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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Viertes Buch.
schlagen, er stand als Sieger im Kreis der weggescheuchten
oder zerissenen Thiere, darunter Bären und die Könige der
afrikanischen Wüste. Um dem Spiel einen würdigen Schluss zu
geben, befahl der König plötzlich seine Büchse zu bringen. In
einem Nu hatte er Hut und Mantel zurechtgerückt, angelegt und
das Thier niedergestreckt; also dass das Publikum sich kaum
besonnen hatte um was es sich handelte, als es schon den Blitz
des Pulvers ja, heisst es, das Blut eher fliessen sah als den
Knall hörte1).

Nach dem Zeugniss eines Fachmanns vom Jahre 1644 hatte
er damals über 400 Wölfe, 600 Hirsche und noch mehr Dam-
wild, 150 Sauen geschossen, in der Chronik der spanischen Jagd
unerhörte Zahlen2).

"Wenn alle seine Treiber und Schützen vor Erschöpfung
nicht mehr mitkommen, so fragt er mit Verwundrung und Lachen,
warum sie sich so matt stellen? Tage, Monate lang habe ich
6, 8 bis 12 Stunden täglich mit ihm gejagt, aber nie ihn müde
gesehen". Niemand hat ihn wol mit solcher Ueberzeugung für
einen grossen Mann gehalten, als der diese Worte schrieb, der
Oberbüchsenspanner (ballestero mayor) Juan Mateos, Verfasser
des Werks über Ursprung und Würde der Jagd3). "Obwol,
sagt er hier (S. 19), die welche die Könige nie gesehen haben,
noch wissen was sie thun, sich einbilden sie seien von Zucker-
teig (alcorca) und keine Menschen, so sind sie doch Menschen
und mehr Menschen (d. h. Männer) als andere. Von ihrer Ge-
burt an kennen sie keine Stunde Nichtsthun (ocio); als Kinder
müssen sie lernen; dann unterweist man sie in allen Künsten.
Und wenn die welche in mehr Dingen geübt sind (esercitados),
auch mehr sind (son para mas), so sind die Könige mehr als
alle übrigen. Denn stets sind sie in Thätigkeit, und nie haben sie
einen Tag Musse. Wenn wir nach einem vollen Tage Jagd uns
um neun Uhr zur Ruhe begeben, so erledigt er noch bis zwei
und drei Uhr morgens Geschäfte."

Er erzählt ferner, dass sein Herr eine neue kühne Art der
Saujagd aufgebracht habe, gegen den Rath seines Oberjäger-
meisters (cazador mayor) und unser aller. Während die rüstigsten

1) Joseph Pellicer de Tovar, Amfiteatro de Felipe el Grande. Madrid 1631. CXLI.
2) Alonso Martinez de Espinar, Arte de ballesteria y monteria. Madrid 1644.
40. F. 157 f.
3) Origen y dignidad de la caza. Madrid 1634.

Viertes Buch.
schlagen, er stand als Sieger im Kreis der weggescheuchten
oder zerissenen Thiere, darunter Bären und die Könige der
afrikanischen Wüste. Um dem Spiel einen würdigen Schluss zu
geben, befahl der König plötzlich seine Büchse zu bringen. In
einem Nu hatte er Hut und Mantel zurechtgerückt, angelegt und
das Thier niedergestreckt; also dass das Publikum sich kaum
besonnen hatte um was es sich handelte, als es schon den Blitz
des Pulvers ja, heisst es, das Blut eher fliessen sah als den
Knall hörte1).

Nach dem Zeugniss eines Fachmanns vom Jahre 1644 hatte
er damals über 400 Wölfe, 600 Hirsche und noch mehr Dam-
wild, 150 Sauen geschossen, in der Chronik der spanischen Jagd
unerhörte Zahlen2).

