Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Rubens in Madrid.
denn die Reputation muss darunter leiden, wenn ein Mensch von so
wenig Rang (de tan pocas obligaciones) Minister ist, den die Gesand-
ten aufsuchen müssen, und der Vorschläge von solcher Wichtigkeit
macht. Wenn ja freilich dem Antrag stellenden Theile die Wahl
der Mittelsperson nicht zu verwehren ist, und wenn es für Eng-
land keine Bedenken (inconveniente) hat dass diese Mittelsperson
Rubens ist, so sind selbige diesseits dafür um so erheblicher."
Die Statthalterin erwiederte hierauf, dass ja auch Gerbier ein
Maler sei, und dass wenig darauf ankomme, ob die Verhand-
lungen durch ihn eingefädelt würden, da deren Fortführung ja
natürlich Personen von Gewicht (graves) übertragen werden
würde. Hierbei hat man sich denn auch in Madrid vollständig
beruhigt.

Die Statthalterin sandte hierauf Rubens ab, der auf Befehl
Philipp IV mit der Post und in solcher Eile und Geheimniss reiste,
dass er weder den spanischen Gesandten und den flandrischen
Geschäftsträger, noch seine Freunde Peiresc und Dupuy in Paris
gesprochen hat. In der zweiten Woche des September traf er
in der Hauptstadt ein.

Rubens kam also an den spanischen Hof als etwas weniger
denn ein Geschäftsträger, und als etwas mehr denn ein Kourier,
als höherer Dolmetscher der Depeschen die er überbrachte.
Nachdem er in einer Sitzung des Staatsraths vom 28. September
dieser Aufgabe sich entledigt, ist er, da ja inzwischen (am 20.)
auch ein englischer Agent eingetroffen war, vor jenen personas
graves
zurückgetreten, er hat von nun an, was gewiss sein
Wunsch war, ganz seinem wahren Beruf leben könne. Das be-
weist die quantitativ ganz erstaunliche Thätigkeit die er nun
entfaltete. --

Wenn Rubens seinen Besuch dort vor 25 Jahren in guter
Erinnerung bewahrt hatte, so war auch er in Madrid keineswegs
vergessen. Von jener Zeit her besass man von ihm Werke, die
an Bedeutung weder den Bildnissen noch den Historien, die er
später dorthin lieferte, nachstehen. Darunter war die grosse
Anbetung der Könige, welche kürzlich Philipp IV aus dem Nach-
lass des 1621 hingerichteten Rodrigo Calderon sich angeeignet
hatte, und das Reiterbild des Herzogs von Lerma, das damals
im Palast zu Valladolid war, und das, wenn der Reisende Mon-
conys die Ansicht der damaligen Zeit wiedergiebt, für eines der
merkwürdigsten Gemälde in Spanien galt 1). Ein noch nicht ge-

1) Les Voyages de M. de Monconys, IVe p. Paris 1693. 11 (1628 gemacht).

Rubens in Madrid.
denn die Reputation muss darunter leiden, wenn ein Mensch von so
wenig Rang (de tan pocas obligaciones) Minister ist, den die Gesand-
ten aufsuchen müssen, und der Vorschläge von solcher Wichtigkeit
macht. Wenn ja freilich dem Antrag stellenden Theile die Wahl
der Mittelsperson nicht zu verwehren ist, und wenn es für Eng-
land keine Bedenken (inconveniente) hat dass diese Mittelsperson
Rubens ist, so sind selbige diesseits dafür um so erheblicher.“
Die Statthalterin erwiederte hierauf, dass ja auch Gerbier ein
Maler sei, und dass wenig darauf ankomme, ob die Verhand-
lungen durch ihn eingefädelt würden, da deren Fortführung ja
natürlich Personen von Gewicht (graves) übertragen werden
würde. Hierbei hat man sich denn auch in Madrid vollständig
beruhigt.

Die Statthalterin sandte hierauf Rubens ab, der auf Befehl
Philipp IV mit der Post und in solcher Eile und Geheimniss reiste,
dass er weder den spanischen Gesandten und den flandrischen
Geschäftsträger, noch seine Freunde Peiresc und Dupuy in Paris
gesprochen hat. In der zweiten Woche des September traf er
in der Hauptstadt ein.

