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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Zweites Buch.
Das Wachsthum dieses Emporkömmlings, der das altehrwürdige
herrliche Toledo verdrängte, fällt parallel mit der Zeit, wo Spa-
nien aus seinen nationalen und von der Natur vorgezeichneten
Grenzen heraustrat und die Tendenz zur Universalmonarchie
nahm. Ein Hof, der seine Statthalter nach Flandern, der Lom-
bardei, Neapel, Sicilien und Amerika schickt, muss ein welt-
städtisches Wesen bekommen. Tirso nennt Madrid den "Uni-
versalplatz", die "Weltkarte", die "ganze Welt". "Sie ist, sagt
Calderon, das Vaterland aller, die in ihrer kleinen Welt, Ein-
geborene und Fremde, gleich geliebte Söhne sind". Die Spanier,
die von ihrem Land als dem "Schutz und Zepter der Welt"
träumten, waren stolz auf diess "edle Gasthaus aller Fremden" 1).
Die Madrider werden als gesprächig, höflich und gefällig ge-
rühmt, diess überraschte in einem Land, in dessen Ortschaf-
ten sonst die Fremden mit Steinwürfen begrüsst zu werden
pflegten 2). Es war schon damals die "Sphäre" nicht nur der
Schönheit, sondern auch des verfeinerten Lebensgenusses 3). Die
Stadt am Mansanares war trotz ihrer schwerzugänglichen Lage
eine Art Weltbazar besonders für Luxusartikel. Wer pessimi-
stisch gestimmt war, nannte es das Neue Babylon, wo die schärf-
sten Köpfe in der Vielheit der Sprachen verwirrt werden; das
Hospital, wo man Sünden auffängt wie Beulen, und von Glück
zu sagen hat, wer gesund herauskommt 4). --

Da konnte es nun auch nicht an lebhaftem Kunstverkehr
fehlen.

Kunstliebhaberei, Kunstverständniss und Kunstunterhaltung
waren damals in Madrid bereits Ueberlieferung. Ja wenn man

1) Basta che M. es tienda de toda mercaduria. -- Como es plaza universal,
ese nombre pueden dalle . . . . Es todo el mundo esta villa. Tirso, En M. y en
una casa
I, 8. A M., famosa corte, que la mapa del mundo es. Ders., La Villana
de la Sagra
. Que es Espanna amparo y cetro del mundo, noble hospedage de
todos los forasteros. Calderon, Amigo, amante y leal I. En Madrid, patria de
todos, pues en su mundo pequenno son hijos de igual carinno naturales y extran-
geros. Ders., El maestro de danzar.
2) La gente si trovo conversevole, cortese, et grata. Venturini a. a. O.
3) Madrid que es el cetro y la esfera de toda la lindura, el aseo, la gala
y la hermosura. Calderon, No siempre lo peor es cierto II.
4) Esta nueva Babilonia, donde veras confundir en variedades y lenguas el
ingenio mas sutil. Calderon, Hombre pobre I.
Es hospital la corte, venturoso el que sano de ella escapa. Peganse como
bubas los pecados. Tirso, El pretendiente al reves. III, 10.

Zweites Buch.
Das Wachsthum dieses Emporkömmlings, der das altehrwürdige
herrliche Toledo verdrängte, fällt parallel mit der Zeit, wo Spa-
nien aus seinen nationalen und von der Natur vorgezeichneten
Grenzen heraustrat und die Tendenz zur Universalmonarchie
nahm. Ein Hof, der seine Statthalter nach Flandern, der Lom-
bardei, Neapel, Sicilien und Amerika schickt, muss ein welt-
städtisches Wesen bekommen. Tirso nennt Madrid den „Uni-
versalplatz“, die „Weltkarte“, die „ganze Welt“. „Sie ist, sagt
Calderon, das Vaterland aller, die in ihrer kleinen Welt, Ein-
geborene und Fremde, gleich geliebte Söhne sind“. Die Spanier,
die von ihrem Land als dem „Schutz und Zepter der Welt“
träumten, waren stolz auf diess „edle Gasthaus aller Fremden“ 1).
Die Madrider werden als gesprächig, höflich und gefällig ge-
rühmt, diess überraschte in einem Land, in dessen Ortschaf-
ten sonst die Fremden mit Steinwürfen begrüsst zu werden
pflegten 2). Es war schon damals die „Sphäre“ nicht nur der
Schönheit, sondern auch des verfeinerten Lebensgenusses 3). Die
Stadt am Mansanares war trotz ihrer schwerzugänglichen Lage
eine Art Weltbazar besonders für Luxusartikel. Wer pessimi-
stisch gestimmt war, nannte es das Neue Babylon, wo die schärf-
sten Köpfe in der Vielheit der Sprachen verwirrt werden; das
Hospital, wo man Sünden auffängt wie Beulen, und von Glück
zu sagen hat, wer gesund herauskommt 4). —

Da konnte es nun auch nicht an lebhaftem Kunstverkehr
fehlen.

