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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Kameraden: Zurbaran.

Das Gemälde ist jetzt durch Firniss getrübt: die rothen
Partien (glücklicher Weise auch der zwischen Maria und dem
Hirten sich breit machende Ochse) sind matt und flach geworden.

Es scheint, dass das was den Maler bei diesen beiden Haupt-
kirchenbildern seiner Jugendzeit besonders interessirte, ihr Cha-
rakter als Notturno war. Die umgebende Nacht, die scharfen
Schlagschatten würden an eine künstliche Lichtquelle denken
lassen; aber dafür ist der Ton des Lichts zu weiss und kalt;
die Farbe in den Schatten zu satt, während sie in den Lichtern
verblasst. Auch die jede Milderung der Gegensätze durch ein
Luftmedium ausschliessende Naherückung der Figuren führt darauf,
dass es ihm allein um Plastik, und zwar mit den stärksten Mitteln
zu thun war, selbst auf Kosten der Wahrscheinlichkeit.

Kameraden: Zurbaran.

In Zeiten, wo Altes versinkt und neue Keime sich zum
Lichte drängen, ist oft der Einfluss der gleichaltrigen, suchenden
Genossen wichtiger als der der Meister. Schon die Jahreszahlen
mussten auf die Vermuthung führen, dass der junge Diego mit
einigen später berühmt gewordenen Namen der dortigen Künstler-
schaft verkehrt habe. Wirklich ist durch protokollirte Zeugnisse
festgestellt, dass zwei der hervorragendsten ihm befreundet waren:
Alonso Cano und Zurbaran 1). Beide geben auch an, dass sie seine
Eltern gekannt, also im Hause verkehrt haben; und das Verhält-

Howard, die Waagen für Gerhard Honthorst erklärte, ist ein unzweifelhaftes Haupt-
bild von Orazio Gentileschi; Hiob auf dem Aschenhaufen, einst in der Kartause
zu Xeres, wurde schon von Ponz (Viage XVII, 279) bezweifelt. Die interessante
Befreiung des Petrus mit dem weiten unterirdischen Kerkergewölbe und Gruppen
grausam gefesselter Gefangenen und Soldaten in ihrer Mitte, in der Galerie Francis
Cook zu Richmond, die früher Velazquez, neuerdings Cano hiess, ist eine Kopie
des Gemäldes von Carlo Bononi aus Ferrara (1569, + 1632) in den Uffizien Nr. 112.
Auch in den Inventaren der königlichen Schlösser aus dem vorigen Jahrhundert
werden ihm mehrere Bilder dieser Klasse fälschlich beigelegt; die Veronica (damals
in S. Ildefonso und Aranjuez) ist ein Strozzi (Prado Nr. 406); ferner kommt eine
grosse "Ehebrecherin vor Christus" vor; eine heil. Barbara und die Dreieinigkeit,
wahrscheinlich ein Spagnoletto. Nur ein kleines Abendmahl (3/4 x 1/2 varas) kommt
bereits in dem von seinem Schwiegersohn del Mazo im Jahre 1666 aufgestellten
Inventar vor. Den "Johannes in der Wüste" (Curtis 18) habe ich nicht gesehen;
Ford und Stirling rühmten ihn als echt, Bürger verwirft ihn.
1) Revista Europea a. a. O.
Kameraden: Zurbaran.

Das Gemälde ist jetzt durch Firniss getrübt: die rothen
Partien (glücklicher Weise auch der zwischen Maria und dem
Hirten sich breit machende Ochse) sind matt und flach geworden.

Es scheint, dass das was den Maler bei diesen beiden Haupt-
kirchenbildern seiner Jugendzeit besonders interessirte, ihr Cha-
rakter als Notturno war. Die umgebende Nacht, die scharfen
Schlagschatten würden an eine künstliche Lichtquelle denken
lassen; aber dafür ist der Ton des Lichts zu weiss und kalt;
die Farbe in den Schatten zu satt, während sie in den Lichtern
verblasst. Auch die jede Milderung der Gegensätze durch ein
Luftmedium ausschliessende Naherückung der Figuren führt darauf,
dass es ihm allein um Plastik, und zwar mit den stärksten Mitteln
zu thun war, selbst auf Kosten der Wahrscheinlichkeit.

Kameraden: Zurbaran.

