Durch die Gründung und Ausschmückung von Buen Retiro kam neue Bewegung in die Künstlergemeinde Spaniens; ihre Wellenkreise erreichten auch Andalusien. Nicht selten mag Ve- lazquez in der Lage gewesen sein, sich alten Bekannten oder Un- bekannten von den Ufern des Baetis gefällig zu zeigen, zuweilen auch sich ihrer zu erwehren. Nach Palomino (III, 347) haben allezeit Künstler jeden Fachs die gebührende Achtung und Unter- stützung bei ihm gefunden. Dieser Theil seiner stillen Wirk- samkeit liegt in der Detailgeschichte der zahlreichen Unterneh- mungen Philipp IV wohl für immer begraben.
Nach und nach sah der "Sevillianer" (so nannte man ihn bei Hof) viele der alten Gesichter wieder um sich, die ihm einst dort nahe gestanden hatten, Alonso Cano, Zurbaran, Herrera. Zurbaran scheint schon früh nach Madrid gekommen, sicher wenigstens bei Hofe bekannt geworden zu sein; er unter- zeichnet sich bereits 1633 auf dem Retablo der Karthause von Xeres als pintor del Rey. Später malte er die Thaten des Her- kules für den Saal der Königreiche in Buen Retiro. Im Jahr 1639 erhielt er den Auftrag, in Sevilla zwölf Vergolder für die Arbeiten im Salon grande des Alcazar anzuwerben; man suchte kunstgeübte Hände im ganzen Reich zusammen. Ein andrer Jugendfreund traf in der Hauptstadt ein mitten in der Hochflut des Enthusiasmus für den neuen Lustort.
Im Jahrhundert des grossen Kriegs blühte das Soldaten-, Schlacht- und Henkerstück; die Maler nahmen soldatische Ma- nieren an, und thaten sich mindestens ebensoviel darauf zu Gute, eine schneidige Klinge zu führen wie einen flotten Pinsel; die Eigenschaft, die hier und dort geschätzt wurde, war die bravura. Damals war es wo Franz Hals, dessen Striche wie Säbelhiebe fallen, seinen biedern Harlemern jene unnachahmlichen heraus- fordernden Blicke, jenes trotzige Sichbreitmachen und jene Eln- bogenvorstösse gab, welche unsere friedlichen Gelehrten so ent- zücken, dass sie "laut auflachen vor Lust, dass so etwas gemalt werden kann".
Im Jahre 1644 war es, wo die beiden ersten Fracassas spa- nischer und italienischer Zunge in Madrid beisammen waren, Matthias Preti, der calabresische Cavalier, der im Gefolge des
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Alonso Cano in Madrid.
Alonso Cano in Madrid.
(1637—1651.)
Durch die Gründung und Ausschmückung von Buen Retiro kam neue Bewegung in die Künstlergemeinde Spaniens; ihre Wellenkreise erreichten auch Andalusien. Nicht selten mag Ve- lazquez in der Lage gewesen sein, sich alten Bekannten oder Un- bekannten von den Ufern des Baetis gefällig zu zeigen, zuweilen auch sich ihrer zu erwehren. Nach Palomino (III, 347) haben allezeit Künstler jeden Fachs die gebührende Achtung und Unter- stützung bei ihm gefunden. Dieser Theil seiner stillen Wirk- samkeit liegt in der Detailgeschichte der zahlreichen Unterneh- mungen Philipp IV wohl für immer begraben.
Nach und nach sah der „Sevillianer“ (so nannte man ihn bei Hof) viele der alten Gesichter wieder um sich, die ihm einst dort nahe gestanden hatten, Alonso Cano, Zurbaran, Herrera. Zurbaran scheint schon früh nach Madrid gekommen, sicher wenigstens bei Hofe bekannt geworden zu sein; er unter- zeichnet sich bereits 1633 auf dem Retablo der Karthause von Xeres als pintor del Rey. Später malte er die Thaten des Her- kules für den Saal der Königreiche in Buen Retiro. Im Jahr 1639 erhielt er den Auftrag, in Sevilla zwölf Vergolder für die Arbeiten im Salon grande des Alcazar anzuwerben; man suchte kunstgeübte Hände im ganzen Reich zusammen. Ein andrer Jugendfreund traf in der Hauptstadt ein mitten in der Hochflut des Enthusiasmus für den neuen Lustort.
