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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Olivares.
Oberstallmeisters (Caballerizo mayor). Dieses einflussreichste
Hofamt, das einst Ruy Gomez und Lerma besassen, war der
Schlüssel zur Beherrschung und Bewachung des Monarchen. Er
scheint seines Winkes gewärtig, aber es ist auch ein selbstbe-
wusster Blick, der zu sagen scheint: Todo es mio. Die Linke,
breit und schwerfällig, legt sich um die von dem Mantel ver-
deckte Degenkoppel. Auch der Degen ist unsichtbar, macht
sich aber in der Silhouette des Mantels bemerklich, den er hinten
emporstösst. Aus dem Gürtel sieht der goldene Kammerherrn-
schlüssel hervor. Ein mit vergoldeten Blättern bekleidetes
Bandelier geht über die Brust; auf Wams und Mantel ist das
grüne Kreuz des Alcantaraordens genäht. Auf dem Tisch liegt
der Hut mit Juwelenagraffe und der Kommandostab. Die Be-
handlung erinnert an die "Hirten". Die Zeichnung ist fest und
nicht ohne Härte, die Ausführung bei dünnem Impasto klar und
verschmolzen; die Rundung durch breite helle Schatten erzielt.

Das Bildniss erscheint wie ein vielsagendes Pendant zu dem
Philipp's: der blutjunge, unwissende, wolmeinende, nur auf Damen,
Sport und Repräsentation bedachte Fant, und der durchtriebene,
mit allen Hunden gehetzte alte Fuchs. Den Beifall, den es fand,
beweisen die noch vorhandenen Wiederholungen 1). Noch früher,
denn die Perücke fehlt, ist das Original des prächtigen Stichs von
Paul Pontius, zu dem Rubens die emblematische Umgebung
entwarf 2). Nach Smith's Catalog ist die von Velazquez geschickte
Vorlage eine Grisaille gewesen. In den ersten Abdrücken reicht
der Kinnbart nur bis zur golilla. Die Haare sind dünn und
auf dem Scheitel durchscheinend. Er trägt eine Rüstung mit
(karmoisinrother) Schärpe. Die Zeichnung ist von Pontius treu
wiedergegeben, aber in dem Glanz der Gesichtsflächen und dem

1) Eine solche sah ich 1874 in dem Nachlass des Bibliophilen Henry
Huth. Sie war aus einer Madrider Sammlung in die spanische Galerie Louis
Philipps gekommen, und wurde 1865 für £ 325 10 s. von Henry Farrar gekauft.
Die Figur hat dieselbe Grösse, aber die Leinwand ist kleiner (81" h. 43" br.).
Die andere Replik kam aus der Sammlung König Wilhelms von Holland in
die Ermitage (Nr. 421). Sie ist später, aber auf unser Bild gebaut; das Antlitz
wurde zeitgemäss verändert. Das pentimento am Knie deutet auf Uebermalung. In
dem schielend ausgefallenen Zug der Verbindlichkeit, in dem fast greisenhaft faltigen
Leder der Hände, in dem verworrenen Fall der Tischdecke und im Ton erkennt
man den Antheil eines Schülers.
2) Ex Archetypo Velazquez -- P. P. Rubenius ornavit et Delineavit --
Paul. Pontius Sculp.

Olivares.
Oberstallmeisters (Caballerizo mayor). Dieses einflussreichste
Hofamt, das einst Ruy Gomez und Lerma besassen, war der
Schlüssel zur Beherrschung und Bewachung des Monarchen. Er
scheint seines Winkes gewärtig, aber es ist auch ein selbstbe-
wusster Blick, der zu sagen scheint: Todo es mio. Die Linke,
breit und schwerfällig, legt sich um die von dem Mantel ver-
deckte Degenkoppel. Auch der Degen ist unsichtbar, macht
sich aber in der Silhouette des Mantels bemerklich, den er hinten
emporstösst. Aus dem Gürtel sieht der goldene Kammerherrn-
schlüssel hervor. Ein mit vergoldeten Blättern bekleidetes
Bandelier geht über die Brust; auf Wams und Mantel ist das
grüne Kreuz des Alcántaraordens genäht. Auf dem Tisch liegt
der Hut mit Juwelenagraffe und der Kommandostab. Die Be-
handlung erinnert an die „Hirten“. Die Zeichnung ist fest und
nicht ohne Härte, die Ausführung bei dünnem Impasto klar und
verschmolzen; die Rundung durch breite helle Schatten erzielt.

