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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Rom im Jahre 1630.
der Niedergang des Protestantismus besiegelt schien (am 6. März
1629 erschien das Restitutionsedikt), sah man das Haupt der
Kirche im Lager der Feinde ihrer eifrigsten Vorkämpfer. Ur-
ban VIII hatte Ludwig XIII aufgefordert für die Freiheit Italiens
einzutreten und ihm sein Heer zur Verfügung gestellt. Die Bar-
berini waren gut italienisch gesinnt. "Wie schön wäre es gewesen,
so äusserte der Cardinal Francesco dem Venezianer Pesaro ge-
genüber am 1. Mai 1630 in der Villeggiatur am Albaner See,
wenn Florenz, Genua, Venedig und der Pabst sich zu einem
Staatenbund wie die Schweiz vereinigt hätten; dann hätte Italien
nach aussen Sicherheit, im Innern Gleichgewicht bekommen; die
Freistaaten hätten in des Pabstes Rechte nicht übergegriffen,
und für ihn wäre es eine geordnete Schranke gewesen (consti-
tuzione di continenza
)."

Urban VIII florentinischer Witz traf in vertraulichem Gespräch
besonders spanische Figuren. Als im Juni die neuen Cardinäle
Sandoval, Spinola, Albornoz und Pamfili in Rom ankamen, sagte
er: "Seine Katholische Majestät hat, um Uns Furcht einzujagen,
einen Stummen und einen Zwerg Uns hergesandt"; denn Spinola
stotterte, Sandoval war klein von Statur, wie Monterey1), und
Pamfili war unbestritten der hässlichste im h. Colleg. Spanische
Cardinäle fanden den Pabst nie in der Gebelaune.

Der spanische Gesandte, D. Emanuel de Fonseca, Graf
Monterey, erschien selten am Hof Seiner Heiligkeit2). Der Pabst
liebte sich reden zu hören und liess Niemand zum Wort
kommen; der Venezianische Gesandte sagte einmal auf dem
Wege zum Quirinal: er gehe S. Heiligkeit eine Audienz zu geben.

Unser Maler konnte sich indess über seine Aufnahme nicht
beklagen. Diess verdankte er dem Cardinal Francesco, dem
Gönner aller Talente, der ausserdem persönliche Ursache hatte,
sich den vom Madrider Hof empfohlenen gefällig zu zeigen.
Er war im Sommer 1626 als Cardinallegat und Nuntius dort mit
aussergewöhnlichen Ehren empfangen und bewirthet worden; er
hatte die Infantin Maria Therese, die zukünftige Gemahlin Lud-
wig XIV getauft.

Liest man die Briefe aus Rom während des Jahres, wo Ve-

1) Depesche Zuane Pesaro's vom 6. Juli.
2) Als der Condestabile Filippo Colonna die Gräfin, eine Schwester des
Olivares, in der Kirche der Minerva nicht gegrüsst hatte. und deren Vetter gesagt,
er würde, wenn er dabei gewesen, den Colonna gefordert haben, sagte dieser: für
seinesgleichen habe er den Stock. Depesche Pesaro's vom 11. August.

Rom im Jahre 1630.
der Niedergang des Protestantismus besiegelt schien (am 6. März
1629 erschien das Restitutionsedikt), sah man das Haupt der
Kirche im Lager der Feinde ihrer eifrigsten Vorkämpfer. Ur-
ban VIII hatte Ludwig XIII aufgefordert für die Freiheit Italiens
einzutreten und ihm sein Heer zur Verfügung gestellt. Die Bar-
berini waren gut italienisch gesinnt. „Wie schön wäre es gewesen,
so äusserte der Cardinal Francesco dem Venezianer Pesaro ge-
genüber am 1. Mai 1630 in der Villeggiatur am Albaner See,
wenn Florenz, Genua, Venedig und der Pabst sich zu einem
Staatenbund wie die Schweiz vereinigt hätten; dann hätte Italien
nach aussen Sicherheit, im Innern Gleichgewicht bekommen; die
Freistaaten hätten in des Pabstes Rechte nicht übergegriffen,
und für ihn wäre es eine geordnete Schranke gewesen (consti-
tuzione di continenza
).“

Urban VIII florentinischer Witz traf in vertraulichem Gespräch
besonders spanische Figuren. Als im Juni die neuen Cardinäle
Sandoval, Spinola, Albornoz und Pamfili in Rom ankamen, sagte
er: „Seine Katholische Majestät hat, um Uns Furcht einzujagen,
einen Stummen und einen Zwerg Uns hergesandt“; denn Spinola
stotterte, Sandoval war klein von Statur, wie Monterey1), und
Pamfili war unbestritten der hässlichste im h. Colleg. Spanische
Cardinäle fanden den Pabst nie in der Gebelaune.

