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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Dialog über die Malerei.
Alcala so viel von ihm an sich gebracht, als er bekommen konnte. Indess
kannst Du diesen gelehrten und präcisen Zeichner und Modellirer doch
nicht mit deinem Greco vergleichen.

Tr. Gegen keinen habe ich Euch öfter, lebhafter sprechen hören
als gegen den Greco, dessen grausame Sudeleien, wie Ihr sie nennt,
uns zum warnenden Exempel zeigen, wie Originalitätssucht einen be-
gabten Menschen an die Thüre des Tollhauses führen kann. Aber
müsst Ihr nicht selbst sagen, dass dessen Köpfe aus der Leinwand
herauskommen und sprechen, trotz ihrer Schwefel- und Veilchen-Tinten
und der schroff hingesäbelten Pinselstriche!

E. Ich habe nicht in Abrede stellen wollen, dass dieser Grieche
unter die Zahl der grossen Maler gehört, und erinnere mich auch einiger
Sachen von seiner Hand, so hervorspringend (relevadas) und lebendig, in
seiner bekannten Manier freilich, dass sie denen der grössten Meister
gleichkommen [a. a. O. I, 393]. Aber damit ist für deine Sache nichts
gewonnen, denn erstens --

Tr. Ich bin ganz Ohr!

E. Erstens hat er nur aus Eitelkeit den Schein der Bravour
erkünstelt. Ich habe selbst gesehn, wie er seine Gemälde nicht nur
sorgfältig skizzirte, Cartons, Thonmodelle dafür anfertigte, sondern auch
sie wiederholt übermalte. Was sagen dazu die Hoffärtigen und Bequemen?
Solchen Fleiss trifft man bei Riesen, und Zwerge wollen mir kommen mit
Leichtigkeit und Schnelligkeit? Also um genial zu scheinen, hat er
die Bilder schliesslich mit jenen golpes übersät, welche sie in den Ele-
mentarzustand zurückzuversetzen scheinen. Eigentlich heisst das Arbei-
ten um arm zu sein.

Tr. Und Numero zwei?

E. Numero zwei sehe ich gar nicht ein, warum das Relief nur auf
diesem Wege zu erreichen sein soll. Wie willst Du mir beweisen, dass
das vollendete, das verschmolzene Bild weniger Relief haben müsse, als
das skizzenhafte und gehackte? Correggio, der grösste Colorist meiner
Ansicht nach, den ich mir in diesem Stück allezeit zum Muster vorge-
stellt habe [a. a. O. I, 419], wie er auch das Vorbild unseres grossen
Cespedes war, ist zugleich Meister in Verschmelzung und sfumato. Aber
wenn Du ein Beispiel aus der jetzigen Naturalistenschule lieber willst,
ist in diesem Gemälde der Artemisia Gentileschi, das ihr der Herzog
in Rom abkaufte, [a. a. O. I, 128], weniger Kraft und Relief, weil es so
glatt ausgeführt ist?

Tr. Aber Ihr werdet doch nicht läugnen, dass es Können (valentia)
und Geschick zeigt, viel und hurtig zu malen, ohne so viel Mühe. Die
Malerei ist eine freie Kunst. Sie ist es, weil in ihr nichts sclavisches

Dialog über die Malerei.
Alcalá so viel von ihm an sich gebracht, als er bekommen konnte. Indess
kannst Du diesen gelehrten und präcisen Zeichner und Modellirer doch
nicht mit deinem Greco vergleichen.

Tr. Gegen keinen habe ich Euch öfter, lebhafter sprechen hören
als gegen den Greco, dessen grausame Sudeleien, wie Ihr sie nennt,
uns zum warnenden Exempel zeigen, wie Originalitätssucht einen be-
gabten Menschen an die Thüre des Tollhauses führen kann. Aber
müsst Ihr nicht selbst sagen, dass dessen Köpfe aus der Leinwand
herauskommen und sprechen, trotz ihrer Schwefel- und Veilchen-Tinten
und der schroff hingesäbelten Pinselstriche!

E. Ich habe nicht in Abrede stellen wollen, dass dieser Grieche
unter die Zahl der grossen Maler gehört, und erinnere mich auch einiger
Sachen von seiner Hand, so hervorspringend (relevadas) und lebendig, in
seiner bekannten Manier freilich, dass sie denen der grössten Meister
gleichkommen [a. a. O. I, 393]. Aber damit ist für deine Sache nichts
gewonnen, denn erstens —

Tr. Ich bin ganz Ohr!

