Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.Tela real. Hundejungen neben dem Rüdemann (montero de trahilla), ge-schaart um den schönen, von einer jener Sauen aufgerissenen Saupacker. Man glaubt nicht, dass es soviele sind, wie sie da verstreut stehn, ohne eine Spur von Gruppirungsrecepten, oder Ausfüllfiguren; doch zählt man, selbst nach Abzug der nur an- gedeuteten Köpfe, über hundert Figuren, draussen etwa sechszig, fünfzig innerhalb der Tücher. Unter allen ist durch Beleuchtung, Farbe und Isolirung be- Es ist unmöglich in so kleinem Raum soviel Inhalt zusam- Ferdinand VII schenkte das Bild, nachdem Goya eine Kopie 1) E. Landseer sagte, er habe noch nie gesehn "so much large art on so
small a scale". Stirling Annals 1373. Tela real. Hundejungen neben dem Rüdemann (montero de trahilla), ge-schaart um den schönen, von einer jener Sauen aufgerissenen Saupacker. Man glaubt nicht, dass es soviele sind, wie sie da verstreut stehn, ohne eine Spur von Gruppirungsrecepten, oder Ausfüllfiguren; doch zählt man, selbst nach Abzug der nur an- gedeuteten Köpfe, über hundert Figuren, draussen etwa sechszig, fünfzig innerhalb der Tücher. Unter allen ist durch Beleuchtung, Farbe und Isolirung be- Es ist unmöglich in so kleinem Raum soviel Inhalt zusam- Ferdinand VII schenkte das Bild, nachdem Goya eine Kopie 1) E. Landseer sagte, er habe noch nie gesehn „so much large art on so
small a scale“. Stirling Annals 1373. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0411" n="383"/><fw place="top" type="header">Tela real.</fw><lb/> Hundejungen neben dem Rüdemann (<hi rendition="#i">montero de trahilla</hi>), ge-<lb/> schaart um den schönen, von einer jener Sauen aufgerissenen<lb/> Saupacker. Man glaubt nicht, dass es soviele sind, wie sie da<lb/> verstreut stehn, ohne eine Spur von Gruppirungsrecepten, oder<lb/> Ausfüllfiguren; doch zählt man, selbst nach Abzug der nur an-<lb/> gedeuteten Köpfe, über hundert Figuren, draussen etwa sechszig,<lb/> fünfzig innerhalb der Tücher.</p><lb/> <p>Unter allen ist durch Beleuchtung, Farbe und Isolirung be-<lb/> tont die Gruppe der zwei (oder drei) Hofleute in grauem und<lb/> scharlachnem Mantel mit dem Geistlichen, vielleicht dem Jagd-<lb/> kaplan. Sie stehn abgewandt von der Jagd, sie haben wichtigere<lb/> Dinge zu besprechen, sie sind Meilen entfernt von den Leuten<lb/> in ihrer Hörweite. Ueberhaupt kann der Kontrast dieser in allen<lb/> Klassen sich verständig und würdig benehmenden Jagdgenossen<lb/> mit heutigen Scenen des Publikums beim Turf in seiner hyste-<lb/> rischen Aufgeregtheit nicht grösser gedacht werden.</p><lb/> <p>Es ist unmöglich in so kleinem Raum soviel Inhalt zusam-<lb/> menzudrängen <note place="foot" n="1)">E. Landseer sagte, er habe noch nie gesehn „so much large art on so<lb/> small a scale“. Stirling Annals 1373.</note>. In diesem Streifen ist mehr von Costüm- und<lb/> Charakterfiguren, Typen von Stand und Metier, Motiven male-<lb/> rischer Stellungen, als im ganzen <hi rendition="#i">Oeuvre</hi> gefeierter Genremaler,<lb/> die als ihres Publikums sichere Regisseure stets dasselbe Pup-<lb/> penpersonal tanzen lassen. —</p><lb/> <p>Ferdinand VII schenkte das Bild, nachdem Goya eine Kopie<lb/> davon gemacht (Prado 1116), dem englischen Gesandten Sir Henry<lb/> Wellesley (1810—13), dem späteren Lord Cowley. Dieser verkaufte<lb/> es 1846 für 2200 £ an die Nationalgalerie. Es hatte sehr gelitten,<lb/> wahrscheinlich bei dem Palastbrand, und musste nun gründlich<lb/> restaurirt werden, d. h. an schadhaften Stellen übermalt, rentoilirt<lb/> und gebügelt. Eine phantastische Schilderung, die der Maler<lb/> Lance, der es sechs Wochen lang in der Cur gehabt, von seiner<lb/> Neuschöpfung gab, veranlasste eine parlamentarische Untersu-<lb/> chung. „Sechs Wochen lang bearbeitete der englische Künstler<lb/> die castilische Ruine, hier eine Wunde heilend, dort ein Loch<lb/> zuflickend, Bäume, Gras, Himmel und Figuren hervorholend,<lb/> Rossen zu Reitern und Reitern zu Rossen verhelfend, ja aus<lb/> eigener Phantasie eine Mauleselgruppe vorn hervorzaubernd, auf<lb/> einer Stelle von der Grösse eines Blattes Schellenpapier.“ Indess<lb/> bei der Confrontirung des Bildes musste er gestehn, dass er in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [383/0411]
Tela real.
