Hat er von ihm also nur gelernt, wie es nicht zu machen sei? Wie konnte er überhaupt fünf Jahre in diesem "goldenen Kerker der Kunst", wie Palomino seine Akademie nennt, aus- halten? Nur um seiner Rahel willen?
Schon damals gab es manche in Sevilla die da meinten, dass es mit diesem Pacheco nichts sei. Man denke an den grau- samen Spottvers auf sein Crucifix, wo die Gläubigen belehrt werden, dass "nicht die Liebe, sondern Pacheco den Heiland so kläglich zugerichtet habe":
Quien os puso asi, Sennor, tan desabrido, y tan seco? Vos me direis, que el amor, mas yo digo, que Pacheco.
Herrera, der als Greis in Madrid den Jüngling, den er einst von sich weggetrieben, als Maler S. Majestät wiederfand, scheint Aeusserungen gethan zu haben, die das Verdienst der Erziehung für sich in Anspruch nahmen. Wenigstens kann folgender Pro- test Pacheco's so gedeutet werden (I, 134). "Da die Ehre des Meisters grösser ist, als die des Schwiegervaters, so war es recht, die Keckheit dessen zurückzuweisen, der diesen Ruhm sich an- massen will, und dergestalt mir die Krone meiner letzten Jahre rauben." Er nennt Herrera nicht, aber er hat ihn ja, wie eigentlich auch Roelas, in der mit Personalien sonst so freigebigen Maler- kunst auf vielsagende Art todtgeschwiegen. In dem Bildniss- werk, wo Vargas, Campanna und Cespedes ein Denkmal gesetzt wird, fehlen beide.
Um über diesen Punkt ein Urtheil zu erhalten, kommt es aber weniger an auf die Gemälde Pacheco's, als auf seine Lehr- methode (ensennanza). Und über diese giebt uns sein Buch glück- licherweise die vollständigsten Aufschlüsse, von den allgemeinen Grundsätzen an bis auf die Technik der einzelnen Pigmente.
Pacheco war, als Lehrer mindestens, kein Pedant. Je weniger er selbst ein schaffender, stilbildender Meister war, desto geringere Gefahr war vorhanden, den Schülern Uniformität aufzudrängen. Ein Kleinigkeitskrämer war er in der archäologischen Etikette; sonst aber freidenkend. Man traut seinen Augen kaum, wenn man ihn am Schluss seiner mühsam zusammengestellten Methodik also vernimmt: "Aber alles was hier gesagt worden ist, und was noch gesagt und bewiesen werden könnte, macht keineswegs den Anspruch, die welche nach dem Gipfel der Kunst ringen,
Zweites Buch.
Hat er von ihm also nur gelernt, wie es nicht zu machen sei? Wie konnte er überhaupt fünf Jahre in diesem „goldenen Kerker der Kunst“, wie Palomino seine Akademie nennt, aus- halten? Nur um seiner Rahel willen?
Schon damals gab es manche in Sevilla die da meinten, dass es mit diesem Pacheco nichts sei. Man denke an den grau- samen Spottvers auf sein Crucifix, wo die Gläubigen belehrt werden, dass „nicht die Liebe, sondern Pacheco den Heiland so kläglich zugerichtet habe“:
Quien os puso así, Señor, tan desabrido, y tan seco? Vos me direis, que el amor, mas yo digo, que Pacheco.
Herrera, der als Greis in Madrid den Jüngling, den er einst von sich weggetrieben, als Maler S. Majestät wiederfand, scheint Aeusserungen gethan zu haben, die das Verdienst der Erziehung für sich in Anspruch nahmen. Wenigstens kann folgender Pro- test Pacheco’s so gedeutet werden (I, 134). „Da die Ehre des Meisters grösser ist, als die des Schwiegervaters, so war es recht, die Keckheit dessen zurückzuweisen, der diesen Ruhm sich an- massen will, und dergestalt mir die Krone meiner letzten Jahre rauben.“ Er nennt Herrera nicht, aber er hat ihn ja, wie eigentlich auch Roelas, in der mit Personalien sonst so freigebigen Maler- kunst auf vielsagende Art todtgeschwiegen. In dem Bildniss- werk, wo Vargas, Campaña und Cespedes ein Denkmal gesetzt wird, fehlen beide.
