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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Stadt Madrid.

Des Malers täglicher Weg nach dem Palast ging über die
von Philipp III kürzlich neugebaute Plaza mayor durch die Calle
mayor nach der Plaza de palacio. Diese Calle mayor war die
grosse Pulsader; der Lieblingsaufenthalt der galanes, schönen
Damen und Abenteurer jeder Ordnung. Hier vergassen (nach
Alarcon) selbst die Sevillaner ihre Alameda; sie ist das Indien der
alten Welt, d. h. ein umgekehrtes Indien, wo man das Gold rasch
los wird 1).

Das Madrid der Zeit des Velazquez hat sich im Grundriss bis
auf den heutigen Tag wenig verändert, wie ein Blick auf den
grossen Antwerpener Plan zeigt. Nur neue Quartiere haben sich
um diesen Kern gelegt. Schon damals hiess die Puerta del Sol
der Nabel der Hauptstadt 2), und der Prado war die Abendpro-
menade der feinen Welt. Diess Madrid war eine Schöpfung
Philipp II (seit 1561). Bisher war es eine kleine mittelalterliche
Stadt gewesen, seit 1083 endgültig den Mauren abgewonnen,
denen es als Vorposten von Toledo gedient. In der Reisebe-
schreibung Leo's von Rozmital (1466) wird es, als Station
zwischen Getafe und Alcala, mit einer Zeile abgefertigt 3). Die
Umwandlung zur Grossstadt vollzog sich mit erstaunlicher Rasch-
heit. In der Beschreibung des Pedro de Medina vom Jahre 1548 4)
in der es heisst, dass der königliche Palast im Bau begriffen sei,
ist dieser Stadt eine Seite (fol. 88 b) gewidmet; ihre Merkwür-
digkeiten bestanden in gesunder Luft, gutem Wein, Brunnen
und Feuerstein (pedernal). In der zweiten Ausgabe (1595) sind
sieben Seiten hinzugekommen.

Diese Gesundheit des Klima's allein hat Madrids Glück ge-
macht. Der Kaiser hatte bei seinem ersten Besuch den heil-
samen Einfluss des reinen trocknen Luftzugs des Tafellands
auf seine gichtische Constitution empfunden und dort zu resi-
diren beschlossen. Diese Luft, der es seinen arabischen Namen

1) Hoy en tu memoria acaba la alameda de Sevilla. Alarcon, Mudarse por
mejorarse
. La Calle mayor, cosecha de toda la buscona gente. Tirso, Por el sotano
y el torno
. Las Indias de nuestro polo, si hay Indias de empobrecer, yo tambien
Indias la nombro. Alarcon, las paredes oyen.
2) Es ombligo de la corte la puerta del Sol. Tirso a. a. O.
3) Leo von Rozmital, Ritter-, Hof- und Pilgerreise, Stuttgart 1844, 102. Id
oppidum locis campestribus in colle jacet, non admodum amplum.
4) D. Pedro de Medina, grandezas y cosas notables de Espanna. Sevilla 1548.
Neue Ausgabe von Diego Perez de Messa, Prof. der Mathematik zu Alcala, 1595.
Die Stadt Madrid.

Des Malers täglicher Weg nach dem Palast ging über die
von Philipp III kürzlich neugebaute Plaza mayor durch die Calle
mayor nach der Plaza de palacio. Diese Calle mayor war die
grosse Pulsader; der Lieblingsaufenthalt der galanes, schönen
Damen und Abenteurer jeder Ordnung. Hier vergassen (nach
Alarcon) selbst die Sevillaner ihre Alameda; sie ist das Indien der
alten Welt, d. h. ein umgekehrtes Indien, wo man das Gold rasch
los wird 1).

Das Madrid der Zeit des Velazquez hat sich im Grundriss bis
auf den heutigen Tag wenig verändert, wie ein Blick auf den
grossen Antwerpener Plan zeigt. Nur neue Quartiere haben sich
um diesen Kern gelegt. Schon damals hiess die Puerta del Sol
der Nabel der Hauptstadt 2), und der Prado war die Abendpro-
menade der feinen Welt. Diess Madrid war eine Schöpfung
Philipp II (seit 1561). Bisher war es eine kleine mittelalterliche
Stadt gewesen, seit 1083 endgültig den Mauren abgewonnen,
denen es als Vorposten von Toledo gedient. In der Reisebe-
schreibung Leo’s von Rozmital (1466) wird es, als Station
zwischen Getafe und Alcalá, mit einer Zeile abgefertigt 3). Die
Umwandlung zur Grossstadt vollzog sich mit erstaunlicher Rasch-
heit. In der Beschreibung des Pedro de Medina vom Jahre 1548 4)
in der es heisst, dass der königliche Palast im Bau begriffen sei,
ist dieser Stadt eine Seite (fol. 88 b) gewidmet; ihre Merkwür-
digkeiten bestanden in gesunder Luft, gutem Wein, Brunnen
und Feuerstein (pedernal). In der zweiten Ausgabe (1595) sind
sieben Seiten hinzugekommen.