Im Jahrhundert des grossen Kriegs blühte das Soldaten-, Schlacht- und Henkerstück; die Maler nahmen soldatische Ma- nieren an, und thaten sich mindestens ebensoviel darauf zu Gute, eine schneidige Klinge zu führen wie einen flotten Pinsel; die Eigenschaft, die hier und dort geschätzt wurde, war die bravura. Damals war es wo Franz Hals, dessen Striche wie Säbelhiebe fallen, seinen biedern Harlemern jene unnachahmlichen heraus- fordernden Blicke, jenes trotzige Sichbreitmachen und jene Eln- bogenvorstösse gab, welche unsere friedlichen Gelehrten so ent- zücken, dass sie „laut auflachen vor Lust, dass so etwas gemalt werden kann“.
Im Jahre 1644 war es, wo die beiden ersten Fracassas spa- nischer und italienischer Zunge in Madrid beisammen waren, Matthias Preti, der calabresische Cavalier, der im Gefolge des
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Alonso Cano in Madrid.
Alonso Cano in Madrid.
(1637—1651.)
Durch die Gründung und Ausschmückung von Buen Retiro
kam neue Bewegung in die Künstlergemeinde Spaniens; ihre
Wellenkreise erreichten auch Andalusien. Nicht selten mag Ve-
lazquez in der Lage gewesen sein, sich alten Bekannten oder Un-
bekannten von den Ufern des Baetis gefällig zu zeigen, zuweilen
auch sich ihrer zu erwehren. Nach Palomino (III, 347) haben
allezeit Künstler jeden Fachs die gebührende Achtung und Unter-
stützung bei ihm gefunden. Dieser Theil seiner stillen Wirk-
samkeit liegt in der Detailgeschichte der zahlreichen Unterneh-
mungen Philipp IV wohl für immer begraben.
Nach und nach sah der „Sevillianer“ (so nannte man ihn
bei Hof) viele der alten Gesichter wieder um sich, die ihm
einst dort nahe gestanden hatten, Alonso Cano, Zurbaran,
Herrera. Zurbaran scheint schon früh nach Madrid gekommen,
sicher wenigstens bei Hofe bekannt geworden zu sein; er unter-
zeichnet sich bereits 1633 auf dem Retablo der Karthause von
Xeres als pintor del Rey. Später malte er die Thaten des Her-
kules für den Saal der Königreiche in Buen Retiro. Im Jahr
1639 erhielt er den Auftrag, in Sevilla zwölf Vergolder für die
Arbeiten im Salon grande des Alcazar anzuwerben; man suchte
kunstgeübte Hände im ganzen Reich zusammen. Ein andrer
Jugendfreund traf in der Hauptstadt ein mitten in der Hochflut
des Enthusiasmus für den neuen Lustort.
Im Jahrhundert des grossen Kriegs blühte das Soldaten-,
Schlacht- und Henkerstück; die Maler nahmen soldatische Ma-
nieren an, und thaten sich mindestens ebensoviel darauf zu Gute,
eine schneidige Klinge zu führen wie einen flotten Pinsel; die
Eigenschaft, die hier und dort geschätzt wurde, war die bravura.
Damals war es wo Franz Hals, dessen Striche wie Säbelhiebe
fallen, seinen biedern Harlemern jene unnachahmlichen heraus-
fordernden Blicke, jenes trotzige Sichbreitmachen und jene Eln-
bogenvorstösse gab, welche unsere friedlichen Gelehrten so ent-
zücken, dass sie „laut auflachen vor Lust, dass so etwas gemalt
werden kann“.
Im Jahre 1644 war es, wo die beiden ersten Fracassas spa-
nischer und italienischer Zunge in Madrid beisammen waren,
Matthias Preti, der calabresische Cavalier, der im Gefolge des
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/429>, abgerufen am 22.11.2024.
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