Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Drittes Buch.
(die glänzenden Augen!) sind voller geworden. Der Kopf er-
scheint verändert durch den Schnitt der Haare. Diese, später
dichter und in kegelförmigem, schlichtem Fall die Schläfen be-
deckend, sind nach der Mode der dreissiger Jahre sorgfältig ge-
kräuselt, in sanfter Wellenlinie, nach links tiefer, über die Stirn
gestrichen, dann (durch den Hut) glatt angedrückt, ums Ohr in
künstlichem Gelock ausgebreitet. Dagegen stimmen Stirn, Nase
und Unterlippe überein.

Was das Bildniss von den übrigen des Meisters und von
Selbstbildnissen überhaupt unterscheidet, ist die Bewegung der
Augen, die statt des üblichen Seitenblicks grad aus sehen, wie in
einen Spiegel. Dieser Blick sowie die leise Neigung des Kopfs
auf die linke Schulter und nach vorwärts findet sich auch in jenem
Selbstbildniss der Meninas. Aus dem etwas träumerischen Blick
spricht ein offener, einfacher, bescheidener Charakter.

Das Brustbild steht auf hellgelbem Grunde, gemalt fast nur
mit Schwarz, Weiss und etwas Carmin. Aber die Haltung ist
jetzt durch den braungewordenen Firniss, besonders an den
schattigen Theilen stark verändert worden.

Ist unsre Vermuthung richtig, so wäre es eine eigene fast
einzige Gunst des Zufalls, die seinem Bildniss auf dem römischen
Kapitol einen Platz gegeben hat. Als er vor dem Titusbogen
sass, hat er das schwerlich geahnt.

In der Villa Medici.

Die Villa Medici baute an der Stelle der lucullischen Gärten
im Jahre 1560 Annibale Lippi für den Cardinal Gio. Ricci von
Montepulciano; nach dessen Ableben wurde sie vom Cardinal
Ferdinand von Medici erworben und mit der weltberühmten
Statuensammlung bereichert. Sie besass im Jahre 1629 noch
alle ihre Antiken, von welchen erst 1677 die Venus, der Schleifer
und die Ringergruppe nach der Tribuna der Uffizien gewandert
sind. Nur die in der dem Garten zugewandten Facade im an-
tiquarischen Geschmack des 16. Jahrhunderts eingelassenen
Sarcophagreliefs und Büsten sind von dem alten Vorrath ge-
blieben. Der Mercur des Gian Bologna stand auf einem Brun-
nen; die fünfzehn Statuen der Niobegruppe, im Jahre 1583 ent-
deckt, am Ende der grossen Allee gegen Norden in einer
von vier Pfeilern getragenen Halle von zwanzig Fuss Durch-
messer, kreisförmig gruppirt um ein aufspringendes Ross. Seine

Drittes Buch.
(die glänzenden Augen!) sind voller geworden. Der Kopf er-
scheint verändert durch den Schnitt der Haare. Diese, später
dichter und in kegelförmigem, schlichtem Fall die Schläfen be-
deckend, sind nach der Mode der dreissiger Jahre sorgfältig ge-
kräuselt, in sanfter Wellenlinie, nach links tiefer, über die Stirn
gestrichen, dann (durch den Hut) glatt angedrückt, ums Ohr in
künstlichem Gelock ausgebreitet. Dagegen stimmen Stirn, Nase
und Unterlippe überein.

Was das Bildniss von den übrigen des Meisters und von
Selbstbildnissen überhaupt unterscheidet, ist die Bewegung der
Augen, die statt des üblichen Seitenblicks grad aus sehen, wie in
einen Spiegel. Dieser Blick sowie die leise Neigung des Kopfs
auf die linke Schulter und nach vorwärts findet sich auch in jenem
Selbstbildniss der Meninas. Aus dem etwas träumerischen Blick
spricht ein offener, einfacher, bescheidener Charakter.

