Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Italiener am Hofe.
im Vorrath verfertigt, er kauft von ihm vier Guido's und zwei
kleine Correggio's 1).

Die Italiener am Hofe.

In diesen Jahren malte Velazquez sein erstes Historienbild,
eine Episode aus der Geschichte der letzten Vergangenheit.
Das Bild, das als theilweise allegorisch ein Unicum war, ist
gänzlich verloren gegangen, seine Geschichte wäre also mit
wenigen Zeilen abgethan. Aber die Umstände seiner Entstehung
eröffnen eine Perspective auf die Zustände und Bestrebungen
der dortigen Künstlerwelt und die Stellung des Malers zu ihr,
die von nicht bloss biographischem, sondern allgemein ge-
schichtlichem Interesse ist.

Nach seinem ersten Erfolge sollte es scheinen, als habe
er dort vor collegialischen Unannehmlichkeiten ohne Sorge sein
können. Aber man sieht nun, dass dem nicht ganz so war. Er
hatte einen Boden betreten, wo Erfolge, äusserliche oder reelle,
Wirkungen nach sich zu ziehen pflegten, die ihn daran erinnerten,
dass er eben am Hofe war. Ein Schriftsteller der Zeit versichert
uns, es gebe jetzt in Madrid so viele glänzende Talente und
kühne Farbenkünstler, dass man mit ihnen viele Städte ja Reiche
versorgen könne; an Wettbewerb und Eifersucht konnte es also
nicht fehlen. Die Aburtheilung des künstlerischen Verdienstes
lebender und verstorbener war ein beliebter Unterhaltungsstoff
ausgewählter Kreise der Hauptstadt; und die ausserordentlich
wenigen, denen es glückte aufzusteigen, konnten auf scharfe
Kritik gefasst sein. Empfindliche Reden und Klassificationen
sind nun auch Velazquez nicht erspart geblieben.

An der Spitze dieser madrider Malergemeinde standen die
letzten Ausläufer der Künstlerkolonie des Escorial, die man
unter dem vorigen Könige noch zahlreich versammelt sah bei
der Ausmalung des Lustschlosses Pardo. Es waren drei Italiener,
denen denn auch die vielerstrebten wenn auch spärlich dotirten
Posten der Hofmaler (pintor del rey) zugefallen waren. Velazquez
fand im Jahre 1623 als Kollegen ausser Gonzalez, die zwei
Italiener Vicencio Carducho und Eugenio Caxesi. Carducho
war in Florenz geboren, aber mit seinem viel ältern Bruder Bar-
tolomeo ganz jung nach Spanien gekommen; der andere war

1) Tagebuch vom 4. März 1675.

Die Italiener am Hofe.
im Vorrath verfertigt, er kauft von ihm vier Guido’s und zwei
kleine Correggio’s 1).

Die Italiener am Hofe.

In diesen Jahren malte Velazquez sein erstes Historienbild,
eine Episode aus der Geschichte der letzten Vergangenheit.
Das Bild, das als theilweise allegorisch ein Unicum war, ist
gänzlich verloren gegangen, seine Geschichte wäre also mit
wenigen Zeilen abgethan. Aber die Umstände seiner Entstehung
eröffnen eine Perspective auf die Zustände und Bestrebungen
der dortigen Künstlerwelt und die Stellung des Malers zu ihr,
die von nicht bloss biographischem, sondern allgemein ge-
schichtlichem Interesse ist.

Nach seinem ersten Erfolge sollte es scheinen, als habe
er dort vor collegialischen Unannehmlichkeiten ohne Sorge sein
können. Aber man sieht nun, dass dem nicht ganz so war. Er
hatte einen Boden betreten, wo Erfolge, äusserliche oder reelle,
Wirkungen nach sich zu ziehen pflegten, die ihn daran erinnerten,
dass er eben am Hofe war. Ein Schriftsteller der Zeit versichert
uns, es gebe jetzt in Madrid so viele glänzende Talente und
kühne Farbenkünstler, dass man mit ihnen viele Städte ja Reiche
versorgen könne; an Wettbewerb und Eifersucht konnte es also
nicht fehlen. Die Aburtheilung des künstlerischen Verdienstes
lebender und verstorbener war ein beliebter Unterhaltungsstoff
ausgewählter Kreise der Hauptstadt; und die ausserordentlich
wenigen, denen es glückte aufzusteigen, konnten auf scharfe
Kritik gefasst sein. Empfindliche Reden und Klassificationen
sind nun auch Velazquez nicht erspart geblieben.

An der Spitze dieser madrider Malergemeinde standen die
letzten Ausläufer der Künstlerkolonie des Escorial, die man
unter dem vorigen Könige noch zahlreich versammelt sah bei
der Ausmalung des Lustschlosses Pardo. Es waren drei Italiener,
denen denn auch die vielerstrebten wenn auch spärlich dotirten
Posten der Hofmaler (pintor del rey) zugefallen waren. Velazquez
fand im Jahre 1623 als Kollegen ausser Gonzalez, die zwei
Italiener Vicencio Carducho und Eugenio Caxesi. Carducho
war in Florenz geboren, aber mit seinem viel ältern Bruder Bar-
tolomeo ganz jung nach Spanien gekommen; der andere war

