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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Drittes Buch.
grosse Name, den er sich durch die Belagerung von Ostende
(1604) erworben, war durch die Einnahme von Breda (1624) mit
Glanz aufgefrischt worden. Er war der einzige Feldherr, in den
man zu Madrid völliges Vertrauen setzte, der letzte grosse Heer-
führer, den Spanien noch hatte, "in der grossen Theuerung von
Capacitäten für das Generalcommando"1). Sein Wunsch wäre
gewesen, die Arbeit langer Jahre mit einer Pacification der
Niederlande zu beschliessen; nur mit Widerwillen und auf die
dringenden Bitten des Königs entschloss er sich den Oberbefehl
in Italien zu übernehmen. Sein Auftrag war Casale zu nehmen
und dann Frieden zu schliessen. Lemos hatte gesagt: Wenn wir
den Marchese Spinola machen lassen, so werden wir Frieden,
Ehre und alles Gute haben. Alle seine Forderungen gestand
man zu: er wurde zum Gouverneur von Mailand und Capitan
general
ernannt, mit 36000 Ducaten Gehalt in Kriegszeiten. "Seine
Autorität, sagt der Genuese G. B. Saluzzi, ist die grösste, die je
einem Minister verliehen worden ist, den alten Herzog Alba
und Don Juan de Austria einbegriffen, denn er ist mit unbe-
schränkter Vollmacht zu Krieg und Friedensschluss, sowie zu
Bündnissen versehen." Vor seiner Abreise hatte noch die Hoch-
zeit seiner Tochter Polissena mit D. Diego Mexia (Leganes) im
königlichen Palast, in den Gemächern der Königin und in Gegen-
wart beider Majestäten stattgefunden: seine Söhne, der General
Philipp und der Erzbischof Augustin von Granada waren herbei-
geeilt, den Vater noch einmal zu sehn.

Diesem Manne wurde nun Velazquez vorgestellt, mit ihm
sollte er die Reise nach Italien machen. Es hatten sich noch
angeschlossen der Admiral D. Alvar Bazan, Marques de S. Cruz,
der Herzog von Lerma, und der Abate Scaglia. Diese fuhren
mit dem Feldherrn in demselben Wagen nach Barcelona, wo
neun Galeren ihrer warteten.

Olivares hatte unseren Maler mit Einführungsbriefen mehr
als nöthig versehen; auf sein Geheiss schrieb der Secretär des
Staatsrats D. Juan de Villela allen italienischen Gesandten am
Hof. Velazquez erhielt von ihnen Empfehlungsschreiben für
Venedig und die kleinen italienischen Höfe, Rom und die Le-
gaten in Ferrara und Bologna. Da bei den gespannten Verhält-
nissen diese kurzen und förmlichen Schriftstücke aber wol nicht
hinreichten, um den italienischen Fürsten Klarheit über seine

1) Gandolfo, Depesche vom 19. Oktober 1629 im Turiner Archiv.

Drittes Buch.
grosse Name, den er sich durch die Belagerung von Ostende
(1604) erworben, war durch die Einnahme von Breda (1624) mit
Glanz aufgefrischt worden. Er war der einzige Feldherr, in den
man zu Madrid völliges Vertrauen setzte, der letzte grosse Heer-
führer, den Spanien noch hatte, „in der grossen Theuerung von
Capacitäten für das Generalcommando“1). Sein Wunsch wäre
gewesen, die Arbeit langer Jahre mit einer Pacification der
Niederlande zu beschliessen; nur mit Widerwillen und auf die
dringenden Bitten des Königs entschloss er sich den Oberbefehl
in Italien zu übernehmen. Sein Auftrag war Casale zu nehmen
und dann Frieden zu schliessen. Lemos hatte gesagt: Wenn wir
den Marchese Spinola machen lassen, so werden wir Frieden,
Ehre und alles Gute haben. Alle seine Forderungen gestand
man zu: er wurde zum Gouverneur von Mailand und Capitan
general
ernannt, mit 36000 Ducaten Gehalt in Kriegszeiten. „Seine
Autorität, sagt der Genuese G. B. Saluzzi, ist die grösste, die je
einem Minister verliehen worden ist, den alten Herzog Alba
und Don Juan de Austria einbegriffen, denn er ist mit unbe-
schränkter Vollmacht zu Krieg und Friedensschluss, sowie zu
Bündnissen versehen.“ Vor seiner Abreise hatte noch die Hoch-
zeit seiner Tochter Polissena mit D. Diego Mexía (Leganés) im
königlichen Palast, in den Gemächern der Königin und in Gegen-
wart beider Majestäten stattgefunden: seine Söhne, der General
Philipp und der Erzbischof Augustin von Granada waren herbei-
geeilt, den Vater noch einmal zu sehn.

