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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Rubens in Madrid.
und Freund, die Gelegenheit zur Bekanntschaft mit der Malerei
der Vergangenheit in dessen Hause, mögen ihn zeitig gewöhnt
haben, Wissen und Geschmack von Praxis zu scheiden; während
er hier nur seinem Genius und dem Nationalgeschmack folgte,
war er dort weitherzig, wenigstens (wie Leibnitz von sich sagte)
kein esprit desapprobateur. Die Wahrheit stiftet keine Sekten.

Auch Carducho und Genossen indess, obwol der erstere ja
in der Folge seinen ganzen Groll und Protest vor das Publicum
gebracht hat, haben sich nicht in den unfruchtbaren Schmoll-
winkel zurückgezogen. Wenigstens fehlt es nicht an Zeichen,
dass sie in der Folge der naturalistischen Methode Zugeständnisse
gemacht haben. In der Gnade des Monarchen sind sie natür-
lich durch diesen Process nicht gestiegen. Als Caxesi im Februar
1631 um Erhöhung seines kärglichen Gehalts einkommt, auch
mit Rücksicht auf die ihm seit langen Jahren geschuldeten Hono-
rare, schreibt Philipp an den Rand: No es tiempo de crecer sala-
rios
(Keine Zeit Gehalte zu erhöhen), und als Carducho aus
ähnlichen Gründen um eine kleine Sinecure bittet, heisst es:
pida otra cossa (Soll um etwas anderes bitten 1).

Rubens in Madrid.

(1628--29.)

Das Jahr 1628 brachte Velazquez ein in mehrfacher Bezie-
hung aufregendes, vielleicht auch einflussreiches Ereigniss: den
neunmonatlichen Besuch des Rubens am Hof zu Madrid.

Ein Wort über die der Kunst fremde Veranlassung 2).

Längst war in dem Meister von Antwerpen der Wunsch
erwacht, die Länder des Südens, die er in seiner Jugend bereist,
noch einmal wiederzusehen. In Italien, dem Land genussreicher
Studienjahre, waren die Ideale seiner Kunst. Bei so ausser-
ordentlicher Produktivität musste zu Zeiten der Trieb erwachen,
auch wieder aufnehmend den Geist aufzufrischen durch Schöpfen
an der Quelle. Er hoffte von der Statthalterin Isabella Urlaub
nach Italien zu erhalten. Aus einem Briefe Buckingham's vom
4. April 1628 geht hervor, dass schon damals von einer "Sen-
dung nach Spanien" gesprochen worden war.


1) Akten der Junta de obra y bosques in Simancas.
2) G. Cruzada Villaamil, Rubens diplomatico espannol. Madrid 1874. Gachard,
Histoire politique et diplomatique de Rubens. Bruxelles 1877.

Rubens in Madrid.
und Freund, die Gelegenheit zur Bekanntschaft mit der Malerei
der Vergangenheit in dessen Hause, mögen ihn zeitig gewöhnt
haben, Wissen und Geschmack von Praxis zu scheiden; während
er hier nur seinem Genius und dem Nationalgeschmack folgte,
war er dort weitherzig, wenigstens (wie Leibnitz von sich sagte)
kein esprit désapprobateur. Die Wahrheit stiftet keine Sekten.

Auch Carducho und Genossen indess, obwol der erstere ja
in der Folge seinen ganzen Groll und Protest vor das Publicum
gebracht hat, haben sich nicht in den unfruchtbaren Schmoll-
winkel zurückgezogen. Wenigstens fehlt es nicht an Zeichen,
dass sie in der Folge der naturalistischen Methode Zugeständnisse
gemacht haben. In der Gnade des Monarchen sind sie natür-
lich durch diesen Process nicht gestiegen. Als Caxesi im Februar
1631 um Erhöhung seines kärglichen Gehalts einkommt, auch
mit Rücksicht auf die ihm seit langen Jahren geschuldeten Hono-
rare, schreibt Philipp an den Rand: No es tiempo de crecer sala-
rios
(Keine Zeit Gehalte zu erhöhen), und als Carducho aus
ähnlichen Gründen um eine kleine Sinecure bittet, heisst es:
pida otra cossa (Soll um etwas anderes bitten 1).

