sein geistiger Gehalt ist vergleichbar dem von Devotionsmalern wie Guido, Carlo Dolce, Sassoferrato, was ihn weit über diese hinausrückt, ist die glückliche Einführung heimathlicher Volks- typen, Farben und Lichter in die überlieferten Stoffe, sein Na- turalismus, sein kindlich-liebenswürdiger Character.
Was den Ausländer in den religiösen Bildern Spaniens fesselt, ist weniger der Reichthum der Empfindung und die Tiefe der Symbolik, als ein Zug des Ernstes, der Einfalt, der Redlichkeit. Ihre Künstler waren weit entfernt die heiligen Gegenstände blos als Vorwand zu betrachten, um reizvolle Motive anderer Art einzuschmuggeln: aber sie bedachten sich nicht, in mittelalter- licher Unbefangenheit, sie in ihre spanische Welt zu übertra- gen. Daher das oftmals bizarre, seltener abstossende, meist durch kernige Eigenart anziehende Wesen dieser spanischen Kirchenmalerei, das bisweilen zu einer Ueberschätzung ihres künstlerischen Werthes geführt hat.
Schon im fünfzehnten Jahrhundert findet man die Retablo- maler der Provincialschulen, angeregt durch Niederländer, auf ähnlichen Bahnen, damals in den engen Schranken "gothischer" Kunst. Der eindringende Italianismus hat diesen Anfängen echt nationaler Malerei ein rasches Ende bereitet. Die Spanier be- kannten sich ein Jahrhundert lang zum Idealismus: sie haben mit grosser Mühe nur gleichgültige Werke geliefert. Dann folgte die Rückkehr zu dem entgegengesetzten System, aber jetzt mit ganz anderem Kunstvermögen. Dieses System hat stets die Wirkung gehabt, Eigenthümlichkeit zu befreien, weil es auf die wahre Quelle, die nächstliegende Natur hinweist und das Talent auf eigene Füsse stellt. Aber gerade diese rein, ja schroff spa- nischen Meister, die, mit einer Ausnahme, nie im Ausland gewe- sen sind, haben die Runde durch die Welt gemacht und die Vor- stellung von dem geschaffen, was man Spanische Schule nennt. Sie gehören zum Bild des Zeitalters Philipp IV, von dem Leopold Ranke sagt: "Seine Zeit, durch politische Misserfolge und finan- zielle Misswirthschaft so traurig, hat sonst ungleich mehr spa- nische Farbe als die früheren."
In dieser Gruppe war Velazquez der folgerichtigste im Prin- cip, die grösste technische Kraft und das feinste Malerauge. Keine Ausnahme also, wie er vom stofflichen Gesichtspunkt, als der einzige fast ganz weltliche Maler Spaniens bezeichnet werden konnte, sondern der spanischste unter den spanischen Malern.
Die Spanier besassen seit mehr als einem Jahrhundert einen
Velazquez.
sein geistiger Gehalt ist vergleichbar dem von Devotionsmalern wie Guido, Carlo Dolce, Sassoferrato, was ihn weit über diese hinausrückt, ist die glückliche Einführung heimathlicher Volks- typen, Farben und Lichter in die überlieferten Stoffe, sein Na- turalismus, sein kindlich-liebenswürdiger Character.
Was den Ausländer in den religiösen Bildern Spaniens fesselt, ist weniger der Reichthum der Empfindung und die Tiefe der Symbolik, als ein Zug des Ernstes, der Einfalt, der Redlichkeit. Ihre Künstler waren weit entfernt die heiligen Gegenstände blos als Vorwand zu betrachten, um reizvolle Motive anderer Art einzuschmuggeln: aber sie bedachten sich nicht, in mittelalter- licher Unbefangenheit, sie in ihre spanische Welt zu übertra- gen. Daher das oftmals bizarre, seltener abstossende, meist durch kernige Eigenart anziehende Wesen dieser spanischen Kirchenmalerei, das bisweilen zu einer Ueberschätzung ihres künstlerischen Werthes geführt hat.