In Zeiten, wo Altes versinkt und neue Keime sich zum
Lichte drängen, ist oft der Einfluss der gleichaltrigen, suchenden
Genossen wichtiger als der der Meister. Schon die Jahreszahlen
mussten auf die Vermuthung führen, dass der junge Diego mit
einigen später berühmt gewordenen Namen der dortigen Künstler-
schaft verkehrt habe. Wirklich ist durch protokollirte Zeugnisse
festgestellt, dass zwei der hervorragendsten ihm befreundet waren:
Alonso Cano und Zurbaran 1). Beide geben auch an, dass sie seine
Eltern gekannt, also im Hause verkehrt haben; und das Verhält-

Howard, die Waagen für Gerhard Honthorst erklärte, ist ein unzweifelhaftes Haupt-
bild von Orazio Gentileschi; Hiob auf dem Aschenhaufen, einst in der Kartause
zu Xeres, wurde schon von Ponz (Viage XVII, 279) bezweifelt. Die interessante
Befreiung des Petrus mit dem weiten unterirdischen Kerkergewölbe und Gruppen
grausam gefesselter Gefangenen und Soldaten in ihrer Mitte, in der Galerie Francis
Cook zu Richmond, die früher Velazquez, neuerdings Cano hiess, ist eine Kopie
des Gemäldes von Carlo Bononi aus Ferrara (1569, † 1632) in den Uffizien Nr. 112.
Auch in den Inventaren der königlichen Schlösser aus dem vorigen Jahrhundert
werden ihm mehrere Bilder dieser Klasse fälschlich beigelegt; die Veronica (damals
in S. Ildefonso und Aranjuez) ist ein Strozzi (Prado Nr. 406); ferner kommt eine
grosse „Ehebrecherin vor Christus“ vor; eine heil. Barbara und die Dreieinigkeit,
wahrscheinlich ein Spagnoletto. Nur ein kleines Abendmahl (¾ × ½ varas) kommt
bereits in dem von seinem Schwiegersohn del Mazo im Jahre 1666 aufgestellten
Inventar vor. Den „Johannes in der Wüste“ (Curtis 18) habe ich nicht gesehen;
Ford und Stirling rühmten ihn als echt, Bürger verwirft ihn.
1) Revista Europea a. a. O.
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[151/0171] Kameraden: Zurbaran. Das Gemälde ist jetzt durch Firniss getrübt: die rothen Partien (glücklicher Weise auch der zwischen Maria und dem Hirten sich breit machende Ochse) sind matt und flach geworden. Es scheint, dass das was den Maler bei diesen beiden Haupt- kirchenbildern seiner Jugendzeit besonders interessirte, ihr Cha- rakter als Notturno war. Die umgebende Nacht, die scharfen Schlagschatten würden an eine künstliche Lichtquelle denken lassen; aber dafür ist der Ton des Lichts zu weiss und kalt; die Farbe in den Schatten zu satt, während sie in den Lichtern verblasst. Auch die jede Milderung der Gegensätze durch ein Luftmedium ausschliessende Naherückung der Figuren führt darauf, dass es ihm allein um Plastik, und zwar mit den stärksten Mitteln zu thun war, selbst auf Kosten der Wahrscheinlichkeit. Kameraden: Zurbaran. In Zeiten, wo Altes versinkt und neue Keime sich zum Lichte drängen, ist oft der Einfluss der gleichaltrigen, suchenden Genossen wichtiger als der der Meister. Schon die Jahreszahlen mussten auf die Vermuthung führen, dass der junge Diego mit einigen später berühmt gewordenen Namen der dortigen Künstler- schaft verkehrt habe. Wirklich ist durch protokollirte Zeugnisse festgestellt, dass zwei der hervorragendsten ihm befreundet waren: Alonso Cano und Zurbaran 1). Beide geben auch an, dass sie seine Eltern gekannt, also im Hause verkehrt haben; und das Verhält- 1) 1) Revista Europea a. a. O. 1) Howard, die Waagen für Gerhard Honthorst erklärte, ist ein unzweifelhaftes Haupt- bild von Orazio Gentileschi; Hiob auf dem Aschenhaufen, einst in der Kartause zu Xeres, wurde schon von Ponz (Viage XVII, 279) bezweifelt. Die interessante Befreiung des Petrus mit dem weiten unterirdischen Kerkergewölbe und Gruppen grausam gefesselter Gefangenen und Soldaten in ihrer Mitte, in der Galerie Francis Cook zu Richmond, die früher Velazquez, neuerdings Cano hiess, ist eine Kopie des Gemäldes von Carlo Bononi aus Ferrara (1569, † 1632) in den Uffizien Nr. 112. Auch in den Inventaren der königlichen Schlösser aus dem vorigen Jahrhundert werden ihm mehrere Bilder dieser Klasse fälschlich beigelegt; die Veronica (damals in S. Ildefonso und Aranjuez) ist ein Strozzi (Prado Nr. 406); ferner kommt eine grosse „Ehebrecherin vor Christus“ vor; eine heil. Barbara und die Dreieinigkeit, wahrscheinlich ein Spagnoletto. Nur ein kleines Abendmahl (¾ × ½ varas) kommt bereits in dem von seinem Schwiegersohn del Mazo im Jahre 1666 aufgestellten Inventar vor. Den „Johannes in der Wüste“ (Curtis 18) habe ich nicht gesehen; Ford und Stirling rühmten ihn als echt, Bürger verwirft ihn.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/171>, abgerufen am 26.11.2024.