Kunstliebhaberei, Kunstverständniss und Kunstunterhaltung
waren damals in Madrid bereits Ueberlieferung. Ja wenn man

1) Basta che M. es tienda de toda mercaduria. — Como es plaza universal,
ese nombre pueden dalle . . . . Es todo el mundo esta villa. Tirso, En M. y en
una casa
I, 8. A M., famosa corte, que la mapa del mundo es. Ders., La Villana
de la Sagra
. Que es España amparo y cetro del mundo, noble hospedage de
todos los forasteros. Calderon, Amigo, amante y leal I. En Madrid, patria de
todos, pues en su mundo pequeño son hijos de igual cariño naturales y extran-
geros. Ders., El maestro de danzar.
2) La gente si trovò conversevole, cortese, et grata. Venturini a. a. O.
3) Madrid que es el cetro y la esfera de toda la lindura, el aseo, la gala
y la hermosura. Calderon, No siempre lo peor es cierto II.
4) Esta nueva Babilonia, donde verás confundir en variedades y lenguas el
ingenio mas sutil. Calderon, Hombre pobre I.
Es hospital la corte, venturoso el que sano de ella escapa. Peganse como
bubas los pecados. Tirso, El pretendiente al reves. III, 10.
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[172/0192] Zweites Buch. Das Wachsthum dieses Emporkömmlings, der das altehrwürdige herrliche Toledo verdrängte, fällt parallel mit der Zeit, wo Spa- nien aus seinen nationalen und von der Natur vorgezeichneten Grenzen heraustrat und die Tendenz zur Universalmonarchie nahm. Ein Hof, der seine Statthalter nach Flandern, der Lom- bardei, Neapel, Sicilien und Amerika schickt, muss ein welt- städtisches Wesen bekommen. Tirso nennt Madrid den „Uni- versalplatz“, die „Weltkarte“, die „ganze Welt“. „Sie ist, sagt Calderon, das Vaterland aller, die in ihrer kleinen Welt, Ein- geborene und Fremde, gleich geliebte Söhne sind“. Die Spanier, die von ihrem Land als dem „Schutz und Zepter der Welt“ träumten, waren stolz auf diess „edle Gasthaus aller Fremden“ 1). Die Madrider werden als gesprächig, höflich und gefällig ge- rühmt, diess überraschte in einem Land, in dessen Ortschaf- ten sonst die Fremden mit Steinwürfen begrüsst zu werden pflegten 2). Es war schon damals die „Sphäre“ nicht nur der Schönheit, sondern auch des verfeinerten Lebensgenusses 3). Die Stadt am Mansanares war trotz ihrer schwerzugänglichen Lage eine Art Weltbazar besonders für Luxusartikel. Wer pessimi- stisch gestimmt war, nannte es das Neue Babylon, wo die schärf- sten Köpfe in der Vielheit der Sprachen verwirrt werden; das Hospital, wo man Sünden auffängt wie Beulen, und von Glück zu sagen hat, wer gesund herauskommt 4). — Da konnte es nun auch nicht an lebhaftem Kunstverkehr fehlen. Kunstliebhaberei, Kunstverständniss und Kunstunterhaltung waren damals in Madrid bereits Ueberlieferung. Ja wenn man 1) Basta che M. es tienda de toda mercaduria. — Como es plaza universal, ese nombre pueden dalle . . . . Es todo el mundo esta villa. Tirso, En M. y en una casa I, 8. A M., famosa corte, que la mapa del mundo es. Ders., La Villana de la Sagra. Que es España amparo y cetro del mundo, noble hospedage de todos los forasteros. Calderon, Amigo, amante y leal I. En Madrid, patria de todos, pues en su mundo pequeño son hijos de igual cariño naturales y extran- geros. Ders., El maestro de danzar. 2) La gente si trovò conversevole, cortese, et grata. Venturini a. a. O. 3) Madrid que es el cetro y la esfera de toda la lindura, el aseo, la gala y la hermosura. Calderon, No siempre lo peor es cierto II. 4) Esta nueva Babilonia, donde verás confundir en variedades y lenguas el ingenio mas sutil. Calderon, Hombre pobre I. Es hospital la corte, venturoso el que sano de ella escapa. Peganse como bubas los pecados. Tirso, El pretendiente al reves. III, 10.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/192>, abgerufen am 25.11.2024.