Diesem Manne wurde nun Velazquez vorgestellt, mit ihm
sollte er die Reise nach Italien machen. Es hatten sich noch
angeschlossen der Admiral D. Alvar Bazan, Marques de S. Cruz,
der Herzog von Lerma, und der Abate Scaglia. Diese fuhren
mit dem Feldherrn in demselben Wagen nach Barcelona, wo
neun Galeren ihrer warteten.

Olivares hatte unseren Maler mit Einführungsbriefen mehr
als nöthig versehen; auf sein Geheiss schrieb der Secretär des
Staatsrats D. Juan de Villela allen italienischen Gesandten am
Hof. Velazquez erhielt von ihnen Empfehlungsschreiben für
Venedig und die kleinen italienischen Höfe, Rom und die Le-
gaten in Ferrara und Bologna. Da bei den gespannten Verhält-
nissen diese kurzen und förmlichen Schriftstücke aber wol nicht
hinreichten, um den italienischen Fürsten Klarheit über seine

1) Gandolfo, Depesche vom 19. Oktober 1629 im Turiner Archiv.
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[270/0296] Drittes Buch. grosse Name, den er sich durch die Belagerung von Ostende (1604) erworben, war durch die Einnahme von Breda (1624) mit Glanz aufgefrischt worden. Er war der einzige Feldherr, in den man zu Madrid völliges Vertrauen setzte, der letzte grosse Heer- führer, den Spanien noch hatte, „in der grossen Theuerung von Capacitäten für das Generalcommando“ 1). Sein Wunsch wäre gewesen, die Arbeit langer Jahre mit einer Pacification der Niederlande zu beschliessen; nur mit Widerwillen und auf die dringenden Bitten des Königs entschloss er sich den Oberbefehl in Italien zu übernehmen. Sein Auftrag war Casale zu nehmen und dann Frieden zu schliessen. Lemos hatte gesagt: Wenn wir den Marchese Spinola machen lassen, so werden wir Frieden, Ehre und alles Gute haben. Alle seine Forderungen gestand man zu: er wurde zum Gouverneur von Mailand und Capitan general ernannt, mit 36000 Ducaten Gehalt in Kriegszeiten. „Seine Autorität, sagt der Genuese G. B. Saluzzi, ist die grösste, die je einem Minister verliehen worden ist, den alten Herzog Alba und Don Juan de Austria einbegriffen, denn er ist mit unbe- schränkter Vollmacht zu Krieg und Friedensschluss, sowie zu Bündnissen versehen.“ Vor seiner Abreise hatte noch die Hoch- zeit seiner Tochter Polissena mit D. Diego Mexía (Leganés) im königlichen Palast, in den Gemächern der Königin und in Gegen- wart beider Majestäten stattgefunden: seine Söhne, der General Philipp und der Erzbischof Augustin von Granada waren herbei- geeilt, den Vater noch einmal zu sehn. Diesem Manne wurde nun Velazquez vorgestellt, mit ihm sollte er die Reise nach Italien machen. Es hatten sich noch angeschlossen der Admiral D. Alvar Bazan, Marques de S. Cruz, der Herzog von Lerma, und der Abate Scaglia. Diese fuhren mit dem Feldherrn in demselben Wagen nach Barcelona, wo neun Galeren ihrer warteten. Olivares hatte unseren Maler mit Einführungsbriefen mehr als nöthig versehen; auf sein Geheiss schrieb der Secretär des Staatsrats D. Juan de Villela allen italienischen Gesandten am Hof. Velazquez erhielt von ihnen Empfehlungsschreiben für Venedig und die kleinen italienischen Höfe, Rom und die Le- gaten in Ferrara und Bologna. Da bei den gespannten Verhält- nissen diese kurzen und förmlichen Schriftstücke aber wol nicht hinreichten, um den italienischen Fürsten Klarheit über seine 1) Gandolfo, Depesche vom 19. Oktober 1629 im Turiner Archiv.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/296>, abgerufen am 22.11.2024.