Das Bildniss erscheint wie ein vielsagendes Pendant zu dem
Philipp’s: der blutjunge, unwissende, wolmeinende, nur auf Damen,
Sport und Repräsentation bedachte Fant, und der durchtriebene,
mit allen Hunden gehetzte alte Fuchs. Den Beifall, den es fand,
beweisen die noch vorhandenen Wiederholungen 1). Noch früher,
denn die Perücke fehlt, ist das Original des prächtigen Stichs von
Paul Pontius, zu dem Rubens die emblematische Umgebung
entwarf 2). Nach Smith’s Catalog ist die von Velazquez geschickte
Vorlage eine Grisaille gewesen. In den ersten Abdrücken reicht
der Kinnbart nur bis zur golilla. Die Haare sind dünn und
auf dem Scheitel durchscheinend. Er trägt eine Rüstung mit
(karmoisinrother) Schärpe. Die Zeichnung ist von Pontius treu
wiedergegeben, aber in dem Glanz der Gesichtsflächen und dem

1) Eine solche sah ich 1874 in dem Nachlass des Bibliophilen Henry
Huth. Sie war aus einer Madrider Sammlung in die spanische Galerie Louis
Philipps gekommen, und wurde 1865 für £ 325 10 s. von Henry Farrar gekauft.
Die Figur hat dieselbe Grösse, aber die Leinwand ist kleiner (81″ h. 43″ br.).
Die andere Replik kam aus der Sammlung König Wilhelms von Holland in
die Ermitage (Nr. 421). Sie ist später, aber auf unser Bild gebaut; das Antlitz
wurde zeitgemäss verändert. Das pentimento am Knie deutet auf Uebermalung. In
dem schielend ausgefallenen Zug der Verbindlichkeit, in dem fast greisenhaft faltigen
Leder der Hände, in dem verworrenen Fall der Tischdecke und im Ton erkennt
man den Antheil eines Schülers.
2) Ex Archetypo Velazquez — P. P. Rubenius ornavit et Delineavit —
Paul. Pontius Sculp.
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[213/0235] Olivares. Oberstallmeisters (Caballerizo mayor). Dieses einflussreichste Hofamt, das einst Ruy Gomez und Lerma besassen, war der Schlüssel zur Beherrschung und Bewachung des Monarchen. Er scheint seines Winkes gewärtig, aber es ist auch ein selbstbe- wusster Blick, der zu sagen scheint: Todo es mio. Die Linke, breit und schwerfällig, legt sich um die von dem Mantel ver- deckte Degenkoppel. Auch der Degen ist unsichtbar, macht sich aber in der Silhouette des Mantels bemerklich, den er hinten emporstösst. Aus dem Gürtel sieht der goldene Kammerherrn- schlüssel hervor. Ein mit vergoldeten Blättern bekleidetes Bandelier geht über die Brust; auf Wams und Mantel ist das grüne Kreuz des Alcántaraordens genäht. Auf dem Tisch liegt der Hut mit Juwelenagraffe und der Kommandostab. Die Be- handlung erinnert an die „Hirten“. Die Zeichnung ist fest und nicht ohne Härte, die Ausführung bei dünnem Impasto klar und verschmolzen; die Rundung durch breite helle Schatten erzielt. Das Bildniss erscheint wie ein vielsagendes Pendant zu dem Philipp’s: der blutjunge, unwissende, wolmeinende, nur auf Damen, Sport und Repräsentation bedachte Fant, und der durchtriebene, mit allen Hunden gehetzte alte Fuchs. Den Beifall, den es fand, beweisen die noch vorhandenen Wiederholungen 1). Noch früher, denn die Perücke fehlt, ist das Original des prächtigen Stichs von Paul Pontius, zu dem Rubens die emblematische Umgebung entwarf 2). Nach Smith’s Catalog ist die von Velazquez geschickte Vorlage eine Grisaille gewesen. In den ersten Abdrücken reicht der Kinnbart nur bis zur golilla. Die Haare sind dünn und auf dem Scheitel durchscheinend. Er trägt eine Rüstung mit (karmoisinrother) Schärpe. Die Zeichnung ist von Pontius treu wiedergegeben, aber in dem Glanz der Gesichtsflächen und dem 1) Eine solche sah ich 1874 in dem Nachlass des Bibliophilen Henry Huth. Sie war aus einer Madrider Sammlung in die spanische Galerie Louis Philipps gekommen, und wurde 1865 für £ 325 10 s. von Henry Farrar gekauft. Die Figur hat dieselbe Grösse, aber die Leinwand ist kleiner (81″ h. 43″ br.). Die andere Replik kam aus der Sammlung König Wilhelms von Holland in die Ermitage (Nr. 421). Sie ist später, aber auf unser Bild gebaut; das Antlitz wurde zeitgemäss verändert. Das pentimento am Knie deutet auf Uebermalung. In dem schielend ausgefallenen Zug der Verbindlichkeit, in dem fast greisenhaft faltigen Leder der Hände, in dem verworrenen Fall der Tischdecke und im Ton erkennt man den Antheil eines Schülers. 2) Ex Archetypo Velazquez — P. P. Rubenius ornavit et Delineavit — Paul. Pontius Sculp.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/235>, abgerufen am 21.11.2024.