Rubens kam also an den spanischen Hof als etwas weniger
denn ein Geschäftsträger, und als etwas mehr denn ein Kourier,
als höherer Dolmetscher der Depeschen die er überbrachte.
Nachdem er in einer Sitzung des Staatsraths vom 28. September
dieser Aufgabe sich entledigt, ist er, da ja inzwischen (am 20.)
auch ein englischer Agent eingetroffen war, vor jenen personas
graves
zurückgetreten, er hat von nun an, was gewiss sein
Wunsch war, ganz seinem wahren Beruf leben könne. Das be-
weist die quantitativ ganz erstaunliche Thätigkeit die er nun
entfaltete. —

Wenn Rubens seinen Besuch dort vor 25 Jahren in guter
Erinnerung bewahrt hatte, so war auch er in Madrid keineswegs
vergessen. Von jener Zeit her besass man von ihm Werke, die
an Bedeutung weder den Bildnissen noch den Historien, die er
später dorthin lieferte, nachstehen. Darunter war die grosse
Anbetung der Könige, welche kürzlich Philipp IV aus dem Nach-
lass des 1621 hingerichteten Rodrigo Calderon sich angeeignet
hatte, und das Reiterbild des Herzogs von Lerma, das damals
im Palast zu Valladolid war, und das, wenn der Reisende Mon-
conys die Ansicht der damaligen Zeit wiedergiebt, für eines der
merkwürdigsten Gemälde in Spanien galt 1). Ein noch nicht ge-

