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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zurbaran.

Zurbaran's Talent muss früh zur Reife gediehen sein, denn
er stand mit zwanzig Jahren bereits in solchem Ansehn, dass
ihm der Marques de Malagon den gewaltigen Retablo der St.
Peterskapelle der Kathedrale übertrug, zur Rechten der Capilla
Real (vollendet und bezeichnet 1625). Um dieselbe Zeit setzt
man schon sein Hauptwerk, die Apotheose des heil. Thomas von
Aquino, für dessen Kolleg. Hier ist sein bekannter Stil schon
völlig fertig. Auf hellem Grund stehen die Figuren, meist in
dünnen Farben von discreter Sättigung, den breiten Atelier-
schatten wie einen Mantel mit sich führend. Es ist aber ein durch
Reflexlicht gleichmässig gedämpfter Schatten, ohne Drucker, die
Lichter dagegen von feinem Glanz durchwoben; überall werden
Flächen blendend weissen Leinens angebracht. Die Architektur,
weiträumiges, ernst-nüchternes Cinquecento, mit Durchblicken in
sonnenhelle Plätze, Strassen und patios; die Landschaft weit, mit
tiefem Augenpunkt, flachhügelig, kahl, öde.

Dieses Altarwerk der S. Peterskapelle, vielleicht unter Ve-
lazquez' Augen entstanden, schliesst sich in der Anordnung aufs
engste an Vorbilder des Mittelalters. In der Mitte thront in
kolossaler Grösse und Vorderansicht der Apostelfürst mit der
Tiara. Bei der Schlüsselertheilung (in der Predella) kniet er an
der Spitze der Apostelreihe, wie in Raphaels Karton, aber es
sind frostig triviale Gestalten. Das Merkwürdige ist wie er sich
hier mit ganz idealen Figuren zurechtgefunden hat, ohne Com-
promiss. Seine Maria ist ein liebliches, befangenes Landmädchen,
die Schönste des Thals, die Maikönigin, erkoren im Auto als
heilige Jungfrau aufzutreten und über der glänzenden blonden
Lockenperücke die Krone des Himmels zu tragen. Sein Schöpfer
ist ein gewaltiger Alter mit hoher Stirn, weissem gekräuselten
Haar und Bart, beschatteten, grämlich zur Welt herabgesenkten
Augen. So könnte man sich den Geist eines unerreichbaren, in
ewigem Schnee begrabenen Alpengipfels vorstellen. Gegenüber
dem rüstigen Allein- und Selbstherrscher des Mosaismus und
des Islam stellt sich der Spanier den Schöpfer vor als einen im
höchsten Greisenalter befindlichen Saturn. Die lange Ewigkeit,

bolsas de los aficionados a estas artes, pues esto de charlar y hacer concurre pocas
veces en un sugeto. Comentarios 26. Aehnlich Diderot im Salon: Mais dites-moi
ou cette brute de Vanloo a trouve cela; car c'etait une brute. Il ne savait ni pen-
ser, ni parler, ni ecrire, ni lire. Mefiez-vous de ces gens qui ont leurs proches
pleines d'esprit, et qui le sement a tout propos. Ils n'ont pas le demon.
Zurbaran.

Zurbaran’s Talent muss früh zur Reife gediehen sein, denn
er stand mit zwanzig Jahren bereits in solchem Ansehn, dass
ihm der Marques de Malagon den gewaltigen Retablo der St.
Peterskapelle der Kathedrale übertrug, zur Rechten der Capilla
Real (vollendet und bezeichnet 1625). Um dieselbe Zeit setzt
man schon sein Hauptwerk, die Apotheose des heil. Thomas von
Aquino, für dessen Kolleg. Hier ist sein bekannter Stil schon
völlig fertig. Auf hellem Grund stehen die Figuren, meist in
dünnen Farben von discreter Sättigung, den breiten Atelier-
schatten wie einen Mantel mit sich führend. Es ist aber ein durch
Reflexlicht gleichmässig gedämpfter Schatten, ohne Drucker, die
Lichter dagegen von feinem Glanz durchwoben; überall werden
Flächen blendend weissen Leinens angebracht. Die Architektur,
weiträumiges, ernst-nüchternes Cinquecento, mit Durchblicken in
sonnenhelle Plätze, Strassen und patios; die Landschaft weit, mit
tiefem Augenpunkt, flachhügelig, kahl, öde.