„Wenn alle seine Treiber und Schützen vor Erschöpfung
nicht mehr mitkommen, so fragt er mit Verwundrung und Lachen,
warum sie sich so matt stellen? Tage, Monate lang habe ich
6, 8 bis 12 Stunden täglich mit ihm gejagt, aber nie ihn müde
gesehen“. Niemand hat ihn wol mit solcher Ueberzeugung für
einen grossen Mann gehalten, als der diese Worte schrieb, der
Oberbüchsenspanner (ballestero mayor) Juan Mateos, Verfasser
des Werks über Ursprung und Würde der Jagd3). „Obwol,
sagt er hier (S. 19), die welche die Könige nie gesehen haben,
noch wissen was sie thun, sich einbilden sie seien von Zucker-
teig (alcorça) und keine Menschen, so sind sie doch Menschen
und mehr Menschen (d. h. Männer) als andere. Von ihrer Ge-
burt an kennen sie keine Stunde Nichtsthun (ocio); als Kinder
müssen sie lernen; dann unterweist man sie in allen Künsten.
Und wenn die welche in mehr Dingen geübt sind (esercitados),
auch mehr sind (son para mas), so sind die Könige mehr als
alle übrigen. Denn stets sind sie in Thätigkeit, und nie haben sie
einen Tag Musse. Wenn wir nach einem vollen Tage Jagd uns
um neun Uhr zur Ruhe begeben, so erledigt er noch bis zwei
und drei Uhr morgens Geschäfte.“

Er erzählt ferner, dass sein Herr eine neue kühne Art der
Saujagd aufgebracht habe, gegen den Rath seines Oberjäger-
meisters (cazador mayor) und unser aller. Während die rüstigsten

1) Joseph Pellicer de Tovar, Amfiteatro de Felipe el Grande. Madrid 1631. CXLI.
2) Alonso Martinez de Espinar, Arte de ballesteria y monteria. Madrid 1644.
40. F. 157 f.
3) Origen y dignidad de la caza. Madrid 1634.
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[374/0402] Viertes Buch. schlagen, er stand als Sieger im Kreis der weggescheuchten oder zerissenen Thiere, darunter Bären und die Könige der afrikanischen Wüste. Um dem Spiel einen würdigen Schluss zu geben, befahl der König plötzlich seine Büchse zu bringen. In einem Nu hatte er Hut und Mantel zurechtgerückt, angelegt und das Thier niedergestreckt; also dass das Publikum sich kaum besonnen hatte um was es sich handelte, als es schon den Blitz des Pulvers ja, heisst es, das Blut eher fliessen sah als den Knall hörte 1). Nach dem Zeugniss eines Fachmanns vom Jahre 1644 hatte er damals über 400 Wölfe, 600 Hirsche und noch mehr Dam- wild, 150 Sauen geschossen, in der Chronik der spanischen Jagd unerhörte Zahlen 2). „Wenn alle seine Treiber und Schützen vor Erschöpfung nicht mehr mitkommen, so fragt er mit Verwundrung und Lachen, warum sie sich so matt stellen? Tage, Monate lang habe ich 6, 8 bis 12 Stunden täglich mit ihm gejagt, aber nie ihn müde gesehen“. Niemand hat ihn wol mit solcher Ueberzeugung für einen grossen Mann gehalten, als der diese Worte schrieb, der Oberbüchsenspanner (ballestero mayor) Juan Mateos, Verfasser des Werks über Ursprung und Würde der Jagd 3). „Obwol, sagt er hier (S. 19), die welche die Könige nie gesehen haben, noch wissen was sie thun, sich einbilden sie seien von Zucker- teig (alcorça) und keine Menschen, so sind sie doch Menschen und mehr Menschen (d. h. Männer) als andere. Von ihrer Ge- burt an kennen sie keine Stunde Nichtsthun (ocio); als Kinder müssen sie lernen; dann unterweist man sie in allen Künsten. Und wenn die welche in mehr Dingen geübt sind (esercitados), auch mehr sind (son para mas), so sind die Könige mehr als alle übrigen. Denn stets sind sie in Thätigkeit, und nie haben sie einen Tag Musse. Wenn wir nach einem vollen Tage Jagd uns um neun Uhr zur Ruhe begeben, so erledigt er noch bis zwei und drei Uhr morgens Geschäfte.“ Er erzählt ferner, dass sein Herr eine neue kühne Art der Saujagd aufgebracht habe, gegen den Rath seines Oberjäger- meisters (cazador mayor) und unser aller. Während die rüstigsten 1) Joseph Pellicer de Tovar, Amfiteatro de Felipe el Grande. Madrid 1631. CXLI. 2) Alonso Martinez de Espinar, Arte de ballesteria y monteria. Madrid 1644. 40. F. 157 f. 3) Origen y dignidad de la caza. Madrid 1634.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/402>, abgerufen am 22.11.2024.