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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Uebergabe von Breda.
auch unspanisch. Vielleicht hatte er auf dem Schiffe ein Skizze des
Generals genommen; wenn auch keinesfalls den Gedanken zu
diesem Bilde schon gefasst; denn warum hätte er sich nicht bei
der Vertheilung der Kriegsstücke von Buen Retiro gemeldet?
Nebenbei wollte er wol ein Beispiel geben, wie eine solche Action
malerisch zu behandeln sei.

Es ist nicht mehr der etwas spitze, feine Kopf aus der
Zeit von Ostende, auch nicht das Bild ruhiger Vollkraft dieses
Schlachtendenkers, wie in dem Gemälde von Mierevelt; es ist
der Kopf mit grauen Haaren und hoher Stirn, wie ihn die schönen
Bildnisse des Rubens und besonders des van Dyck uns vor-
führen 1). Er hatte in Madrid wiederholt Fieberanfälle zu über-
stehn gehabt, von denen er sich nur langsam erholte. Aber
Velazquez konnte den Zügen auch jenes Leben einhauchen, das
dem Maler nur in vertrautem Verkehr sich aufschliesst. Seine
nicht bloss verneinende Kritik der Darstellung Leonardo's wird
Olivares oder den König auf den Gedanken gebracht haben, ihm
eine zweite Darstellung der Rendicion de Breda aufzutragen, wo-
fern der Wunsch nicht von ihm selbst ausgegangen ist.

Die im Wesen des Meisters begründete Maxime der
Einheit, Einfachheit bestimmt auch diese Komposition. Nur der
Moment der Uebergabe der Schlüssel und was damit zusammen-
hängt; alles andere in strengem Bezug darauf; die Ansicht der
Festung fehlt; ihr Punkt liegt am linken Ende der Leinwand.
Dagegen erscheinen nun beide Feldherrn mit dichtgedrängtem
Gefolge, das wir uns jenseits des Rahmens zu Tausenden er-
weitert denken. Denn die Raumfüllung giebt den Eindruck der
Menge; aber auch der Bedeutung des Vorgangs. Der Gouverneur
war an der Spitze der die Mitte der ausrückenden Besatzung bilden-
den Infanterie im Quartier bei Tetteringen eingetroffen, wo ihn Spi-
nola erwartete. Dort steigen beide ab; es öffnet sich der Kreis.
"Alle treten zurück", und entblössen schweigend das Haupt. Die
Handbewegung des hellbeleuchteten Vlämingers, dem ein Ka-

1) Das Bildniss Mierevelts ist von Jan Muller 1615 gestochen worden; eine
Wiederholung, dem Geldorp Gortzius zugeschrieben, ist in der Galerie zu Darm-
stadt (Nr. 277). Das Bildniss von Rubens, intelligent und geistreich, ist im Palast
Marcello Durazzo zu Genua, eine Wiederholung in der Galerie zu Braunschweig,
eine Copie in der Nostitzgalerie zu Prag; gestochen ist es von Peter de Jode. Van Dyck
hat ihn mehrmals gemalt, das Exemplar aus dem Palast Balbi zu Genua und
mehrere andere sind jetzt in England (van Dyck Ausstellung 1887); der Stich in
der Iconographie ist von Lucas Vorsterman.

Die Uebergabe von Breda.
auch unspanisch. Vielleicht hatte er auf dem Schiffe ein Skizze des
Generals genommen; wenn auch keinesfalls den Gedanken zu
diesem Bilde schon gefasst; denn warum hätte er sich nicht bei
der Vertheilung der Kriegsstücke von Buen Retiro gemeldet?
Nebenbei wollte er wol ein Beispiel geben, wie eine solche Action
malerisch zu behandeln sei.

Es ist nicht mehr der etwas spitze, feine Kopf aus der
Zeit von Ostende, auch nicht das Bild ruhiger Vollkraft dieses
Schlachtendenkers, wie in dem Gemälde von Mierevelt; es ist
der Kopf mit grauen Haaren und hoher Stirn, wie ihn die schönen
Bildnisse des Rubens und besonders des van Dyck uns vor-
führen 1). Er hatte in Madrid wiederholt Fieberanfälle zu über-
stehn gehabt, von denen er sich nur langsam erholte. Aber
Velazquez konnte den Zügen auch jenes Leben einhauchen, das
dem Maler nur in vertrautem Verkehr sich aufschliesst. Seine
nicht bloss verneinende Kritik der Darstellung Leonardo’s wird
Olivares oder den König auf den Gedanken gebracht haben, ihm
eine zweite Darstellung der Rendicion de Bredá aufzutragen, wo-
fern der Wunsch nicht von ihm selbst ausgegangen ist.