Hundejungen neben dem Rüdemann (montero de trahilla), ge-
schaart um den schönen, von einer jener Sauen aufgerissenen
Saupacker. Man glaubt nicht, dass es soviele sind, wie sie da
verstreut stehn, ohne eine Spur von Gruppirungsrecepten, oder
Ausfüllfiguren; doch zählt man, selbst nach Abzug der nur an-
gedeuteten Köpfe, über hundert Figuren, draussen etwa sechszig,
fünfzig innerhalb der Tücher.
Unter allen ist durch Beleuchtung, Farbe und Isolirung be-
tont die Gruppe der zwei (oder drei) Hofleute in grauem und
scharlachnem Mantel mit dem Geistlichen, vielleicht dem Jagd-
kaplan. Sie stehn abgewandt von der Jagd, sie haben wichtigere
Dinge zu besprechen, sie sind Meilen entfernt von den Leuten
in ihrer Hörweite. Ueberhaupt kann der Kontrast dieser in allen
Klassen sich verständig und würdig benehmenden Jagdgenossen
mit heutigen Scenen des Publikums beim Turf in seiner hyste-
rischen Aufgeregtheit nicht grösser gedacht werden.
Es ist unmöglich in so kleinem Raum soviel Inhalt zusam-
menzudrängen 1). In diesem Streifen ist mehr von Costüm- und
Charakterfiguren, Typen von Stand und Metier, Motiven male-
rischer Stellungen, als im ganzen Oeuvre gefeierter Genremaler,
die als ihres Publikums sichere Regisseure stets dasselbe Pup-
penpersonal tanzen lassen. —
Ferdinand VII schenkte das Bild, nachdem Goya eine Kopie
davon gemacht (Prado 1116), dem englischen Gesandten Sir Henry
Wellesley (1810—13), dem späteren Lord Cowley. Dieser verkaufte
es 1846 für 2200 £ an die Nationalgalerie. Es hatte sehr gelitten,
wahrscheinlich bei dem Palastbrand, und musste nun gründlich
restaurirt werden, d. h. an schadhaften Stellen übermalt, rentoilirt
und gebügelt. Eine phantastische Schilderung, die der Maler
Lance, der es sechs Wochen lang in der Cur gehabt, von seiner
Neuschöpfung gab, veranlasste eine parlamentarische Untersu-
chung. „Sechs Wochen lang bearbeitete der englische Künstler
die castilische Ruine, hier eine Wunde heilend, dort ein Loch
zuflickend, Bäume, Gras, Himmel und Figuren hervorholend,
Rossen zu Reitern und Reitern zu Rossen verhelfend, ja aus
eigener Phantasie eine Mauleselgruppe vorn hervorzaubernd, auf
einer Stelle von der Grösse eines Blattes Schellenpapier.“ Indess
bei der Confrontirung des Bildes musste er gestehn, dass er in
1) E. Landseer sagte, er habe noch nie gesehn „so much large art on so
small a scale“. Stirling Annals 1373.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |