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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Rubens Einfluss auf Velazquez.
auch bereits dafür eine Lanze gebrochen und weit Erfahrenere
aus dem Feld geschlagen. Noch viel blieb ihm übrig zu sehen,
zu lernen und vielleicht zu bewundern. Aber er wird nicht alles
zu machen wünschen, was er bewundert, er ist überhaupt ein
Mann der nicht wünscht, sondern will.

Und nun sollte es scheinen, als ob er doch von Rubens Er-
scheinung nicht so geblendet zu sein brauchte, wie man als
selbstverständlich annimmt.

Zunächst brachte Rubens ihm keine Ueberraschung. Wir
nannten die Werke, welche Madrid schon von ihm besass. Das
Reiterbildniss Lerma's hat er schwerlich in seinen späteren Por-
träts übertroffen. Diese Stücke wogen die acht Bilder die er
jetzt mitbrachte, wohl mehr als auf.

Rubens hat sich ferner von seiner glänzenden Seite, dem
fuego y sublimidad de la invencion, wie die Spanier sagten, dort
gar nicht gezeigt. Seine fünfundzwanzig Kopien nach Tizian
mochten ihnen imponiren als Leistung nordischer Arbeitskraft;
ein Künstler musste sich fragen, warum er statt Uebersetzungen
aus dem italienischen ins flämische zu machen, nicht lieber durch
Leben und Natur, Land und Leute sich zu Originalgedichten
inspiriren lasse.

Dann aber begegnete er ihm auch auf seinem eigensten
Felde der Bildnissmalerei. Nichts lehrreicheres giebt es als die
Vergleichung von Arbeiten verschiedener Meister nach dersel-
ben Person und aus derselben Zeit. Wenn man die Bildnisse
des Rubens und Velazquez von Personen des spanischen Hofs,
Malern, Porträtisten, Kunstfreunden vorlegt in Photographien,
Stichen, so ist der Ausspruch immer: Hier ist die Natur und
das Leben sans phrase; dort die Manier. Auch Leben freilich,
aber das Leben des Malers, sein Geist.

Man nehme diese Isabella von Bourbon. Die edle Tochter
Heinrich IV war nicht gerade eine Schönheit. Unter einer hohen
breiten Stirn zwei grosse, ernste, kalte Augen, ein Zug von ver
fehltem Lebensglück und Langeweile, der stille Verdruss einer
glänzenden Gefangenschaft. Das Untergesicht etwas kurz zusam-
mengedrückt, ein wenig hängende Unterlippe, die Wangen unten
anschwellend. So zeigt sie Velazquez. In der Paraphrase dieses
Textes bei Rubens wird daraus eine freundliche, von Gesundheit
und Glück strahlende Schöne mit junonischen, von geselligem
Behagen wie trunkenen Augen und dem ihm geläufigen etwas
spitz zurückweichenden Oval.


Rubens Einfluss auf Velazquez.
auch bereits dafür eine Lanze gebrochen und weit Erfahrenere
aus dem Feld geschlagen. Noch viel blieb ihm übrig zu sehen,
zu lernen und vielleicht zu bewundern. Aber er wird nicht alles
zu machen wünschen, was er bewundert, er ist überhaupt ein
Mann der nicht wünscht, sondern will.

Und nun sollte es scheinen, als ob er doch von Rubens Er-
scheinung nicht so geblendet zu sein brauchte, wie man als
selbstverständlich annimmt.

Zunächst brachte Rubens ihm keine Ueberraschung. Wir
nannten die Werke, welche Madrid schon von ihm besass. Das
Reiterbildniss Lerma’s hat er schwerlich in seinen späteren Por-
träts übertroffen. Diese Stücke wogen die acht Bilder die er
jetzt mitbrachte, wohl mehr als auf.

Rubens hat sich ferner von seiner glänzenden Seite, dem
fuego y sublimidad de la invencion, wie die Spanier sagten, dort
gar nicht gezeigt. Seine fünfundzwanzig Kopien nach Tizian
mochten ihnen imponiren als Leistung nordischer Arbeitskraft;
ein Künstler musste sich fragen, warum er statt Uebersetzungen
aus dem italienischen ins flämische zu machen, nicht lieber durch
Leben und Natur, Land und Leute sich zu Originalgedichten
inspiriren lasse.

