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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Königin Maria.
Allein diess ist das schwache flaue Machwerk eines Dilet-
tanten, wo nicht aus dem Gedächtniss gemalt. Zahlreiche Kupfer-
stiche giebt es von ihr; der von J. Louys nach Soutman's Zeich-
nung geht wol auf Rubens zurück; der von Wolfgang Kilian
scheint noch ein Jugendbild, vielleicht jenes Gonzalez; der nach
van Dyck (welcher sie aber nie gesehen hat) von Corn. Galle
d. j. stellt sie als Kaiserin und gealtert dar; alle sind erheblich
von einander verschieden, doch widersprechen sie wenigstens
unserm Bilde nicht: am meisten passt dazu der Merian'sche im
Theatrum Europäum.

Beide Bildnisse, das im Prado und das im alten Museum
am Lustgarten, stimmen vollkommen überein. Nur eins kann
das Original sein, welches, ist nicht leicht zu sagen; doch dürften
die Verhältnisse der im Aufbruch begriffenen Hofgesellschaft in
Neapel und des nur zu kurzem Besuch eingetroffenen Malers
kaum zur Ausführung einer ganzen Figur Zeit gelassen haben.
Er wird also den Kopf dort gemalt haben, die Figur aber nur
skizzirt. Die Ausführung der letzteren geschah in Madrid, wahr-
scheinlich viel später, vielleicht erst nach dem im Jahre 1646
erfolgten Tode der Kaiserin, der ihren Bruder so tief erschütterte.
Man könnte vermuthen, jenes wol nicht zur Aufstellung gekom-
mene Bild, welches sich 1660 in der Wohnung des Malers be-
fand, sei unsere Figur und kurz zuvor noch in Arbeit gewesen.

Es ist ein bleiches, kluges, kaltes Gesicht, Blick und Haltung
stimmen zu dem überlieferten Charakter einer festen, stolzen,
bigotten, indess wenn sie wollte, auch anmuthigen und ge-
winnenden Person. Letzteres würde noch bereitwilligere Zu-
stimmung finden, wenn der Maler nicht über die Züge das Eis
jenes etikettemässigen sosiego verbreitet hätte, und gewisse aller-
dings characteristische Formen der Nase und des Mundes mit einer
trocknen Schärfe markirt. Er hatte ein unglückliches Auge,
würden die Frauen sagen, für solche Spiele der plastischen Natur,
die ihn mehr interessirten als das Geheimniss der Harmonie in
der Schönheit. Diese Unterlippe in Verbindung mit dem Schat-
ten unter der Nase -- dem einzigen Schatten im Gesicht -- bringt
einen nicht gerade erfreulichen Zug von Verachtung hinein.

von einem der de Passe zur Zeit der Heirathsverhandlungen in London gefertigt,
stellt die Infantin zu Pferd dar: The portraiture of the Most Excelent Princes Maria
of Austria; darunter eine Liste der englisch-spanischen Heirathen seit dem Conquest.
Brit. Mus. -- Grösse des Pradostücks 0,58 x 0,44; der Berliner Figur 2,00 x 1,06.

Die Königin Maria.
Allein diess ist das schwache flaue Machwerk eines Dilet-
tanten, wo nicht aus dem Gedächtniss gemalt. Zahlreiche Kupfer-
stiche giebt es von ihr; der von J. Louys nach Soutman’s Zeich-
nung geht wol auf Rubens zurück; der von Wolfgang Kilian
scheint noch ein Jugendbild, vielleicht jenes Gonzalez; der nach
van Dyck (welcher sie aber nie gesehen hat) von Corn. Galle
d. j. stellt sie als Kaiserin und gealtert dar; alle sind erheblich
von einander verschieden, doch widersprechen sie wenigstens
unserm Bilde nicht: am meisten passt dazu der Merian’sche im
Theatrum Europäum.

Beide Bildnisse, das im Prado und das im alten Museum
am Lustgarten, stimmen vollkommen überein. Nur eins kann
das Original sein, welches, ist nicht leicht zu sagen; doch dürften
die Verhältnisse der im Aufbruch begriffenen Hofgesellschaft in
Neapel und des nur zu kurzem Besuch eingetroffenen Malers
kaum zur Ausführung einer ganzen Figur Zeit gelassen haben.
Er wird also den Kopf dort gemalt haben, die Figur aber nur
skizzirt. Die Ausführung der letzteren geschah in Madrid, wahr-
scheinlich viel später, vielleicht erst nach dem im Jahre 1646
erfolgten Tode der Kaiserin, der ihren Bruder so tief erschütterte.
Man könnte vermuthen, jenes wol nicht zur Aufstellung gekom-
mene Bild, welches sich 1660 in der Wohnung des Malers be-
fand, sei unsere Figur und kurz zuvor noch in Arbeit gewesen.