Dieses Altarwerk der S. Peterskapelle, vielleicht unter Ve-
lazquez’ Augen entstanden, schliesst sich in der Anordnung aufs
engste an Vorbilder des Mittelalters. In der Mitte thront in
kolossaler Grösse und Vorderansicht der Apostelfürst mit der
Tiara. Bei der Schlüsselertheilung (in der Predella) kniet er an
der Spitze der Apostelreihe, wie in Raphaels Karton, aber es
sind frostig triviale Gestalten. Das Merkwürdige ist wie er sich
hier mit ganz idealen Figuren zurechtgefunden hat, ohne Com-
promiss. Seine Maria ist ein liebliches, befangenes Landmädchen,
die Schönste des Thals, die Maikönigin, erkoren im Auto als
heilige Jungfrau aufzutreten und über der glänzenden blonden
Lockenperücke die Krone des Himmels zu tragen. Sein Schöpfer
ist ein gewaltiger Alter mit hoher Stirn, weissem gekräuselten
Haar und Bart, beschatteten, grämlich zur Welt herabgesenkten
Augen. So könnte man sich den Geist eines unerreichbaren, in
ewigem Schnee begrabenen Alpengipfels vorstellen. Gegenüber
dem rüstigen Allein- und Selbstherrscher des Mosaismus und
des Islam stellt sich der Spanier den Schöpfer vor als einen im
höchsten Greisenalter befindlichen Saturn. Die lange Ewigkeit,

bolsas de los aficionados á estas artes, pues esto de charlar y hacer concurre pocas
veces en un sugeto. Comentarios 26. Aehnlich Diderot im Salon: Mais dites-moi
où cette brute de Vanloo a trouvé cela; car c’était une brute. Il ne savait ni pen-
ser, ni parler, ni écrire, ni lire. Méfiez-vous de ces gens qui ont leurs proches
pleines d’esprit, et qui le sèment à tout propos. Ils n’ont pas le démon.
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[153/0173] Zurbaran. Zurbaran’s Talent muss früh zur Reife gediehen sein, denn er stand mit zwanzig Jahren bereits in solchem Ansehn, dass ihm der Marques de Malagon den gewaltigen Retablo der St. Peterskapelle der Kathedrale übertrug, zur Rechten der Capilla Real (vollendet und bezeichnet 1625). Um dieselbe Zeit setzt man schon sein Hauptwerk, die Apotheose des heil. Thomas von Aquino, für dessen Kolleg. Hier ist sein bekannter Stil schon völlig fertig. Auf hellem Grund stehen die Figuren, meist in dünnen Farben von discreter Sättigung, den breiten Atelier- schatten wie einen Mantel mit sich führend. Es ist aber ein durch Reflexlicht gleichmässig gedämpfter Schatten, ohne Drucker, die Lichter dagegen von feinem Glanz durchwoben; überall werden Flächen blendend weissen Leinens angebracht. Die Architektur, weiträumiges, ernst-nüchternes Cinquecento, mit Durchblicken in sonnenhelle Plätze, Strassen und patios; die Landschaft weit, mit tiefem Augenpunkt, flachhügelig, kahl, öde. Dieses Altarwerk der S. Peterskapelle, vielleicht unter Ve- lazquez’ Augen entstanden, schliesst sich in der Anordnung aufs engste an Vorbilder des Mittelalters. In der Mitte thront in kolossaler Grösse und Vorderansicht der Apostelfürst mit der Tiara. Bei der Schlüsselertheilung (in der Predella) kniet er an der Spitze der Apostelreihe, wie in Raphaels Karton, aber es sind frostig triviale Gestalten. Das Merkwürdige ist wie er sich hier mit ganz idealen Figuren zurechtgefunden hat, ohne Com- promiss. Seine Maria ist ein liebliches, befangenes Landmädchen, die Schönste des Thals, die Maikönigin, erkoren im Auto als heilige Jungfrau aufzutreten und über der glänzenden blonden Lockenperücke die Krone des Himmels zu tragen. Sein Schöpfer ist ein gewaltiger Alter mit hoher Stirn, weissem gekräuselten Haar und Bart, beschatteten, grämlich zur Welt herabgesenkten Augen. So könnte man sich den Geist eines unerreichbaren, in ewigem Schnee begrabenen Alpengipfels vorstellen. Gegenüber dem rüstigen Allein- und Selbstherrscher des Mosaismus und des Islam stellt sich der Spanier den Schöpfer vor als einen im höchsten Greisenalter befindlichen Saturn. Die lange Ewigkeit, 1) 1) bolsas de los aficionados á estas artes, pues esto de charlar y hacer concurre pocas veces en un sugeto. Comentarios 26. Aehnlich Diderot im Salon: Mais dites-moi où cette brute de Vanloo a trouvé cela; car c’était une brute. Il ne savait ni pen- ser, ni parler, ni écrire, ni lire. Méfiez-vous de ces gens qui ont leurs proches pleines d’esprit, et qui le sèment à tout propos. Ils n’ont pas le démon.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/173>, abgerufen am 26.11.2024.