Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch.
Karosse mit schwarzem Deckel, ein Schimmel und ein Falber,
dessen Reiter man für unsern Martinez de Espinar gehalten hat.
Zwischen die Vornehmen drängt sich, unbelästigt durch klein-
liche Polizei, das Volk (keine zwei Plätze!) und betrachtet
sich Seine Majestät wie einen diestro. Gute Väter, die ihr Söhn-
chen rittlings auf die Schultern gesetzt haben. Am besten sieht
ihn ein Wicht, der ein Loch in der Leinwand entdeckt hat und
mit gebeugten Knien durchblinzelt. Ein plumpknochiger Neger-
zwerg mit breitem Hut, Säbelbeinen, führt einen mächtigen Rüden
mit schwarz und weissgestreiftem Kopfe an der Leine. Ausser
den unentbehrlichen Bettelbuben links in der vordersten dunklen
Ecke der Aguador in rothem Rock und ein Markedenter mit
Schinken. Auch hier drehen die Hauptgruppen der Vornehmen
der Jagd den Rücken zu. Gaffen, Staunen, loyale Aufregung
ist unter ihrem Stand, das überlassen sie den Leuten "ohne
Geburt." --

Ein Urtheil über dieses Gemälde ist nicht leicht, aus äusseren
und inneren Gründen. Ohne Zweifel kommt es aus dem Obrador
des Velazquez, aber seine Hand ist weniger ins Auge springend
als in der Saujagd. Die Figuren schienen mir eingehender behan-
delt, die braunen Schatten etwas mehr durchgewachsen, obwol der
Gesammteindruck frischer und heiterer ist. Gewiss kann ein
Werk von so schwieriger und meisterhafter Anordnung von Nie-
mand als dem Meister construirt sein. Aber es erscheint erst in
einem sehr späten Inventar (des Palasts von 1772) unter seinem
Namen. Dagegen führt ein ebenso beschriebenes Jagdstück in
der Torre de la parada (1714) den Namen Seniers [Snayers] und
ein drittes im alten Schloss (1686) den des Schülers Juan Ba. del
Mazo 1). Joseph Bonaparte nahm es mit und verkaufte es Mr. Ba-

1) 1686. Tres pinturas yguales de a 3 varas de ancho y 2 de alto marcos
negros = La una de una Monteria de Benados en el sitio de Aranjuez de mano
de F. B. del Mazo. 150 doblones. Das zweite ist die Wolfsjagd; das dritte das
S. 377 beschriebene Jagdabenteuer. Alcazar, Alcobe de la torre que cae al parque.
1714. Un lienzo grande pintada una caza de gamos con telas que el Rey
y sus hermanos matauan los gamos a cuchilladas y la Reyna estaua sentada con
sus Damas en un tablado de mano de Seniers. 200 doblones. Torre de la pa-
rada, pieza Ia.
1772. Un quadro de una Cazeria del Sor. Phe. 40. con unas vahias de lienzo
entre las quales un tabladillo, y en el la Reyna con sus Damas; y en termino pral
corren algunos coches, y figuras, de 3 varas de largo y 21/4 de cayda Original de
Velazquez. Palacio real, Antecamara de la Princesa. Die Nummer 381 dieses In-
ventars steht noch auf dem Gemälde in Bath House. 72" x 96".

Viertes Buch.
Karosse mit schwarzem Deckel, ein Schimmel und ein Falber,
dessen Reiter man für unsern Martinez de Espinar gehalten hat.
Zwischen die Vornehmen drängt sich, unbelästigt durch klein-
liche Polizei, das Volk (keine zwei Plätze!) und betrachtet
sich Seine Majestät wie einen diestro. Gute Väter, die ihr Söhn-
chen rittlings auf die Schultern gesetzt haben. Am besten sieht
ihn ein Wicht, der ein Loch in der Leinwand entdeckt hat und
mit gebeugten Knien durchblinzelt. Ein plumpknochiger Neger-
zwerg mit breitem Hut, Säbelbeinen, führt einen mächtigen Rüden
mit schwarz und weissgestreiftem Kopfe an der Leine. Ausser
den unentbehrlichen Bettelbuben links in der vordersten dunklen
Ecke der Aguador in rothem Rock und ein Markedenter mit
Schinken. Auch hier drehen die Hauptgruppen der Vornehmen
der Jagd den Rücken zu. Gaffen, Staunen, loyale Aufregung
ist unter ihrem Stand, das überlassen sie den Leuten „ohne
Geburt.“ —

Ein Urtheil über dieses Gemälde ist nicht leicht, aus äusseren
und inneren Gründen. Ohne Zweifel kommt es aus dem Obrador
des Velazquez, aber seine Hand ist weniger ins Auge springend
als in der Saujagd. Die Figuren schienen mir eingehender behan-
delt, die braunen Schatten etwas mehr durchgewachsen, obwol der
Gesammteindruck frischer und heiterer ist. Gewiss kann ein
Werk von so schwieriger und meisterhafter Anordnung von Nie-
mand als dem Meister construirt sein. Aber es erscheint erst in
einem sehr späten Inventar (des Palasts von 1772) unter seinem
Namen. Dagegen führt ein ebenso beschriebenes Jagdstück in
der Torre de la parada (1714) den Namen Seniers [Snayers] und
ein drittes im alten Schloss (1686) den des Schülers Juan Ba. del
Mazo 1). Joseph Bonaparte nahm es mit und verkaufte es Mr. Ba-

1) 1686. Tres pinturas yguales de á 3 varas de ancho y 2 de alto marcos
negros = La una de una Monteria de Benados en el sitio de Aranjuez de mano
de F. B. del Mazo. 150 doblones. Das zweite ist die Wolfsjagd; das dritte das
S. 377 beschriebene Jagdabenteuer. Alcazar, Alcobe de la torre que cae al parque.
1714. Un lienzo grande pintada una caza de gamos con telas que el Rey
y sus hermanos matauan los gamos a cuchilladas y la Reyna estaua sentada con
sus Damas en un tablado de mano de Seniers. 200 doblones. Torre de la pa-
rada, pieza Ia.
1772. Un quadro de una Cazeriá del Sor. Phe. 40. con unas vahías de lienzo
entre las quales un tabladillo, y en él la Reyna con sus Damas; y en termino prãl
corren algunos coches, y figuras, de 3 varas de largo y 2¼ de cayda Original de
Velazquez. Palacio real, Antecámara de la Princesa. Die Nummer 381 dieses In-
ventars steht noch auf dem Gemälde in Bath House. 72″ × 96″.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0416" n="388"/><fw place="top" type="header">Viertes Buch.</fw><lb/>
Karosse mit schwarzem Deckel, ein Schimmel und ein Falber,<lb/>
dessen Reiter man für unsern Martinez de Espinar gehalten hat.<lb/>
Zwischen die Vornehmen drängt sich, unbelästigt durch klein-<lb/>
liche Polizei, das Volk (keine zwei Plätze!) und betrachtet<lb/>
sich Seine Majestät wie einen <hi rendition="#i">diestro</hi>. Gute Väter, die ihr Söhn-<lb/>
chen rittlings auf die Schultern gesetzt haben. Am besten sieht<lb/>
ihn ein Wicht, der ein Loch in der Leinwand entdeckt hat und<lb/>
mit gebeugten Knien durchblinzelt. Ein plumpknochiger Neger-<lb/>
zwerg mit breitem Hut, Säbelbeinen, führt einen mächtigen Rüden<lb/>
mit schwarz und weissgestreiftem Kopfe an der Leine. Ausser<lb/>
den unentbehrlichen Bettelbuben links in der vordersten dunklen<lb/>
Ecke der Aguador in rothem Rock und ein Markedenter mit<lb/>
Schinken. Auch hier drehen die Hauptgruppen der Vornehmen<lb/>
der Jagd den Rücken zu. Gaffen, Staunen, loyale Aufregung<lb/>
ist unter ihrem Stand, das überlassen sie den Leuten &#x201E;ohne<lb/>
Geburt.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ein Urtheil über dieses Gemälde ist nicht leicht, aus äusseren<lb/>
und inneren Gründen. Ohne Zweifel kommt es aus dem <hi rendition="#i">Obrador</hi><lb/>
des Velazquez, aber seine Hand ist weniger ins Auge springend<lb/>
als in der Saujagd. Die Figuren schienen mir eingehender behan-<lb/>
delt, die braunen Schatten etwas mehr durchgewachsen, obwol der<lb/>
Gesammteindruck frischer und heiterer ist. Gewiss kann ein<lb/>
Werk von so schwieriger und meisterhafter Anordnung von Nie-<lb/>
mand als dem Meister construirt sein. Aber es erscheint erst in<lb/>
einem sehr späten Inventar (des Palasts von 1772) unter seinem<lb/>
Namen. Dagegen führt ein ebenso beschriebenes Jagdstück in<lb/>
der Torre de la parada (1714) den Namen Seniers [Snayers] und<lb/>
ein drittes im alten Schloss (1686) den des Schülers Juan B<hi rendition="#sup">a</hi>. del<lb/>
Mazo <note place="foot" n="1)">1686. Tres pinturas yguales de á 3 varas de ancho y 2 de alto marcos<lb/>
negros = La una de una Monteria de Benados en el sitio de Aranjuez de mano<lb/>
de <hi rendition="#i">F. B. del Mazo</hi>. 150 doblones. Das zweite ist die Wolfsjagd; das dritte das<lb/>
S. 377 beschriebene Jagdabenteuer. Alcazar, Alcobe de la torre que cae al parque.<lb/>
1714. Un lienzo grande pintada una caza de gamos con telas que el Rey<lb/>
y sus hermanos matauan los gamos a cuchilladas y la Reyna estaua sentada con<lb/>
sus Damas en un tablado de mano de <hi rendition="#i">Seniers</hi>. 200 doblones. Torre de la pa-<lb/>
rada, pieza Ia.<lb/>
1772. Un quadro de una Cazeriá del S<hi rendition="#sup">or</hi>. Ph<hi rendition="#sup">e</hi>. 4<hi rendition="#sup">0</hi>. con unas vahías de lienzo<lb/>
entre las quales un tabladillo, y en él la Reyna con sus Damas; y en termino prãl<lb/>
corren algunos coches, y figuras, de 3 varas de largo y 2¼ de cayda Original de<lb/><hi rendition="#i">Velazquez</hi>. Palacio real, Antecámara de la Princesa. Die Nummer 381 dieses In-<lb/>
ventars steht noch auf dem Gemälde in Bath House. 72&#x2033; × 96&#x2033;.</note>. Joseph Bonaparte nahm es mit und verkaufte es M<hi rendition="#sup">r</hi>. Ba-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[388/0416] Viertes Buch. Karosse mit schwarzem Deckel, ein Schimmel und ein Falber, dessen Reiter man für unsern Martinez de Espinar gehalten hat. Zwischen die Vornehmen drängt sich, unbelästigt durch klein- liche Polizei, das Volk (keine zwei Plätze!) und betrachtet sich Seine Majestät wie einen diestro. Gute Väter, die ihr Söhn- chen rittlings auf die Schultern gesetzt haben. Am besten sieht ihn ein Wicht, der ein Loch in der Leinwand entdeckt hat und mit gebeugten Knien durchblinzelt. Ein plumpknochiger Neger- zwerg mit breitem Hut, Säbelbeinen, führt einen mächtigen Rüden mit schwarz und weissgestreiftem Kopfe an der Leine. Ausser den unentbehrlichen Bettelbuben links in der vordersten dunklen Ecke der Aguador in rothem Rock und ein Markedenter mit Schinken. Auch hier drehen die Hauptgruppen der Vornehmen der Jagd den Rücken zu. Gaffen, Staunen, loyale Aufregung ist unter ihrem Stand, das überlassen sie den Leuten „ohne Geburt.“ — Ein Urtheil über dieses Gemälde ist nicht leicht, aus äusseren und inneren Gründen. Ohne Zweifel kommt es aus dem Obrador des Velazquez, aber seine Hand ist weniger ins Auge springend als in der Saujagd. Die Figuren schienen mir eingehender behan- delt, die braunen Schatten etwas mehr durchgewachsen, obwol der Gesammteindruck frischer und heiterer ist. Gewiss kann ein Werk von so schwieriger und meisterhafter Anordnung von Nie- mand als dem Meister construirt sein. Aber es erscheint erst in einem sehr späten Inventar (des Palasts von 1772) unter seinem Namen. Dagegen führt ein ebenso beschriebenes Jagdstück in der Torre de la parada (1714) den Namen Seniers [Snayers] und ein drittes im alten Schloss (1686) den des Schülers Juan Ba. del Mazo 1). Joseph Bonaparte nahm es mit und verkaufte es Mr. Ba- 1) 1686. Tres pinturas yguales de á 3 varas de ancho y 2 de alto marcos negros = La una de una Monteria de Benados en el sitio de Aranjuez de mano de F. B. del Mazo. 150 doblones. Das zweite ist die Wolfsjagd; das dritte das S. 377 beschriebene Jagdabenteuer. Alcazar, Alcobe de la torre que cae al parque. 1714. Un lienzo grande pintada una caza de gamos con telas que el Rey y sus hermanos matauan los gamos a cuchilladas y la Reyna estaua sentada con sus Damas en un tablado de mano de Seniers. 200 doblones. Torre de la pa- rada, pieza Ia. 1772. Un quadro de una Cazeriá del Sor. Phe. 40. con unas vahías de lienzo entre las quales un tabladillo, y en él la Reyna con sus Damas; y en termino prãl corren algunos coches, y figuras, de 3 varas de largo y 2¼ de cayda Original de Velazquez. Palacio real, Antecámara de la Princesa. Die Nummer 381 dieses In- ventars steht noch auf dem Gemälde in Bath House. 72″ × 96″.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/416
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/416>, abgerufen am 22.11.2024.