Der spanische Gesandte, D. Emanuel de Fonseca, Graf
Monterey, erschien selten am Hof Seiner Heiligkeit2). Der Pabst
liebte sich reden zu hören und liess Niemand zum Wort
kommen; der Venezianische Gesandte sagte einmal auf dem
Wege zum Quirinal: er gehe S. Heiligkeit eine Audienz zu geben.

Unser Maler konnte sich indess über seine Aufnahme nicht
beklagen. Diess verdankte er dem Cardinal Francesco, dem
Gönner aller Talente, der ausserdem persönliche Ursache hatte,
sich den vom Madrider Hof empfohlenen gefällig zu zeigen.
Er war im Sommer 1626 als Cardinallegat und Nuntius dort mit
aussergewöhnlichen Ehren empfangen und bewirthet worden; er
hatte die Infantin Maria Therese, die zukünftige Gemahlin Lud-
wig XIV getauft.

Liest man die Briefe aus Rom während des Jahres, wo Ve-

1) Depesche Zuane Pesaro’s vom 6. Juli.
2) Als der Condestabile Filippo Colonna die Gräfin, eine Schwester des
Olivares, in der Kirche der Minerva nicht gegrüsst hatte. und deren Vetter gesagt,
er würde, wenn er dabei gewesen, den Colonna gefordert haben, sagte dieser: für
seinesgleichen habe er den Stock. Depesche Pesaro’s vom 11. August.
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[281/0307] Rom im Jahre 1630. der Niedergang des Protestantismus besiegelt schien (am 6. März 1629 erschien das Restitutionsedikt), sah man das Haupt der Kirche im Lager der Feinde ihrer eifrigsten Vorkämpfer. Ur- ban VIII hatte Ludwig XIII aufgefordert für die Freiheit Italiens einzutreten und ihm sein Heer zur Verfügung gestellt. Die Bar- berini waren gut italienisch gesinnt. „Wie schön wäre es gewesen, so äusserte der Cardinal Francesco dem Venezianer Pesaro ge- genüber am 1. Mai 1630 in der Villeggiatur am Albaner See, wenn Florenz, Genua, Venedig und der Pabst sich zu einem Staatenbund wie die Schweiz vereinigt hätten; dann hätte Italien nach aussen Sicherheit, im Innern Gleichgewicht bekommen; die Freistaaten hätten in des Pabstes Rechte nicht übergegriffen, und für ihn wäre es eine geordnete Schranke gewesen (consti- tuzione di continenza).“ Urban VIII florentinischer Witz traf in vertraulichem Gespräch besonders spanische Figuren. Als im Juni die neuen Cardinäle Sandoval, Spinola, Albornoz und Pamfili in Rom ankamen, sagte er: „Seine Katholische Majestät hat, um Uns Furcht einzujagen, einen Stummen und einen Zwerg Uns hergesandt“; denn Spinola stotterte, Sandoval war klein von Statur, wie Monterey 1), und Pamfili war unbestritten der hässlichste im h. Colleg. Spanische Cardinäle fanden den Pabst nie in der Gebelaune. Der spanische Gesandte, D. Emanuel de Fonseca, Graf Monterey, erschien selten am Hof Seiner Heiligkeit 2). Der Pabst liebte sich reden zu hören und liess Niemand zum Wort kommen; der Venezianische Gesandte sagte einmal auf dem Wege zum Quirinal: er gehe S. Heiligkeit eine Audienz zu geben. Unser Maler konnte sich indess über seine Aufnahme nicht beklagen. Diess verdankte er dem Cardinal Francesco, dem Gönner aller Talente, der ausserdem persönliche Ursache hatte, sich den vom Madrider Hof empfohlenen gefällig zu zeigen. Er war im Sommer 1626 als Cardinallegat und Nuntius dort mit aussergewöhnlichen Ehren empfangen und bewirthet worden; er hatte die Infantin Maria Therese, die zukünftige Gemahlin Lud- wig XIV getauft. Liest man die Briefe aus Rom während des Jahres, wo Ve- 1) Depesche Zuane Pesaro’s vom 6. Juli. 2) Als der Condestabile Filippo Colonna die Gräfin, eine Schwester des Olivares, in der Kirche der Minerva nicht gegrüsst hatte. und deren Vetter gesagt, er würde, wenn er dabei gewesen, den Colonna gefordert haben, sagte dieser: für seinesgleichen habe er den Stock. Depesche Pesaro’s vom 11. August.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/307>, abgerufen am 23.11.2024.