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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Drittes Buch.
cesca Romana, das ihn mit der im Jahre 1615 von Lombardo
erbauten Facade der Kirche verband. An der andern Seite, wo
nur ein schmaler Mauerfetzen, wie ein Strebepfeiler, stehen ge-
blieben war, sieht man durch nach der östlichen Umfassungsmauer
der Farnesischen Gärten. Die darüber hervorragenden dichtge-
drängten Massen von Pappeln, Lorbeern, Cypressen, erweckten in
dieser staubigen Wüste eine wohlthuende Vorstellung von Park-
frische, stiller Abgeschlossenheit, Wasser und vergangenen gros-
sen Tagen. Im Vordergrund erhebt sich links eine schlanke, bis
auf die hohe dünne Krone abgeästete aber von Epheu umrankte
Birke, welche in die helle Fläche zwischen Denkmal und Mauer
hineingepasst ist. Gegenüber rechts in der Ecke sitzt auf ge-
waltigem Marmorblock ein Bursch mit Schlapphut, der seinen
paar Schaafen und Ziegen auf der Schalmei vorbläst.

Es ist ein schmales dunkles Stück Vordergrund mit vorge-
legter Querwand, durch die nur das Thor des Bogens einen Blick
in Ferne und Licht eröffnet. Darin sieht man links, stark verkürzt,
die Nordseite der Orti Farnesiani mit dem Fronton des Vig-
nola; dann zwei von den drei Säulen des Castortempels, zuletzt
die weiss schimmernden Häuser des Aufgangs zum Kapitol
(Via di Campidoglio) und die Ecke des Tabulariums 1).

Vor dem Bogen stehen zwei Cavaliere, die jene wunder-
sam lebendigen und authentischen Reliefs einer der grössten Ka-
tastrophen der Weltgeschichte betrachten. Dieser Ideenverbin-
dung verdanken wir wahrscheinlich auch die Skizze.

Es ist ein Stück des alten Campo Vaccino, das nun längst
verschwunden ist. Diess grösste Trümmer- und Erinnerungsfeld
Italiens war bis in unser Jahrhundert zugleich ein unvergleich-
liches Landschaftsbild: der Kreislauf der Zeiten hatte die uralte
Hirtenscenerie der Anfänge des Bauernstaats zurückgebracht.
Tausende haben hier über das Tasso'sche Thema Cadono le citta
geträumt, von Vorzeit, Gesetzen der Geschichte, Landschafts-
malerei und Menschenloos. Der Ameiseneifer der neuesten For-
schung hat inzwischen die blanken Knochen oder Knochensplitter
dieses Kadavers blossgelegt und mit Taufscheinen versehen;
leider auch auf die Lebenden neuen Brodem tödtlicher Fieberluft
entfesselt. Et plurima mortis imago.


1) Vergl. Hieronymus Cock, Operum antiquorum romanorum reliquias ac
ruinas etc. Antwerpen 1562. Prospectus colossei cum aedibus et variis ruinis illi
contiguis.

Drittes Buch.
cesca Romana, das ihn mit der im Jahre 1615 von Lombardo
erbauten Façade der Kirche verband. An der andern Seite, wo
nur ein schmaler Mauerfetzen, wie ein Strebepfeiler, stehen ge-
blieben war, sieht man durch nach der östlichen Umfassungsmauer
der Farnesischen Gärten. Die darüber hervorragenden dichtge-
drängten Massen von Pappeln, Lorbeern, Cypressen, erweckten in
dieser staubigen Wüste eine wohlthuende Vorstellung von Park-
frische, stiller Abgeschlossenheit, Wasser und vergangenen gros-
sen Tagen. Im Vordergrund erhebt sich links eine schlanke, bis
auf die hohe dünne Krone abgeästete aber von Epheu umrankte
Birke, welche in die helle Fläche zwischen Denkmal und Mauer
hineingepasst ist. Gegenüber rechts in der Ecke sitzt auf ge-
waltigem Marmorblock ein Bursch mit Schlapphut, der seinen
paar Schaafen und Ziegen auf der Schalmei vorbläst.

Es ist ein schmales dunkles Stück Vordergrund mit vorge-
legter Querwand, durch die nur das Thor des Bogens einen Blick
in Ferne und Licht eröffnet. Darin sieht man links, stark verkürzt,
die Nordseite der Orti Farnesiani mit dem Fronton des Vig-
nola; dann zwei von den drei Säulen des Castortempels, zuletzt
die weiss schimmernden Häuser des Aufgangs zum Kapitol
(Via di Campidoglio) und die Ecke des Tabulariums 1).

