgerufen am 21.11.2024.