Schon im fünfzehnten Jahrhundert findet man die Retablo- maler der Provincialschulen, angeregt durch Niederländer, auf ähnlichen Bahnen, damals in den engen Schranken „gothischer“ Kunst. Der eindringende Italianismus hat diesen Anfängen echt nationaler Malerei ein rasches Ende bereitet. Die Spanier be- kannten sich ein Jahrhundert lang zum Idealismus: sie haben mit grosser Mühe nur gleichgültige Werke geliefert. Dann folgte die Rückkehr zu dem entgegengesetzten System, aber jetzt mit ganz anderem Kunstvermögen. Dieses System hat stets die Wirkung gehabt, Eigenthümlichkeit zu befreien, weil es auf die wahre Quelle, die nächstliegende Natur hinweist und das Talent auf eigene Füsse stellt. Aber gerade diese rein, ja schroff spa- nischen Meister, die, mit einer Ausnahme, nie im Ausland gewe- sen sind, haben die Runde durch die Welt gemacht und die Vor- stellung von dem geschaffen, was man Spanische Schule nennt. Sie gehören zum Bild des Zeitalters Philipp IV, von dem Leopold Ranke sagt: „Seine Zeit, durch politische Misserfolge und finan- zielle Misswirthschaft so traurig, hat sonst ungleich mehr spa- nische Farbe als die früheren.“
In dieser Gruppe war Velazquez der folgerichtigste im Prin- cip, die grösste technische Kraft und das feinste Malerauge. Keine Ausnahme also, wie er vom stofflichen Gesichtspunkt, als der einzige fast ganz weltliche Maler Spaniens bezeichnet werden konnte, sondern der spanischste unter den spanischen Malern.
Die Spanier besassen seit mehr als einem Jahrhundert einen
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Velazquez.
sein geistiger Gehalt ist vergleichbar dem von Devotionsmalern
wie Guido, Carlo Dolce, Sassoferrato, was ihn weit über diese
hinausrückt, ist die glückliche Einführung heimathlicher Volks-
typen, Farben und Lichter in die überlieferten Stoffe, sein Na-
turalismus, sein kindlich-liebenswürdiger Character.
Was den Ausländer in den religiösen Bildern Spaniens fesselt,
ist weniger der Reichthum der Empfindung und die Tiefe der
Symbolik, als ein Zug des Ernstes, der Einfalt, der Redlichkeit.
Ihre Künstler waren weit entfernt die heiligen Gegenstände blos
als Vorwand zu betrachten, um reizvolle Motive anderer Art
einzuschmuggeln: aber sie bedachten sich nicht, in mittelalter-
licher Unbefangenheit, sie in ihre spanische Welt zu übertra-
gen. Daher das oftmals bizarre, seltener abstossende, meist
durch kernige Eigenart anziehende Wesen dieser spanischen
Kirchenmalerei, das bisweilen zu einer Ueberschätzung ihres
künstlerischen Werthes geführt hat.
Schon im fünfzehnten Jahrhundert findet man die Retablo-
maler der Provincialschulen, angeregt durch Niederländer, auf
ähnlichen Bahnen, damals in den engen Schranken „gothischer“
Kunst. Der eindringende Italianismus hat diesen Anfängen echt
nationaler Malerei ein rasches Ende bereitet. Die Spanier be-
kannten sich ein Jahrhundert lang zum Idealismus: sie haben mit
grosser Mühe nur gleichgültige Werke geliefert. Dann folgte
die Rückkehr zu dem entgegengesetzten System, aber jetzt mit
ganz anderem Kunstvermögen. Dieses System hat stets die
Wirkung gehabt, Eigenthümlichkeit zu befreien, weil es auf die
wahre Quelle, die nächstliegende Natur hinweist und das Talent
auf eigene Füsse stellt. Aber gerade diese rein, ja schroff spa-
nischen Meister, die, mit einer Ausnahme, nie im Ausland gewe-
sen sind, haben die Runde durch die Welt gemacht und die Vor-
stellung von dem geschaffen, was man Spanische Schule nennt.
Sie gehören zum Bild des Zeitalters Philipp IV, von dem Leopold
Ranke sagt: „Seine Zeit, durch politische Misserfolge und finan-
zielle Misswirthschaft so traurig, hat sonst ungleich mehr spa-
nische Farbe als die früheren.“
In dieser Gruppe war Velazquez der folgerichtigste im Prin-
cip, die grösste technische Kraft und das feinste Malerauge.
Keine Ausnahme also, wie er vom stofflichen Gesichtspunkt, als
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/25>, abgerufen am 03.12.2024.
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