Die im Wesen des Meisters begründete Maxime der
Einheit, Einfachheit bestimmt auch diese Komposition. Nur der
Moment der Uebergabe der Schlüssel und was damit zusammen-
hängt; alles andere in strengem Bezug darauf; die Ansicht der
Festung fehlt; ihr Punkt liegt am linken Ende der Leinwand.
Dagegen erscheinen nun beide Feldherrn mit dichtgedrängtem
Gefolge, das wir uns jenseits des Rahmens zu Tausenden er-
weitert denken. Denn die Raumfüllung giebt den Eindruck der
Menge; aber auch der Bedeutung des Vorgangs. Der Gouverneur
war an der Spitze der die Mitte der ausrückenden Besatzung bilden-
den Infanterie im Quartier bei Tetteringen eingetroffen, wo ihn Spi-
nola erwartete. Dort steigen beide ab; es öffnet sich der Kreis.
„Alle treten zurück“, und entblössen schweigend das Haupt. Die
Handbewegung des hellbeleuchteten Vlämingers, dem ein Ka-

1) Das Bildniss Mierevelts ist von Jan Muller 1615 gestochen worden; eine
Wiederholung, dem Geldorp Gortzius zugeschrieben, ist in der Galerie zu Darm-
stadt (Nr. 277). Das Bildniss von Rubens, intelligent und geistreich, ist im Palast
Marcello Durazzo zu Genua, eine Wiederholung in der Galerie zu Braunschweig,
eine Copie in der Nostitzgalerie zu Prag; gestochen ist es von Peter de Jode. Van Dyck
hat ihn mehrmals gemalt, das Exemplar aus dem Palast Balbi zu Genua und
mehrere andere sind jetzt in England (van Dyck Ausstellung 1887); der Stich in
der Iconographie ist von Lucas Vorsterman.
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[361/0389] Die Uebergabe von Breda. auch unspanisch. Vielleicht hatte er auf dem Schiffe ein Skizze des Generals genommen; wenn auch keinesfalls den Gedanken zu diesem Bilde schon gefasst; denn warum hätte er sich nicht bei der Vertheilung der Kriegsstücke von Buen Retiro gemeldet? Nebenbei wollte er wol ein Beispiel geben, wie eine solche Action malerisch zu behandeln sei. Es ist nicht mehr der etwas spitze, feine Kopf aus der Zeit von Ostende, auch nicht das Bild ruhiger Vollkraft dieses Schlachtendenkers, wie in dem Gemälde von Mierevelt; es ist der Kopf mit grauen Haaren und hoher Stirn, wie ihn die schönen Bildnisse des Rubens und besonders des van Dyck uns vor- führen 1). Er hatte in Madrid wiederholt Fieberanfälle zu über- stehn gehabt, von denen er sich nur langsam erholte. Aber Velazquez konnte den Zügen auch jenes Leben einhauchen, das dem Maler nur in vertrautem Verkehr sich aufschliesst. Seine nicht bloss verneinende Kritik der Darstellung Leonardo’s wird Olivares oder den König auf den Gedanken gebracht haben, ihm eine zweite Darstellung der Rendicion de Bredá aufzutragen, wo- fern der Wunsch nicht von ihm selbst ausgegangen ist. Die im Wesen des Meisters begründete Maxime der Einheit, Einfachheit bestimmt auch diese Komposition. Nur der Moment der Uebergabe der Schlüssel und was damit zusammen- hängt; alles andere in strengem Bezug darauf; die Ansicht der Festung fehlt; ihr Punkt liegt am linken Ende der Leinwand. Dagegen erscheinen nun beide Feldherrn mit dichtgedrängtem Gefolge, das wir uns jenseits des Rahmens zu Tausenden er- weitert denken. Denn die Raumfüllung giebt den Eindruck der Menge; aber auch der Bedeutung des Vorgangs. Der Gouverneur war an der Spitze der die Mitte der ausrückenden Besatzung bilden- den Infanterie im Quartier bei Tetteringen eingetroffen, wo ihn Spi- nola erwartete. Dort steigen beide ab; es öffnet sich der Kreis. „Alle treten zurück“, und entblössen schweigend das Haupt. Die Handbewegung des hellbeleuchteten Vlämingers, dem ein Ka- 1) Das Bildniss Mierevelts ist von Jan Muller 1615 gestochen worden; eine Wiederholung, dem Geldorp Gortzius zugeschrieben, ist in der Galerie zu Darm- stadt (Nr. 277). Das Bildniss von Rubens, intelligent und geistreich, ist im Palast Marcello Durazzo zu Genua, eine Wiederholung in der Galerie zu Braunschweig, eine Copie in der Nostitzgalerie zu Prag; gestochen ist es von Peter de Jode. Van Dyck hat ihn mehrmals gemalt, das Exemplar aus dem Palast Balbi zu Genua und mehrere andere sind jetzt in England (van Dyck Ausstellung 1887); der Stich in der Iconographie ist von Lucas Vorsterman.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/389>, abgerufen am 23.11.2024.