Das Brustbild steht auf hellgelbem Grunde, gemalt fast nur
mit Schwarz, Weiss und etwas Carmin. Aber die Haltung ist
jetzt durch den braungewordenen Firniss, besonders an den
schattigen Theilen stark verändert worden.

Ist unsre Vermuthung richtig, so wäre es eine eigene fast
einzige Gunst des Zufalls, die seinem Bildniss auf dem römischen
Kapitol einen Platz gegeben hat. Als er vor dem Titusbogen
sass, hat er das schwerlich geahnt.

In der Villa Medici.

Die Villa Medici baute an der Stelle der lucullischen Gärten
im Jahre 1560 Annibale Lippi für den Cardinal Gio. Ricci von
Montepulciano; nach dessen Ableben wurde sie vom Cardinal
Ferdinand von Medici erworben und mit der weltberühmten
Statuensammlung bereichert. Sie besass im Jahre 1629 noch
alle ihre Antiken, von welchen erst 1677 die Venus, der Schleifer
und die Ringergruppe nach der Tribuna der Uffizien gewandert
sind. Nur die in der dem Garten zugewandten Façade im an-
tiquarischen Geschmack des 16. Jahrhunderts eingelassenen
Sarcophagreliefs und Büsten sind von dem alten Vorrath ge-
blieben. Der Mercur des Gian Bologna stand auf einem Brun-
nen; die fünfzehn Statuen der Niobegruppe, im Jahre 1583 ent-
deckt, am Ende der grossen Allee gegen Norden in einer
von vier Pfeilern getragenen Halle von zwanzig Fuss Durch-
messer, kreisförmig gruppirt um ein aufspringendes Ross. Seine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0322" n="296"/><fw place="top" type="header">Drittes Buch.</fw><lb/>
(die glänzenden Augen!) sind voller geworden. Der Kopf er-<lb/>
scheint verändert durch den Schnitt der Haare. Diese, später<lb/>
dichter und in kegelförmigem, schlichtem Fall die Schläfen be-<lb/>
deckend, sind nach der Mode der dreissiger Jahre sorgfältig ge-<lb/>
kräuselt, in sanfter Wellenlinie, nach links tiefer, über die Stirn<lb/>
gestrichen, dann (durch den Hut) glatt angedrückt, ums Ohr in<lb/>
künstlichem Gelock ausgebreitet. Dagegen stimmen Stirn, Nase<lb/>
und Unterlippe überein.</p><lb/>
          <p>Was das Bildniss von den übrigen des Meisters und von<lb/>
Selbstbildnissen überhaupt unterscheidet, ist die Bewegung der<lb/>
Augen, die statt des üblichen Seitenblicks grad aus sehen, wie in<lb/>
einen Spiegel. Dieser Blick sowie die leise Neigung des Kopfs<lb/>
auf die linke Schulter und nach vorwärts findet sich auch in jenem<lb/>
Selbstbildniss der Meninas. Aus dem etwas träumerischen Blick<lb/>
spricht ein offener, einfacher, bescheidener Charakter.</p><lb/>
          <p>Das Brustbild steht auf hellgelbem Grunde, gemalt fast nur<lb/>
mit Schwarz, Weiss und etwas Carmin. Aber die Haltung ist<lb/>
jetzt durch den braungewordenen Firniss, besonders an den<lb/>
schattigen Theilen stark verändert worden.</p><lb/>
          <p>Ist unsre Vermuthung richtig, so wäre es eine eigene fast<lb/>
einzige Gunst des Zufalls, die seinem Bildniss auf dem römischen<lb/>
Kapitol einen Platz gegeben hat. Als er vor dem Titusbogen<lb/>
sass, hat er das schwerlich geahnt.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">In der Villa Medici.</hi> </head><lb/>
          <p>Die Villa Medici baute an der Stelle der lucullischen Gärten<lb/>
im Jahre 1560 Annibale Lippi für den Cardinal Gio. Ricci von<lb/>
Montepulciano; nach dessen Ableben wurde sie vom Cardinal<lb/>