Rubens in Madrid.

(1628—29.)

Das Jahr 1628 brachte Velazquez ein in mehrfacher Bezie-
hung aufregendes, vielleicht auch einflussreiches Ereigniss: den
neunmonatlichen Besuch des Rubens am Hof zu Madrid.

Ein Wort über die der Kunst fremde Veranlassung 2).

Längst war in dem Meister von Antwerpen der Wunsch
erwacht, die Länder des Südens, die er in seiner Jugend bereist,
noch einmal wiederzusehen. In Italien, dem Land genussreicher
Studienjahre, waren die Ideale seiner Kunst. Bei so ausser-
ordentlicher Produktivität musste zu Zeiten der Trieb erwachen,
auch wieder aufnehmend den Geist aufzufrischen durch Schöpfen
an der Quelle. Er hoffte von der Statthalterin Isabella Urlaub
nach Italien zu erhalten. Aus einem Briefe Buckingham’s vom
4. April 1628 geht hervor, dass schon damals von einer „Sen-
dung nach Spanien“ gesprochen worden war.


1) Akten der Junta de obra y bosques in Simancas.
2) G. Cruzada Villaamil, Rubens diplomático español. Madrid 1874. Gachard,
Histoire politique et diplomatique de Rubens. Bruxelles 1877.
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[235/0259] Rubens in Madrid. und Freund, die Gelegenheit zur Bekanntschaft mit der Malerei der Vergangenheit in dessen Hause, mögen ihn zeitig gewöhnt haben, Wissen und Geschmack von Praxis zu scheiden; während er hier nur seinem Genius und dem Nationalgeschmack folgte, war er dort weitherzig, wenigstens (wie Leibnitz von sich sagte) kein esprit désapprobateur. Die Wahrheit stiftet keine Sekten. Auch Carducho und Genossen indess, obwol der erstere ja in der Folge seinen ganzen Groll und Protest vor das Publicum gebracht hat, haben sich nicht in den unfruchtbaren Schmoll- winkel zurückgezogen. Wenigstens fehlt es nicht an Zeichen, dass sie in der Folge der naturalistischen Methode Zugeständnisse gemacht haben. In der Gnade des Monarchen sind sie natür- lich durch diesen Process nicht gestiegen. Als Caxesi im Februar 1631 um Erhöhung seines kärglichen Gehalts einkommt, auch mit Rücksicht auf die ihm seit langen Jahren geschuldeten Hono- rare, schreibt Philipp an den Rand: No es tiempo de crecer sala- rios (Keine Zeit Gehalte zu erhöhen), und als Carducho aus ähnlichen Gründen um eine kleine Sinecure bittet, heisst es: pida otra cossa (Soll um etwas anderes bitten 1). Rubens in Madrid. (1628—29.) Das Jahr 1628 brachte Velazquez ein in mehrfacher Bezie- hung aufregendes, vielleicht auch einflussreiches Ereigniss: den neunmonatlichen Besuch des Rubens am Hof zu Madrid. Ein Wort über die der Kunst fremde Veranlassung 2). Längst war in dem Meister von Antwerpen der Wunsch erwacht, die Länder des Südens, die er in seiner Jugend bereist, noch einmal wiederzusehen. In Italien, dem Land genussreicher Studienjahre, waren die Ideale seiner Kunst. Bei so ausser- ordentlicher Produktivität musste zu Zeiten der Trieb erwachen, auch wieder aufnehmend den Geist aufzufrischen durch Schöpfen an der Quelle. Er hoffte von der Statthalterin Isabella Urlaub nach Italien zu erhalten. Aus einem Briefe Buckingham’s vom 4. April 1628 geht hervor, dass schon damals von einer „Sen- dung nach Spanien“ gesprochen worden war. 1) Akten der Junta de obra y bosques in Simancas. 2) G. Cruzada Villaamil, Rubens diplomático español. Madrid 1874. Gachard, Histoire politique et diplomatique de Rubens. Bruxelles 1877.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/259>, abgerufen am 22.11.2024.