Diese Gesundheit des Klima’s allein hat Madrids Glück ge-
macht. Der Kaiser hatte bei seinem ersten Besuch den heil-
samen Einfluss des reinen trocknen Luftzugs des Tafellands
auf seine gichtische Constitution empfunden und dort zu resi-
diren beschlossen. Diese Luft, der es seinen arabischen Namen

1) Hoy en tu memoria acaba la alameda de Sevilla. Alarcon, Mudarse por
mejorarse
. La Calle mayor, cosecha de toda la buscona gente. Tirso, Por el sotano
y el torno
. Las Indias de nuestro polo, si hay Indias de empobrecer, yo tambien
Indias la nombro. Alarcon, las paredes oyen.
2) Es ombligo de la corte la puerta del Sol. Tirso a. a. O.
3) Leo von Rozmital, Ritter-, Hof- und Pilgerreise, Stuttgart 1844, 102. Id
oppidum locis campestribus in colle jacet, non admodum amplum.
4) D. Pedro de Medina, grandezas y cosas notables de España. Sevilla 1548.
Neue Ausgabe von Diego Perez de Messa, Prof. der Mathematik zu Alcalá, 1595.
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[169/0189] Die Stadt Madrid. Des Malers täglicher Weg nach dem Palast ging über die von Philipp III kürzlich neugebaute Plaza mayor durch die Calle mayor nach der Plaza de palacio. Diese Calle mayor war die grosse Pulsader; der Lieblingsaufenthalt der galanes, schönen Damen und Abenteurer jeder Ordnung. Hier vergassen (nach Alarcon) selbst die Sevillaner ihre Alameda; sie ist das Indien der alten Welt, d. h. ein umgekehrtes Indien, wo man das Gold rasch los wird 1). Das Madrid der Zeit des Velazquez hat sich im Grundriss bis auf den heutigen Tag wenig verändert, wie ein Blick auf den grossen Antwerpener Plan zeigt. Nur neue Quartiere haben sich um diesen Kern gelegt. Schon damals hiess die Puerta del Sol der Nabel der Hauptstadt 2), und der Prado war die Abendpro- menade der feinen Welt. Diess Madrid war eine Schöpfung Philipp II (seit 1561). Bisher war es eine kleine mittelalterliche Stadt gewesen, seit 1083 endgültig den Mauren abgewonnen, denen es als Vorposten von Toledo gedient. In der Reisebe- schreibung Leo’s von Rozmital (1466) wird es, als Station zwischen Getafe und Alcalá, mit einer Zeile abgefertigt 3). Die Umwandlung zur Grossstadt vollzog sich mit erstaunlicher Rasch- heit. In der Beschreibung des Pedro de Medina vom Jahre 1548 4) in der es heisst, dass der königliche Palast im Bau begriffen sei, ist dieser Stadt eine Seite (fol. 88 b) gewidmet; ihre Merkwür- digkeiten bestanden in gesunder Luft, gutem Wein, Brunnen und Feuerstein (pedernal). In der zweiten Ausgabe (1595) sind sieben Seiten hinzugekommen. Diese Gesundheit des Klima’s allein hat Madrids Glück ge- macht. Der Kaiser hatte bei seinem ersten Besuch den heil- samen Einfluss des reinen trocknen Luftzugs des Tafellands auf seine gichtische Constitution empfunden und dort zu resi- diren beschlossen. Diese Luft, der es seinen arabischen Namen 1) Hoy en tu memoria acaba la alameda de Sevilla. Alarcon, Mudarse por mejorarse. La Calle mayor, cosecha de toda la buscona gente. Tirso, Por el sotano y el torno. Las Indias de nuestro polo, si hay Indias de empobrecer, yo tambien Indias la nombro. Alarcon, las paredes oyen. 2) Es ombligo de la corte la puerta del Sol. Tirso a. a. O. 3) Leo von Rozmital, Ritter-, Hof- und Pilgerreise, Stuttgart 1844, 102. Id oppidum locis campestribus in colle jacet, non admodum amplum. 4) D. Pedro de Medina, grandezas y cosas notables de España. Sevilla 1548. Neue Ausgabe von Diego Perez de Messa, Prof. der Mathematik zu Alcalá, 1595.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/189>, abgerufen am 25.11.2024.