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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Erstes Buch.
durch die Lichter und Farben seiner Reiseeindrücke und die grossen
Perspectiven der Geschichte, die ihm vertraut war.

Der liebenswürdige Begleiter auf Reisen in Spanien, Richard Ford
(1796), dessen Reisehandbuch (zuerst 1845), voll Belesenheit in alten und
neuen Autoren, gewürzt mit Humor, Sarcasmus, Volkskenntniss, Sym-
pathie, von der Luft des Ortes durchweht, in dieser Klasse von Büchern
einzig dasteht, war mehr Kenner als Stirling, obwol seine Charakteristiken
heute für etwas optimistisch gelten. Sein Artikel Velazquez in der Penny
Cyclopaedia ist das beste was dort über diesen geschrieben ist.

Stirling's Biographie wurde auch ins Deutsche (Berlin 1856) und
von G. Brunet ins Französische übersetzt mit räsonnirendem Catalog von
W. Burger 1865. Wenn jenes Werk vorzugsweise aus Büchern geschöpft
war, so sind Theodor Thore's Apercus ganz aus dem Umgang mit den
Originalen gewonnen; sie sind wie eine stenographirte Causerie in Aus-
stellung und Galerie. Dieser taktfeste Kritiker moderner und alter Maler,
der meist den Nagel auf den Kopf traf, war bekanntlich sogar Bahn-
brecher in der Methode des Gemäldestudiums, und dass er an dem
Ringen der Kunst der Gegenwart leidenschaftlich Antheil nahm, hat
seine Schilderungen nur belebt. Er war einer von jenen geborenen
Malern, die nur mit der Feder gearbeitet haben, und seine Feuille-
tonaphorismen sind zuverlässiger als manche gelehrte Bücher; seine ge-
flügelten Worte haben unwiderstehliche Ueberzeugungskraft, weil sie nur
die erste Empfindung ausdrücken, welche das Schreibtischfieber des Mo-
nographisten oft verfälscht.

An ähnlichen treffenden Bemerkungen ist die französische Literatur
nicht arm; ich nenne nur Charles Blanc und Theophile Gautier. Die
schätzbaren Artikel Paul Leforts, des besten Kenners der spanischen
Schule in Frankreich, in der Gazette des Beaux-Arts, sind jetzt in einem
illustrirten Bande vereinigt worden.

Seit den sechziger Jahren haben denn auch die Landsleute unseres
Malers Vorarbeiten veranstaltet für eine durch das in den spanischen
Archiven vergrabene Urkundenmaterial vervollständigte Biographie ihres
jetzt am höchsten geachteten Künstlers. Von drei in günstiger Stellung
für solche Arbeiten befindlichen Dokumentensammlern wurden seit etwa
zwanzig Jahren Monographien vorbereitet und zum Theil schon 1870 und
74 öffentlich angekündigt. Indessen haben diese Forschungen nicht
die Ergebnisse geliefert, die man hoffen konnte; von Aufschlüssen
über Gemälde ist wenig zum Vorschein gekommen; man muss sich
begnügen mit Aktenstücken über Hoftitel, Gehalt und amtliche Berichte
aus dem Palastmarschallamt über Miseren. Bis jetzt ist nicht ein einziger
Brief des Malers gefunden worden; und doch hat er mit Rubens, mit

Erstes Buch.
durch die Lichter und Farben seiner Reiseeindrücke und die grossen
Perspectiven der Geschichte, die ihm vertraut war.

Der liebenswürdige Begleiter auf Reisen in Spanien, Richard Ford
(1796), dessen Reisehandbuch (zuerst 1845), voll Belesenheit in alten und
neuen Autoren, gewürzt mit Humor, Sarcasmus, Volkskenntniss, Sym-
pathie, von der Luft des Ortes durchweht, in dieser Klasse von Büchern
einzig dasteht, war mehr Kenner als Stirling, obwol seine Charakteristiken
heute für etwas optimistisch gelten. Sein Artikel Velazquez in der Penny
Cyclopaedia ist das beste was dort über diesen geschrieben ist.

Stirling’s Biographie wurde auch ins Deutsche (Berlin 1856) und
von G. Brunet ins Französische übersetzt mit räsonnirendem Catalog von
W. Burger 1865. Wenn jenes Werk vorzugsweise aus Büchern geschöpft
war, so sind Theodor Thoré’s Aperçus ganz aus dem Umgang mit den
Originalen gewonnen; sie sind wie eine stenographirte Causerie in Aus-
stellung und Galerie. Dieser taktfeste Kritiker moderner und alter Maler,
der meist den Nagel auf den Kopf traf, war bekanntlich sogar Bahn-
brecher in der Methode des Gemäldestudiums, und dass er an dem
Ringen der Kunst der Gegenwart leidenschaftlich Antheil nahm, hat
seine Schilderungen nur belebt. Er war einer von jenen geborenen
Malern, die nur mit der Feder gearbeitet haben, und seine Feuille-
tonaphorismen sind zuverlässiger als manche gelehrte Bücher; seine ge-
flügelten Worte haben unwiderstehliche Ueberzeugungskraft, weil sie nur
die erste Empfindung ausdrücken, welche das Schreibtischfieber des Mo-
nographisten oft verfälscht.