E. Erstens hat er nur aus Eitelkeit den Schein der Bravour
erkünstelt. Ich habe selbst gesehn, wie er seine Gemälde nicht nur
sorgfältig skizzirte, Cartons, Thonmodelle dafür anfertigte, sondern auch
sie wiederholt übermalte. Was sagen dazu die Hoffärtigen und Bequemen?
Solchen Fleiss trifft man bei Riesen, und Zwerge wollen mir kommen mit
Leichtigkeit und Schnelligkeit? Also um genial zu scheinen, hat er
die Bilder schliesslich mit jenen golpes übersät, welche sie in den Ele-
mentarzustand zurückzuversetzen scheinen. Eigentlich heisst das Arbei-
ten um arm zu sein.

Tr. Und Numero zwei?

E. Numero zwei sehe ich gar nicht ein, warum das Relief nur auf
diesem Wege zu erreichen sein soll. Wie willst Du mir beweisen, dass
das vollendete, das verschmolzene Bild weniger Relief haben müsse, als
das skizzenhafte und gehackte? Correggio, der grösste Colorist meiner
Ansicht nach, den ich mir in diesem Stück allezeit zum Muster vorge-
stellt habe [a. a. O. I, 419], wie er auch das Vorbild unseres grossen
Cespedes war, ist zugleich Meister in Verschmelzung und sfumato. Aber
wenn Du ein Beispiel aus der jetzigen Naturalistenschule lieber willst,
ist in diesem Gemälde der Artemisia Gentileschi, das ihr der Herzog
in Rom abkaufte, [a. a. O. I, 128], weniger Kraft und Relief, weil es so
glatt ausgeführt ist?

Tr. Aber Ihr werdet doch nicht läugnen, dass es Können (valentia)
und Geschick zeigt, viel und hurtig zu malen, ohne so viel Mühe. Die
Malerei ist eine freie Kunst. Sie ist es, weil in ihr nichts sclavisches

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[101/0121] Dialog über die Malerei. Alcalá so viel von ihm an sich gebracht, als er bekommen konnte. Indess kannst Du diesen gelehrten und präcisen Zeichner und Modellirer doch nicht mit deinem Greco vergleichen. Tr. Gegen keinen habe ich Euch öfter, lebhafter sprechen hören als gegen den Greco, dessen grausame Sudeleien, wie Ihr sie nennt, uns zum warnenden Exempel zeigen, wie Originalitätssucht einen be- gabten Menschen an die Thüre des Tollhauses führen kann. Aber müsst Ihr nicht selbst sagen, dass dessen Köpfe aus der Leinwand herauskommen und sprechen, trotz ihrer Schwefel- und Veilchen-Tinten und der schroff hingesäbelten Pinselstriche! E. Ich habe nicht in Abrede stellen wollen, dass dieser Grieche unter die Zahl der grossen Maler gehört, und erinnere mich auch einiger Sachen von seiner Hand, so hervorspringend (relevadas) und lebendig, in seiner bekannten Manier freilich, dass sie denen der grössten Meister gleichkommen [a. a. O. I, 393]. Aber damit ist für deine Sache nichts gewonnen, denn erstens — Tr. Ich bin ganz Ohr! E. Erstens hat er nur aus Eitelkeit den Schein der Bravour erkünstelt. Ich habe selbst gesehn, wie er seine Gemälde nicht nur sorgfältig skizzirte, Cartons, Thonmodelle dafür anfertigte, sondern auch sie wiederholt übermalte. Was sagen dazu die Hoffärtigen und Bequemen? Solchen Fleiss trifft man bei Riesen, und Zwerge wollen mir kommen mit Leichtigkeit und Schnelligkeit? Also um genial zu scheinen, hat er die Bilder schliesslich mit jenen golpes übersät, welche sie in den Ele- mentarzustand zurückzuversetzen scheinen. Eigentlich heisst das Arbei- ten um arm zu sein. Tr. Und Numero zwei? E. Numero zwei sehe ich gar nicht ein, warum das Relief nur auf diesem Wege zu erreichen sein soll. Wie willst Du mir beweisen, dass das vollendete, das verschmolzene Bild weniger Relief haben müsse, als das skizzenhafte und gehackte? Correggio, der grösste Colorist meiner Ansicht nach, den ich mir in diesem Stück allezeit zum Muster vorge- stellt habe [a. a. O. I, 419], wie er auch das Vorbild unseres grossen Cespedes war, ist zugleich Meister in Verschmelzung und sfumato. Aber wenn Du ein Beispiel aus der jetzigen Naturalistenschule lieber willst, ist in diesem Gemälde der Artemisia Gentileschi, das ihr der Herzog in Rom abkaufte, [a. a. O. I, 128], weniger Kraft und Relief, weil es so glatt ausgeführt ist? Tr. Aber Ihr werdet doch nicht läugnen, dass es Können (valentia) und Geschick zeigt, viel und hurtig zu malen, ohne so viel Mühe. Die Malerei ist eine freie Kunst. Sie ist es, weil in ihr nichts sclavisches

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/121>, abgerufen am 21.11.2024.