Ferdinand von Medici erworben und mit der weltberühmten<lb/>
Statuensammlung bereichert. Sie besass im Jahre 1629 noch<lb/>
alle ihre Antiken, von welchen erst 1677 die Venus, der Schleifer<lb/>
und die Ringergruppe nach der Tribuna der Uffizien gewandert<lb/>
sind. Nur die in der dem Garten zugewandten Façade im an-<lb/>
tiquarischen Geschmack des 16. Jahrhunderts eingelassenen<lb/>
Sarcophagreliefs und Büsten sind von dem alten Vorrath ge-<lb/>
blieben. Der Mercur des Gian Bologna stand auf einem Brun-<lb/>
nen; die fünfzehn Statuen der Niobegruppe, im Jahre 1583 ent-<lb/>
deckt, am Ende der grossen Allee gegen Norden in einer<lb/>
von vier Pfeilern getragenen Halle von zwanzig Fuss Durch-<lb/>
messer, kreisförmig gruppirt um ein aufspringendes Ross. Seine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[296/0322] Drittes Buch. (die glänzenden Augen!) sind voller geworden. Der Kopf er- scheint verändert durch den Schnitt der Haare. Diese, später dichter und in kegelförmigem, schlichtem Fall die Schläfen be- deckend, sind nach der Mode der dreissiger Jahre sorgfältig ge- kräuselt, in sanfter Wellenlinie, nach links tiefer, über die Stirn gestrichen, dann (durch den Hut) glatt angedrückt, ums Ohr in künstlichem Gelock ausgebreitet. Dagegen stimmen Stirn, Nase und Unterlippe überein. Was das Bildniss von den übrigen des Meisters und von Selbstbildnissen überhaupt unterscheidet, ist die Bewegung der Augen, die statt des üblichen Seitenblicks grad aus sehen, wie in einen Spiegel. Dieser Blick sowie die leise Neigung des Kopfs auf die linke Schulter und nach vorwärts findet sich auch in jenem Selbstbildniss der Meninas. Aus dem etwas träumerischen Blick spricht ein offener, einfacher, bescheidener Charakter. Das Brustbild steht auf hellgelbem Grunde, gemalt fast nur mit Schwarz, Weiss und etwas Carmin. Aber die Haltung ist jetzt durch den braungewordenen Firniss, besonders an den schattigen Theilen stark verändert worden. Ist unsre Vermuthung richtig, so wäre es eine eigene fast einzige Gunst des Zufalls, die seinem Bildniss auf dem römischen Kapitol einen Platz gegeben hat. Als er vor dem Titusbogen sass, hat er das schwerlich geahnt. In der Villa Medici. Die Villa Medici baute an der Stelle der lucullischen Gärten im Jahre 1560 Annibale Lippi für den Cardinal Gio. Ricci von Montepulciano; nach dessen Ableben wurde sie vom Cardinal Ferdinand von Medici erworben und mit der weltberühmten Statuensammlung bereichert. Sie besass im Jahre 1629 noch alle ihre Antiken, von welchen erst 1677 die Venus, der Schleifer und die Ringergruppe nach der Tribuna der Uffizien gewandert sind. Nur die in der dem Garten zugewandten Façade im an- tiquarischen Geschmack des 16. Jahrhunderts eingelassenen Sarcophagreliefs und Büsten sind von dem alten Vorrath ge- blieben. Der Mercur des Gian Bologna stand auf einem Brun- nen; die fünfzehn Statuen der Niobegruppe, im Jahre 1583 ent- deckt, am Ende der grossen Allee gegen Norden in einer von vier Pfeilern getragenen Halle von zwanzig Fuss Durch- messer, kreisförmig gruppirt um ein aufspringendes Ross. Seine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/322
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/322>, abgerufen am 24.11.2024.