An ähnlichen treffenden Bemerkungen ist die französische Literatur
nicht arm; ich nenne nur Charles Blanc und Théophile Gautier. Die
schätzbaren Artikel Paul Leforts, des besten Kenners der spanischen
Schule in Frankreich, in der Gazette des Beaux-Arts, sind jetzt in einem
illustrirten Bande vereinigt worden.

Seit den sechziger Jahren haben denn auch die Landsleute unseres
Malers Vorarbeiten veranstaltet für eine durch das in den spanischen
Archiven vergrabene Urkundenmaterial vervollständigte Biographie ihres
jetzt am höchsten geachteten Künstlers. Von drei in günstiger Stellung
für solche Arbeiten befindlichen Dokumentensammlern wurden seit etwa
zwanzig Jahren Monographien vorbereitet und zum Theil schon 1870 und
74 öffentlich angekündigt. Indessen haben diese Forschungen nicht
die Ergebnisse geliefert, die man hoffen konnte; von Aufschlüssen
über Gemälde ist wenig zum Vorschein gekommen; man muss sich
begnügen mit Aktenstücken über Hoftitel, Gehalt und amtliche Berichte
aus dem Palastmarschallamt über Miseren. Bis jetzt ist nicht ein einziger
Brief des Malers gefunden worden; und doch hat er mit Rubens, mit

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[16/0036] Erstes Buch. durch die Lichter und Farben seiner Reiseeindrücke und die grossen Perspectiven der Geschichte, die ihm vertraut war. Der liebenswürdige Begleiter auf Reisen in Spanien, Richard Ford (1796), dessen Reisehandbuch (zuerst 1845), voll Belesenheit in alten und neuen Autoren, gewürzt mit Humor, Sarcasmus, Volkskenntniss, Sym- pathie, von der Luft des Ortes durchweht, in dieser Klasse von Büchern einzig dasteht, war mehr Kenner als Stirling, obwol seine Charakteristiken heute für etwas optimistisch gelten. Sein Artikel Velazquez in der Penny Cyclopaedia ist das beste was dort über diesen geschrieben ist. Stirling’s Biographie wurde auch ins Deutsche (Berlin 1856) und von G. Brunet ins Französische übersetzt mit räsonnirendem Catalog von W. Burger 1865. Wenn jenes Werk vorzugsweise aus Büchern geschöpft war, so sind Theodor Thoré’s Aperçus ganz aus dem Umgang mit den Originalen gewonnen; sie sind wie eine stenographirte Causerie in Aus- stellung und Galerie. Dieser taktfeste Kritiker moderner und alter Maler, der meist den Nagel auf den Kopf traf, war bekanntlich sogar Bahn- brecher in der Methode des Gemäldestudiums, und dass er an dem Ringen der Kunst der Gegenwart leidenschaftlich Antheil nahm, hat seine Schilderungen nur belebt. Er war einer von jenen geborenen Malern, die nur mit der Feder gearbeitet haben, und seine Feuille- tonaphorismen sind zuverlässiger als manche gelehrte Bücher; seine ge- flügelten Worte haben unwiderstehliche Ueberzeugungskraft, weil sie nur die erste Empfindung ausdrücken, welche das Schreibtischfieber des Mo- nographisten oft verfälscht. An ähnlichen treffenden Bemerkungen ist die französische Literatur nicht arm; ich nenne nur Charles Blanc und Théophile Gautier. Die schätzbaren Artikel Paul Leforts, des besten Kenners der spanischen Schule in Frankreich, in der Gazette des Beaux-Arts, sind jetzt in einem illustrirten Bande vereinigt worden. Seit den sechziger Jahren haben denn auch die Landsleute unseres Malers Vorarbeiten veranstaltet für eine durch das in den spanischen Archiven vergrabene Urkundenmaterial vervollständigte Biographie ihres jetzt am höchsten geachteten Künstlers. Von drei in günstiger Stellung für solche Arbeiten befindlichen Dokumentensammlern wurden seit etwa zwanzig Jahren Monographien vorbereitet und zum Theil schon 1870 und 74 öffentlich angekündigt. Indessen haben diese Forschungen nicht die Ergebnisse geliefert, die man hoffen konnte; von Aufschlüssen über Gemälde ist wenig zum Vorschein gekommen; man muss sich begnügen mit Aktenstücken über Hoftitel, Gehalt und amtliche Berichte aus dem Palastmarschallamt über Miseren. Bis jetzt ist nicht ein einziger Brief des Malers gefunden worden; und doch hat er mit Rubens, mit

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/36>, abgerufen am 03.12.2024.