Gemälden des Künstlers (S. 82 f.). Dieser Ton soll wahrscheinlich die Lichtwirkung des tropischen Tages darstellen.
In den meisten Bildern ist die Aktion in den Hintergrund gerückt, und der General in lebensvollem Bildniss mit seinem Stab auf der Anhöhe füllt allein den Vordergrund aus. Diese grossen Figuren retten den malerischen Charakter der Bilder, in denen das topographisch-taktische Element mit möglicher Genauigkeit gewahrt werden sollte.
Der Einfluss des Velazquez scheint in diesen Gemälden un- verkennbar. Der Erfolg seiner Moriscos diente den Malern als Lehre. Den Fernando Giron mit Stab hätte er selbst kaum lebendiger einführen können. Die beiden Stücke des Leonardo erinnern sogar an seine Palette. Wir lasen, dass er einen Ge- neralskopf selbst hineingemalt hatte. Später hat er eine dieser Aktionen, ohne Zweifel weil sie ihn nicht befriedigte, eigen- händig wiederholt und neben Leonardo's Bild aufgehängt. Und so hat das Unternehmen des Conde Duque zur Entstehung des besten Kriegs- und Historienbilds der spanischen Schule den Anstoss gegeben.
Diese zwölf Erfolge schienen dem Leiter der spanischen Politik wol nur als ein Vorspiel zu ganz andern Ereignissen, welche die nächste Zukunft enthüllen sollte. In demselben Jahre, wo wir die erste Nachricht von dem Unternehmen erhalten, wurde der Krieg mit Frankreich erklärt. Auch dieser Kampf, der die Kraft Spaniens für immer brechen und dem alten Ruhm seiner Infanterie ein Ende bereiten sollte, hatte noch einige glän- zende Siege aufzuweisen, die jenen in seinem Spielerglauben be- stärkten. Hatten nicht die Pariser 1636 von den Höhen des Montmartre den Dampf der brennenden Dörfer der Picardie ge- sehn, welche die Nähe des Cardinalinfanten und des Thomas von Savoyen ankündigten? War nicht 1638 das Heer Conde's, als es den spanischen Boden zu betreten gewagt, von dem belagerten Fuenterabia zuletzt in wilder Flucht zu den Schiffen geeilt? Siegesfeste wie die, welche jetzt in dem grossen Theater von Buen Retiro gefeiert wurden, waren in Spanien noch nicht ge- sehn worden. Um einen melancholischen König zu zerstreuen, wurden oft in einem Abend hundertausende verschleudert, während die Soldaten in den blutgedüngten Feldern Flanderns und der Lombardei hungerten, und Generale ihre Feldzugspläne aufgeben mussten, weil Madrid keinen Succurs schicken wollte. Berauscht durch diess prachtvolle Gaukelspiel meinte man in Madrid, die Zeiten Carl V kämen wieder, und noch grösser. Das Jahr 1638
Viertes Buch.
Gemälden des Künstlers (S. 82 f.). Dieser Ton soll wahrscheinlich die Lichtwirkung des tropischen Tages darstellen.
In den meisten Bildern ist die Aktion in den Hintergrund gerückt, und der General in lebensvollem Bildniss mit seinem Stab auf der Anhöhe füllt allein den Vordergrund aus. Diese grossen Figuren retten den malerischen Charakter der Bilder, in denen das topographisch-taktische Element mit möglicher Genauigkeit gewahrt werden sollte.
Der Einfluss des Velazquez scheint in diesen Gemälden un- verkennbar. Der Erfolg seiner Moriscos diente den Malern als Lehre. Den Fernando Giron mit Stab hätte er selbst kaum lebendiger einführen können. Die beiden Stücke des Leonardo erinnern sogar an seine Palette. Wir lasen, dass er einen Ge- neralskopf selbst hineingemalt hatte. Später hat er eine dieser Aktionen, ohne Zweifel weil sie ihn nicht befriedigte, eigen- händig wiederholt und neben Leonardo’s Bild aufgehängt. Und so hat das Unternehmen des Conde Duque zur Entstehung des besten Kriegs- und Historienbilds der spanischen Schule den Anstoss gegeben.