Es ist ein bleiches, kluges, kaltes Gesicht, Blick und Haltung
stimmen zu dem überlieferten Charakter einer festen, stolzen,
bigotten, indess wenn sie wollte, auch anmuthigen und ge-
winnenden Person. Letzteres würde noch bereitwilligere Zu-
stimmung finden, wenn der Maler nicht über die Züge das Eis
jenes etikettemässigen sosiego verbreitet hätte, und gewisse aller-
dings characteristische Formen der Nase und des Mundes mit einer
trocknen Schärfe markirt. Er hatte ein unglückliches Auge,
würden die Frauen sagen, für solche Spiele der plastischen Natur,
die ihn mehr interessirten als das Geheimniss der Harmonie in
der Schönheit. Diese Unterlippe in Verbindung mit dem Schat-
ten unter der Nase — dem einzigen Schatten im Gesicht — bringt
einen nicht gerade erfreulichen Zug von Verachtung hinein.

von einem der de Passe zur Zeit der Heirathsverhandlungen in London gefertigt,
stellt die Infantin zu Pferd dar: The portraiture of the Most Excelent Princes Maria
of Austria; darunter eine Liste der englisch-spanischen Heirathen seit dem Conquest.
Brit. Mus. — Grösse des Pradostücks 0,58 × 0,44; der Berliner Figur 2,00 × 1,06.
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[315/0341] Die Königin Maria. Allein diess ist das schwache flaue Machwerk eines Dilet- tanten, wo nicht aus dem Gedächtniss gemalt. Zahlreiche Kupfer- stiche giebt es von ihr; der von J. Louys nach Soutman’s Zeich- nung geht wol auf Rubens zurück; der von Wolfgang Kilian scheint noch ein Jugendbild, vielleicht jenes Gonzalez; der nach van Dyck (welcher sie aber nie gesehen hat) von Corn. Galle d. j. stellt sie als Kaiserin und gealtert dar; alle sind erheblich von einander verschieden, doch widersprechen sie wenigstens unserm Bilde nicht: am meisten passt dazu der Merian’sche im Theatrum Europäum. Beide Bildnisse, das im Prado und das im alten Museum am Lustgarten, stimmen vollkommen überein. Nur eins kann das Original sein, welches, ist nicht leicht zu sagen; doch dürften die Verhältnisse der im Aufbruch begriffenen Hofgesellschaft in Neapel und des nur zu kurzem Besuch eingetroffenen Malers kaum zur Ausführung einer ganzen Figur Zeit gelassen haben. Er wird also den Kopf dort gemalt haben, die Figur aber nur skizzirt. Die Ausführung der letzteren geschah in Madrid, wahr- scheinlich viel später, vielleicht erst nach dem im Jahre 1646 erfolgten Tode der Kaiserin, der ihren Bruder so tief erschütterte. Man könnte vermuthen, jenes wol nicht zur Aufstellung gekom- mene Bild, welches sich 1660 in der Wohnung des Malers be- fand, sei unsere Figur und kurz zuvor noch in Arbeit gewesen. Es ist ein bleiches, kluges, kaltes Gesicht, Blick und Haltung stimmen zu dem überlieferten Charakter einer festen, stolzen, bigotten, indess wenn sie wollte, auch anmuthigen und ge- winnenden Person. Letzteres würde noch bereitwilligere Zu- stimmung finden, wenn der Maler nicht über die Züge das Eis jenes etikettemässigen sosiego verbreitet hätte, und gewisse aller- dings characteristische Formen der Nase und des Mundes mit einer trocknen Schärfe markirt. Er hatte ein unglückliches Auge, würden die Frauen sagen, für solche Spiele der plastischen Natur, die ihn mehr interessirten als das Geheimniss der Harmonie in der Schönheit. Diese Unterlippe in Verbindung mit dem Schat- ten unter der Nase — dem einzigen Schatten im Gesicht — bringt einen nicht gerade erfreulichen Zug von Verachtung hinein. 4) 4) von einem der de Passe zur Zeit der Heirathsverhandlungen in London gefertigt, stellt die Infantin zu Pferd dar: The portraiture of the Most Excelent Princes Maria of Austria; darunter eine Liste der englisch-spanischen Heirathen seit dem Conquest. Brit. Mus. — Grösse des Pradostücks 0,58 × 0,44; der Berliner Figur 2,00 × 1,06.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/341>, abgerufen am 24.11.2024.