1) Tagebuch vom 4. März 1675.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0239" n="217"/><fw place="top" type="header">Die Italiener am Hofe.</fw><lb/>
im Vorrath verfertigt, er kauft von ihm vier Guido&#x2019;s und zwei<lb/>
kleine Correggio&#x2019;s <note place="foot" n="1)">Tagebuch vom 4. März 1675.</note>.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Die Italiener am Hofe.</hi> </head><lb/>
          <p>In diesen Jahren malte Velazquez sein erstes Historienbild,<lb/>
eine Episode aus der Geschichte der letzten Vergangenheit.<lb/>
Das Bild, das als theilweise allegorisch ein Unicum war, ist<lb/>
gänzlich verloren gegangen, seine Geschichte wäre also mit<lb/>
wenigen Zeilen abgethan. Aber die Umstände seiner Entstehung<lb/>
eröffnen eine Perspective auf die Zustände und Bestrebungen<lb/>
der dortigen Künstlerwelt und die Stellung des Malers zu ihr,<lb/>
die von nicht bloss biographischem, sondern allgemein ge-<lb/>
schichtlichem Interesse ist.</p><lb/>
          <p>Nach seinem ersten Erfolge sollte es scheinen, als habe<lb/>
er dort vor collegialischen Unannehmlichkeiten ohne Sorge sein<lb/>
können. Aber man sieht nun, dass dem nicht ganz so war. Er<lb/>
hatte einen Boden betreten, wo Erfolge, äusserliche oder reelle,<lb/>
Wirkungen nach sich zu ziehen pflegten, die ihn daran erinnerten,<lb/>
dass er eben am Hofe war. Ein Schriftsteller der Zeit versichert<lb/>
uns, es gebe jetzt in Madrid so viele glänzende Talente und<lb/>
kühne Farbenkünstler, dass man mit ihnen viele Städte ja Reiche<lb/>
versorgen könne; an Wettbewerb und Eifersucht konnte es also<lb/>
nicht fehlen. Die Aburtheilung des künstlerischen Verdienstes<lb/>
lebender und verstorbener war ein beliebter Unterhaltungsstoff<lb/>
ausgewählter Kreise der Hauptstadt; und die ausserordentlich<lb/>
wenigen, denen es glückte aufzusteigen, konnten auf scharfe<lb/>
Kritik gefasst sein. Empfindliche Reden und Klassificationen<lb/>
sind nun auch Velazquez nicht erspart geblieben.</p><lb/>
          <p>An der Spitze dieser madrider Malergemeinde standen die<lb/>
letzten Ausläufer der Künstlerkolonie des Escorial, die man<lb/>
unter dem vorigen Könige noch zahlreich versammelt sah bei<lb/>
der Ausmalung des Lustschlosses Pardo. Es waren drei Italiener,<lb/>
denen denn auch die vielerstrebten wenn auch spärlich dotirten<lb/>
Posten der Hofmaler (<hi rendition="#i">pintor del rey</hi>) zugefallen waren. Velazquez<lb/>
fand im Jahre 1623 als Kollegen ausser Gonzalez, die zwei<lb/>
Italiener Vicencio Carducho und Eugenio Caxesi. Carducho<lb/>
war in Florenz geboren, aber mit seinem viel ältern Bruder Bar-<lb/>
tolomeo ganz jung nach Spanien gekommen; der andere war<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0239] Die Italiener am Hofe. im Vorrath verfertigt, er kauft von ihm vier Guido’s und zwei kleine Correggio’s 1). Die Italiener am Hofe. In diesen Jahren malte Velazquez sein erstes Historienbild, eine Episode aus der Geschichte der letzten Vergangenheit. Das Bild, das als theilweise allegorisch ein Unicum war, ist gänzlich verloren gegangen, seine Geschichte wäre also mit wenigen Zeilen abgethan. Aber die Umstände seiner Entstehung eröffnen eine Perspective auf die Zustände und Bestrebungen der dortigen Künstlerwelt und die Stellung des Malers zu ihr, die von nicht bloss biographischem, sondern allgemein ge- schichtlichem Interesse ist. Nach seinem ersten Erfolge sollte es scheinen, als habe er dort vor collegialischen Unannehmlichkeiten ohne Sorge sein können. Aber man sieht nun, dass dem nicht ganz so war. Er hatte einen Boden betreten, wo Erfolge, äusserliche oder reelle, Wirkungen nach sich zu ziehen pflegten, die ihn daran erinnerten, dass er eben am Hofe war. Ein Schriftsteller der Zeit versichert uns, es gebe jetzt in Madrid so viele glänzende Talente und kühne Farbenkünstler, dass man mit ihnen viele Städte ja Reiche versorgen könne; an Wettbewerb und Eifersucht konnte es also nicht fehlen. Die Aburtheilung des künstlerischen Verdienstes lebender und verstorbener war ein beliebter Unterhaltungsstoff ausgewählter Kreise der Hauptstadt; und die ausserordentlich wenigen, denen es glückte aufzusteigen, konnten auf scharfe Kritik gefasst sein. Empfindliche Reden und Klassificationen sind nun auch Velazquez nicht erspart geblieben. An der Spitze dieser madrider Malergemeinde standen die letzten Ausläufer der Künstlerkolonie des Escorial, die man unter dem vorigen Könige noch zahlreich versammelt sah bei der Ausmalung des Lustschlosses Pardo. Es waren drei Italiener, denen denn auch die vielerstrebten wenn auch spärlich dotirten Posten der Hofmaler (pintor del rey) zugefallen waren. Velazquez fand im Jahre 1623 als Kollegen ausser Gonzalez, die zwei Italiener Vicencio Carducho und Eugenio Caxesi. Carducho war in Florenz geboren, aber mit seinem viel ältern Bruder Bar- tolomeo ganz jung nach Spanien gekommen; der andere war 1) Tagebuch vom 4. März 1675.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/239
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/239>, abgerufen am 24.11.2024.