Diese zwölf Erfolge schienen dem Leiter der spanischen Politik wol nur als ein Vorspiel zu ganz andern Ereignissen, welche die nächste Zukunft enthüllen sollte. In demselben Jahre, wo wir die erste Nachricht von dem Unternehmen erhalten, wurde der Krieg mit Frankreich erklärt. Auch dieser Kampf, der die Kraft Spaniens für immer brechen und dem alten Ruhm seiner Infanterie ein Ende bereiten sollte, hatte noch einige glän- zende Siege aufzuweisen, die jenen in seinem Spielerglauben be- stärkten. Hatten nicht die Pariser 1636 von den Höhen des Montmartre den Dampf der brennenden Dörfer der Picardie ge- sehn, welche die Nähe des Cardinalinfanten und des Thomas von Savoyen ankündigten? War nicht 1638 das Heer Condé’s, als es den spanischen Boden zu betreten gewagt, von dem belagerten Fuenterabia zuletzt in wilder Flucht zu den Schiffen geeilt? Siegesfeste wie die, welche jetzt in dem grossen Theater von Buen Retiro gefeiert wurden, waren in Spanien noch nicht ge- sehn worden. Um einen melancholischen König zu zerstreuen, wurden oft in einem Abend hundertausende verschleudert, während die Soldaten in den blutgedüngten Feldern Flanderns und der Lombardei hungerten, und Generale ihre Feldzugspläne aufgeben mussten, weil Madrid keinen Succurs schicken wollte. Berauscht durch diess prachtvolle Gaukelspiel meinte man in Madrid, die Zeiten Carl V kämen wieder, und noch grösser. Das Jahr 1638
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Viertes Buch.
Gemälden des Künstlers (S. 82 f.). Dieser Ton soll wahrscheinlich die
Lichtwirkung des tropischen Tages darstellen.
In den meisten Bildern ist die Aktion in den Hintergrund gerückt,
und der General in lebensvollem Bildniss mit seinem Stab auf der Anhöhe
füllt allein den Vordergrund aus. Diese grossen Figuren retten den
malerischen Charakter der Bilder, in denen das topographisch-taktische
Element mit möglicher Genauigkeit gewahrt werden sollte.
Der Einfluss des Velazquez scheint in diesen Gemälden un-
verkennbar. Der Erfolg seiner Moriscos diente den Malern als
Lehre. Den Fernando Giron mit Stab hätte er selbst kaum
lebendiger einführen können. Die beiden Stücke des Leonardo
erinnern sogar an seine Palette. Wir lasen, dass er einen Ge-
neralskopf selbst hineingemalt hatte. Später hat er eine dieser
Aktionen, ohne Zweifel weil sie ihn nicht befriedigte, eigen-
händig wiederholt und neben Leonardo’s Bild aufgehängt. Und
so hat das Unternehmen des Conde Duque zur Entstehung des
besten Kriegs- und Historienbilds der spanischen Schule den
Anstoss gegeben.
Diese zwölf Erfolge schienen dem Leiter der spanischen
Politik wol nur als ein Vorspiel zu ganz andern Ereignissen,
welche die nächste Zukunft enthüllen sollte. In demselben Jahre,
wo wir die erste Nachricht von dem Unternehmen erhalten,
wurde der Krieg mit Frankreich erklärt. Auch dieser Kampf,
der die Kraft Spaniens für immer brechen und dem alten Ruhm
seiner Infanterie ein Ende bereiten sollte, hatte noch einige glän-
zende Siege aufzuweisen, die jenen in seinem Spielerglauben be-
stärkten. Hatten nicht die Pariser 1636 von den Höhen des
Montmartre den Dampf der brennenden Dörfer der Picardie ge-
sehn, welche die Nähe des Cardinalinfanten und des Thomas von
Savoyen ankündigten? War nicht 1638 das Heer Condé’s, als es
den spanischen Boden zu betreten gewagt, von dem belagerten
Fuenterabia zuletzt in wilder Flucht zu den Schiffen geeilt?
Siegesfeste wie die, welche jetzt in dem grossen Theater von
Buen Retiro gefeiert wurden, waren in Spanien noch nicht ge-
sehn worden. Um einen melancholischen König zu zerstreuen,
wurden oft in einem Abend hundertausende verschleudert, während
die Soldaten in den blutgedüngten Feldern Flanderns und der
Lombardei hungerten, und Generale ihre Feldzugspläne aufgeben
mussten, weil Madrid keinen Succurs schicken wollte. Berauscht
durch diess prachtvolle Gaukelspiel meinte man in Madrid, die
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/376>, abgerufen am 24.11.2024.
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