1) Les Voyages de M. de Monconys, IVe p. Paris 1693. 11 (1628 gemacht).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0261" n="237"/><fw place="top" type="header">Rubens in Madrid.</fw><lb/>
denn die Reputation muss darunter leiden, wenn ein Mensch von so<lb/>
wenig Rang (<hi rendition="#i">de tan pocas obligaciones</hi>) Minister ist, den die Gesand-<lb/>
ten aufsuchen müssen, und der Vorschläge von solcher Wichtigkeit<lb/>
macht. Wenn ja freilich dem Antrag stellenden Theile die Wahl<lb/>
der Mittelsperson nicht zu verwehren ist, und wenn es für Eng-<lb/>
land keine Bedenken (<hi rendition="#i">inconveniente</hi>) hat dass diese Mittelsperson<lb/>
Rubens ist, so sind selbige diesseits dafür um so erheblicher.&#x201C;<lb/>
Die Statthalterin erwiederte hierauf, dass ja auch Gerbier ein<lb/>
Maler sei, und dass wenig darauf ankomme, ob die Verhand-<lb/>
lungen durch ihn eingefädelt würden, da deren Fortführung ja<lb/>
natürlich Personen von Gewicht (<hi rendition="#i">graves</hi>) übertragen werden<lb/>
würde. Hierbei hat man sich denn auch in Madrid vollständig<lb/>
beruhigt.</p><lb/>
          <p>Die Statthalterin sandte hierauf Rubens ab, der auf Befehl<lb/>
Philipp IV mit der Post und in solcher Eile und Geheimniss reiste,<lb/>
dass er weder den spanischen Gesandten und den flandrischen<lb/>
Geschäftsträger, noch seine Freunde Peiresc und Dupuy in Paris<lb/>
gesprochen hat. In der zweiten Woche des September traf er<lb/>
in der Hauptstadt ein.</p><lb/>
          <p>Rubens kam also an den spanischen Hof als etwas weniger<lb/>
denn ein Geschäftsträger, und als etwas mehr denn ein Kourier,<lb/>
als höherer Dolmetscher der Depeschen die er überbrachte.<lb/>
Nachdem er in einer Sitzung des Staatsraths vom 28. September<lb/>
dieser Aufgabe sich entledigt, ist er, da ja inzwischen (am 20.)<lb/>
auch ein englischer Agent eingetroffen war, vor jenen <hi rendition="#i">personas<lb/>
graves</hi> zurückgetreten, er hat von nun an, was gewiss sein<lb/>
Wunsch war, ganz seinem wahren Beruf leben könne. Das be-<lb/>
weist die quantitativ ganz erstaunliche Thätigkeit die er nun<lb/>
entfaltete. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Wenn Rubens seinen Besuch dort vor 25 Jahren in guter<lb/>
Erinnerung bewahrt hatte, so war auch er in Madrid keineswegs<lb/>
vergessen. Von jener Zeit her besass man von ihm Werke, die<lb/>
an Bedeutung weder den Bildnissen noch den Historien, die er<lb/>
später dorthin lieferte, nachstehen. Darunter war die grosse<lb/>
Anbetung der Könige, welche kürzlich Philipp IV aus dem Nach-<lb/>
lass des 1621 hingerichteten Rodrigo Calderon sich angeeignet<lb/>
hatte, und das Reiterbild des Herzogs von Lerma, das damals<lb/>
im Palast zu Valladolid war, und das, wenn der Reisende Mon-<lb/>
conys die Ansicht der damaligen Zeit wiedergiebt, für eines der<lb/>
merkwürdigsten Gemälde in Spanien galt <note place="foot" n="1)">Les Voyages de M. de Monconys, IV<hi rendition="#sup">e</hi> p. Paris 1693. 11 (1628 gemacht).</note>. Ein noch nicht ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0261] Rubens in Madrid. denn die Reputation muss darunter leiden, wenn ein Mensch von so wenig Rang (de tan pocas obligaciones) Minister ist, den die Gesand- ten aufsuchen müssen, und der Vorschläge von solcher Wichtigkeit macht. Wenn ja freilich dem Antrag stellenden Theile die Wahl der Mittelsperson nicht zu verwehren ist, und wenn es für Eng- land keine Bedenken (inconveniente) hat dass diese Mittelsperson Rubens ist, so sind selbige diesseits dafür um so erheblicher.“ Die Statthalterin erwiederte hierauf, dass ja auch Gerbier ein Maler sei, und dass wenig darauf ankomme, ob die Verhand- lungen durch ihn eingefädelt würden, da deren Fortführung ja natürlich Personen von Gewicht (graves) übertragen werden würde. Hierbei hat man sich denn auch in Madrid vollständig beruhigt. Die Statthalterin sandte hierauf Rubens ab, der auf Befehl Philipp IV mit der Post und in solcher Eile und Geheimniss reiste, dass er weder den spanischen Gesandten und den flandrischen Geschäftsträger, noch seine Freunde Peiresc und Dupuy in Paris gesprochen hat. In der zweiten Woche des September traf er in der Hauptstadt ein. Rubens kam also an den spanischen Hof als etwas weniger denn ein Geschäftsträger, und als etwas mehr denn ein Kourier, als höherer Dolmetscher der Depeschen die er überbrachte. Nachdem er in einer Sitzung des Staatsraths vom 28. September dieser Aufgabe sich entledigt, ist er, da ja inzwischen (am 20.) auch ein englischer Agent eingetroffen war, vor jenen personas graves zurückgetreten, er hat von nun an, was gewiss sein Wunsch war, ganz seinem wahren Beruf leben könne. Das be- weist die quantitativ ganz erstaunliche Thätigkeit die er nun entfaltete. — Wenn Rubens seinen Besuch dort vor 25 Jahren in guter Erinnerung bewahrt hatte, so war auch er in Madrid keineswegs vergessen. Von jener Zeit her besass man von ihm Werke, die an Bedeutung weder den Bildnissen noch den Historien, die er später dorthin lieferte, nachstehen. Darunter war die grosse Anbetung der Könige, welche kürzlich Philipp IV aus dem Nach- lass des 1621 hingerichteten Rodrigo Calderon sich angeeignet hatte, und das Reiterbild des Herzogs von Lerma, das damals im Palast zu Valladolid war, und das, wenn der Reisende Mon- conys die Ansicht der damaligen Zeit wiedergiebt, für eines der merkwürdigsten Gemälde in Spanien galt 1). Ein noch nicht ge- 1) Les Voyages de M. de Monconys, IVe p. Paris 1693. 11 (1628 gemacht).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/261
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/261>, abgerufen am 22.11.2024.