Um über diesen Punkt ein Urtheil zu erhalten, kommt es aber weniger an auf die Gemälde Pacheco’s, als auf seine Lehr- methode (enseñanza). Und über diese giebt uns sein Buch glück- licherweise die vollständigsten Aufschlüsse, von den allgemeinen Grundsätzen an bis auf die Technik der einzelnen Pigmente.
Pacheco war, als Lehrer mindestens, kein Pedant. Je weniger er selbst ein schaffender, stilbildender Meister war, desto geringere Gefahr war vorhanden, den Schülern Uniformität aufzudrängen. Ein Kleinigkeitskrämer war er in der archäologischen Etikette; sonst aber freidenkend. Man traut seinen Augen kaum, wenn man ihn am Schluss seiner mühsam zusammengestellten Methodik also vernimmt: „Aber alles was hier gesagt worden ist, und was noch gesagt und bewiesen werden könnte, macht keineswegs den Anspruch, die welche nach dem Gipfel der Kunst ringen,
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Zweites Buch.
Hat er von ihm also nur gelernt, wie es nicht zu machen
sei? Wie konnte er überhaupt fünf Jahre in diesem „goldenen
Kerker der Kunst“, wie Palomino seine Akademie nennt, aus-
halten? Nur um seiner Rahel willen?
Schon damals gab es manche in Sevilla die da meinten,
dass es mit diesem Pacheco nichts sei. Man denke an den grau-
samen Spottvers auf sein Crucifix, wo die Gläubigen belehrt
werden, dass „nicht die Liebe, sondern Pacheco den Heiland so
kläglich zugerichtet habe“:
Quien os puso así, Señor,
tan desabrido, y tan seco?
Vos me direis, que el amor,
mas yo digo, que Pacheco.
Herrera, der als Greis in Madrid den Jüngling, den er einst
von sich weggetrieben, als Maler S. Majestät wiederfand, scheint
Aeusserungen gethan zu haben, die das Verdienst der Erziehung
für sich in Anspruch nahmen. Wenigstens kann folgender Pro-
test Pacheco’s so gedeutet werden (I, 134). „Da die Ehre des
Meisters grösser ist, als die des Schwiegervaters, so war es recht,
die Keckheit dessen zurückzuweisen, der diesen Ruhm sich an-
massen will, und dergestalt mir die Krone meiner letzten Jahre
rauben.“ Er nennt Herrera nicht, aber er hat ihn ja, wie eigentlich
auch Roelas, in der mit Personalien sonst so freigebigen Maler-
kunst auf vielsagende Art todtgeschwiegen. In dem Bildniss-
werk, wo Vargas, Campaña und Cespedes ein Denkmal gesetzt
wird, fehlen beide.
Um über diesen Punkt ein Urtheil zu erhalten, kommt es
aber weniger an auf die Gemälde Pacheco’s, als auf seine Lehr-
methode (enseñanza). Und über diese giebt uns sein Buch glück-
licherweise die vollständigsten Aufschlüsse, von den allgemeinen
Grundsätzen an bis auf die Technik der einzelnen Pigmente.
Pacheco war, als Lehrer mindestens, kein Pedant. Je weniger
er selbst ein schaffender, stilbildender Meister war, desto geringere
Gefahr war vorhanden, den Schülern Uniformität aufzudrängen.
Ein Kleinigkeitskrämer war er in der archäologischen Etikette;
sonst aber freidenkend. Man traut seinen Augen kaum, wenn
man ihn am Schluss seiner mühsam zusammengestellten Methodik
also vernimmt: „Aber alles was hier gesagt worden ist, und was
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/134>, abgerufen am 24.11.2024.
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