Dann aber begegnete er ihm auch auf seinem eigensten
Felde der Bildnissmalerei. Nichts lehrreicheres giebt es als die
Vergleichung von Arbeiten verschiedener Meister nach dersel-
ben Person und aus derselben Zeit. Wenn man die Bildnisse
des Rubens und Velazquez von Personen des spanischen Hofs,
Malern, Porträtisten, Kunstfreunden vorlegt in Photographien,
Stichen, so ist der Ausspruch immer: Hier ist die Natur und
das Leben sans phrase; dort die Manier. Auch Leben freilich,
aber das Leben des Malers, sein Geist.

Man nehme diese Isabella von Bourbon. Die edle Tochter
Heinrich IV war nicht gerade eine Schönheit. Unter einer hohen
breiten Stirn zwei grosse, ernste, kalte Augen, ein Zug von ver
fehltem Lebensglück und Langeweile, der stille Verdruss einer
glänzenden Gefangenschaft. Das Untergesicht etwas kurz zusam-
mengedrückt, ein wenig hängende Unterlippe, die Wangen unten
anschwellend. So zeigt sie Velazquez. In der Paraphrase dieses
Textes bei Rubens wird daraus eine freundliche, von Gesundheit
und Glück strahlende Schöne mit junonischen, von geselligem
Behagen wie trunkenen Augen und dem ihm geläufigen etwas
spitz zurückweichenden Oval.


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[251/0275] Rubens Einfluss auf Velazquez. auch bereits dafür eine Lanze gebrochen und weit Erfahrenere aus dem Feld geschlagen. Noch viel blieb ihm übrig zu sehen, zu lernen und vielleicht zu bewundern. Aber er wird nicht alles zu machen wünschen, was er bewundert, er ist überhaupt ein Mann der nicht wünscht, sondern will. Und nun sollte es scheinen, als ob er doch von Rubens Er- scheinung nicht so geblendet zu sein brauchte, wie man als selbstverständlich annimmt. Zunächst brachte Rubens ihm keine Ueberraschung. Wir nannten die Werke, welche Madrid schon von ihm besass. Das Reiterbildniss Lerma’s hat er schwerlich in seinen späteren Por- träts übertroffen. Diese Stücke wogen die acht Bilder die er jetzt mitbrachte, wohl mehr als auf. Rubens hat sich ferner von seiner glänzenden Seite, dem fuego y sublimidad de la invencion, wie die Spanier sagten, dort gar nicht gezeigt. Seine fünfundzwanzig Kopien nach Tizian mochten ihnen imponiren als Leistung nordischer Arbeitskraft; ein Künstler musste sich fragen, warum er statt Uebersetzungen aus dem italienischen ins flämische zu machen, nicht lieber durch Leben und Natur, Land und Leute sich zu Originalgedichten inspiriren lasse. Dann aber begegnete er ihm auch auf seinem eigensten Felde der Bildnissmalerei. Nichts lehrreicheres giebt es als die Vergleichung von Arbeiten verschiedener Meister nach dersel- ben Person und aus derselben Zeit. Wenn man die Bildnisse des Rubens und Velazquez von Personen des spanischen Hofs, Malern, Porträtisten, Kunstfreunden vorlegt in Photographien, Stichen, so ist der Ausspruch immer: Hier ist die Natur und das Leben sans phrase; dort die Manier. Auch Leben freilich, aber das Leben des Malers, sein Geist. Man nehme diese Isabella von Bourbon. Die edle Tochter Heinrich IV war nicht gerade eine Schönheit. Unter einer hohen breiten Stirn zwei grosse, ernste, kalte Augen, ein Zug von ver fehltem Lebensglück und Langeweile, der stille Verdruss einer glänzenden Gefangenschaft. Das Untergesicht etwas kurz zusam- mengedrückt, ein wenig hängende Unterlippe, die Wangen unten anschwellend. So zeigt sie Velazquez. In der Paraphrase dieses Textes bei Rubens wird daraus eine freundliche, von Gesundheit und Glück strahlende Schöne mit junonischen, von geselligem Behagen wie trunkenen Augen und dem ihm geläufigen etwas spitz zurückweichenden Oval.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/275>, abgerufen am 21.11.2024.