Vor dem Bogen stehen zwei Cavaliere, die jene wunder-
sam lebendigen und authentischen Reliefs einer der grössten Ka-
tastrophen der Weltgeschichte betrachten. Dieser Ideenverbin-
dung verdanken wir wahrscheinlich auch die Skizze.

Es ist ein Stück des alten Campo Vaccino, das nun längst
verschwunden ist. Diess grösste Trümmer- und Erinnerungsfeld
Italiens war bis in unser Jahrhundert zugleich ein unvergleich-
liches Landschaftsbild: der Kreislauf der Zeiten hatte die uralte
Hirtenscenerie der Anfänge des Bauernstaats zurückgebracht.
Tausende haben hier über das Tasso’sche Thema Cadono le città
geträumt, von Vorzeit, Gesetzen der Geschichte, Landschafts-
malerei und Menschenloos. Der Ameiseneifer der neuesten For-
schung hat inzwischen die blanken Knochen oder Knochensplitter
dieses Kadavers blossgelegt und mit Taufscheinen versehen;
leider auch auf die Lebenden neuen Brodem tödtlicher Fieberluft
entfesselt. Et plurima mortis imago.


1) Vergl. Hieronymus Cock, Operum antiquorum romanorum reliquias ac
ruinas etc. Antwerpen 1562. Prospectus colossei cum aedibus et variis ruinis illi
contiguis.
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[300/0326] Drittes Buch. cesca Romana, das ihn mit der im Jahre 1615 von Lombardo erbauten Façade der Kirche verband. An der andern Seite, wo nur ein schmaler Mauerfetzen, wie ein Strebepfeiler, stehen ge- blieben war, sieht man durch nach der östlichen Umfassungsmauer der Farnesischen Gärten. Die darüber hervorragenden dichtge- drängten Massen von Pappeln, Lorbeern, Cypressen, erweckten in dieser staubigen Wüste eine wohlthuende Vorstellung von Park- frische, stiller Abgeschlossenheit, Wasser und vergangenen gros- sen Tagen. Im Vordergrund erhebt sich links eine schlanke, bis auf die hohe dünne Krone abgeästete aber von Epheu umrankte Birke, welche in die helle Fläche zwischen Denkmal und Mauer hineingepasst ist. Gegenüber rechts in der Ecke sitzt auf ge- waltigem Marmorblock ein Bursch mit Schlapphut, der seinen paar Schaafen und Ziegen auf der Schalmei vorbläst. Es ist ein schmales dunkles Stück Vordergrund mit vorge- legter Querwand, durch die nur das Thor des Bogens einen Blick in Ferne und Licht eröffnet. Darin sieht man links, stark verkürzt, die Nordseite der Orti Farnesiani mit dem Fronton des Vig- nola; dann zwei von den drei Säulen des Castortempels, zuletzt die weiss schimmernden Häuser des Aufgangs zum Kapitol (Via di Campidoglio) und die Ecke des Tabulariums 1). Vor dem Bogen stehen zwei Cavaliere, die jene wunder- sam lebendigen und authentischen Reliefs einer der grössten Ka- tastrophen der Weltgeschichte betrachten. Dieser Ideenverbin- dung verdanken wir wahrscheinlich auch die Skizze. Es ist ein Stück des alten Campo Vaccino, das nun längst verschwunden ist. Diess grösste Trümmer- und Erinnerungsfeld Italiens war bis in unser Jahrhundert zugleich ein unvergleich- liches Landschaftsbild: der Kreislauf der Zeiten hatte die uralte Hirtenscenerie der Anfänge des Bauernstaats zurückgebracht. Tausende haben hier über das Tasso’sche Thema Cadono le città geträumt, von Vorzeit, Gesetzen der Geschichte, Landschafts- malerei und Menschenloos. Der Ameiseneifer der neuesten For- schung hat inzwischen die blanken Knochen oder Knochensplitter dieses Kadavers blossgelegt und mit Taufscheinen versehen; leider auch auf die Lebenden neuen Brodem tödtlicher Fieberluft entfesselt. Et plurima mortis imago. 1) Vergl. Hieronymus Cock, Operum antiquorum romanorum reliquias ac ruinas etc. Antwerpen 1562. Prospectus colossei cum aedibus et variis ruinis illi contiguis.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/326>, abgerufen am 24.11.2024.