Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.Viertes Buch. In diesen dreissiger Jahren war die "Andacht zum Kreuze" Das Gemälde war bis zum Jahre 1808 in der Sacristei des 1) Der Florentiner Averardo de' Medici giebt einen ausführlichen Bericht, in einer Depesche vom 16. Juli 1628, mit dem ich den Leser verschonen will. Die Relation der Inquisition von Toledo in F. Eyssenhardt, Mittheilungen aus der Stadtbibl. zu Hamburg III. 1886. 2) Quilliet erzählt (Dictionnaire 374), dass ihn Le Brun bevollmächtigte, dem
Kloster 20000 Francs für das Bild zu bieten. Es kam in die Hände der Gräfin Viertes Buch. In diesen dreissiger Jahren war die „Andacht zum Kreuze“ Das Gemälde war bis zum Jahre 1808 in der Sacristei des 1) Der Florentiner Averardo de’ Medici giebt einen ausführlichen Bericht, in einer Depesche vom 16. Juli 1628, mit dem ich den Leser verschonen will. Die Relation der Inquisition von Toledo in F. Eyssenhardt, Mittheilungen aus der Stadtbibl. zu Hamburg III. 1886. 2) Quilliet erzählt (Dictionnaire 374), dass ihn Le Brun bevollmächtigte, dem
Kloster 20000 Francs für das Bild zu bieten. Es kam in die Hände der Gräfin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0448" n="420"/> <fw place="top" type="header">Viertes Buch.</fw><lb/> <p>In diesen dreissiger Jahren war die „Andacht zum Kreuze“<lb/> in Madrid besonders aufgeregt. Das Gerücht war ausgestreut<lb/> worden (1633), die Juden hätten ein Krucifix gepeitscht, und dies<lb/> habe sich laut und vernehmlich beklagt. Das Haus der Frevler<lb/> wurde dem Erdboden gleichgemacht, und kein Ende nahmen die<lb/> Sühnungsfeste, die nächtlichen Processionen mit Fackeln; es<lb/> bildete sich eine Congregation <hi rendition="#i">del bendito Cristo de la Fe</hi>. Bloss<lb/> für die an Kirchen angehefteten spanischen und lateinischen<lb/> Verse wurden mehrere hundert Ducaten verausgabt. —</p><lb/> <p>Das Gemälde war bis zum Jahre 1808 in der Sacristei des<lb/> Benediktinerinnenklosters von S. Placido, einem dürftigen, nur<lb/> durch ein kleines vergittertes Fenster erhellten Raum, wo es<lb/> Ponz und Cumberland sahen. Die Gründerin dieses Klosters,<lb/> D<hi rendition="#sup">a</hi>. Teresa de Silva war mit ihrem Vetter, dem Sohn eines der<lb/> reichsten Granden, des Protonotars von Aragon, D. Gerónimo<lb/> de Villanueva, Marques von Villalba verlobt gewesen. Kurz vor<lb/> der Hochzeit wurde die Verbindung plötzlich aufgelöst, die junge<lb/> Dame nahm den Schleier und baute jenes Kloster mit dem Geld<lb/> des Ex-Bräutigams. Die neue Stiftung wurde sehr beliebt bei<lb/> Hofe, Olivares, das Königspaar machten der liebenswürdigen<lb/> Suor Teresa öfters Besuche. Unter der Leitung des Beichtvaters<lb/> und Benedictiners Fray Francisco Garcia Calderon schien die<lb/> fromme Anstalt sogar Erscheinungen ausserordentlicher Gnaden-<lb/> wirkungen zu Tage zu fördern, die aber bald bei dem heiligen<lb/> Amt gerechte Bedenken erweckten<note place="foot" n="1)">Der Florentiner Averardo de’ Medici giebt einen ausführlichen Bericht, in<lb/> einer Depesche vom 16. Juli 1628, mit dem ich den Leser verschonen will. Die<lb/> Relation der Inquisition von Toledo in F. Eyssenhardt, Mittheilungen aus der<lb/> Stadtbibl. zu Hamburg III. 1886.</note>. Es verurtheilte den Fray<lb/> zu ewiger Reclusion, verbannte die Priorin auf vier Jahre und<lb/> vertheilte die Schwestern in andere Klöster (1633). Aber es war<lb/> unerträglich, dass die königliche Familie und der Hof in einem<lb/> Hause verkehrt haben sollten, dem der Makel einer solchen Sen-<lb/> tenz anklebte. Nach fünf Jahren gelang es dem Einfluss des<lb/> Ministers und des Protonotars, eine Revision des Processes durch<lb/> den Rath der Suprema zu bewirken, die mit Kassation jenes<lb/> Urteils und Wiederherstellung der Angeschuldigten endigte (1638).<lb/> Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Velazquez bei dieser Gele-<lb/> genheit veranlasst wurde, das Bild für das Kloster zu malen<note xml:id="note-0448" next="#note-0449" place="foot" n="2)">Quilliet erzählt (Dictionnaire 374), dass ihn Le Brun bevollmächtigte, dem<lb/> Kloster 20000 Francs für das Bild zu bieten. Es kam in die Hände der Gräfin</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [420/0448]
Viertes Buch.
In diesen dreissiger Jahren war die „Andacht zum Kreuze“
in Madrid besonders aufgeregt. Das Gerücht war ausgestreut
worden (1633), die Juden hätten ein Krucifix gepeitscht, und dies
habe sich laut und vernehmlich beklagt. Das Haus der Frevler
wurde dem Erdboden gleichgemacht, und kein Ende nahmen die
Sühnungsfeste, die nächtlichen Processionen mit Fackeln; es
bildete sich eine Congregation del bendito Cristo de la Fe. Bloss
für die an Kirchen angehefteten spanischen und lateinischen
Verse wurden mehrere hundert Ducaten verausgabt. —
Das Gemälde war bis zum Jahre 1808 in der Sacristei des
Benediktinerinnenklosters von S. Placido, einem dürftigen, nur
durch ein kleines vergittertes Fenster erhellten Raum, wo es
Ponz und Cumberland sahen. Die Gründerin dieses Klosters,
Da. Teresa de Silva war mit ihrem Vetter, dem Sohn eines der
reichsten Granden, des Protonotars von Aragon, D. Gerónimo
de Villanueva, Marques von Villalba verlobt gewesen. Kurz vor
der Hochzeit wurde die Verbindung plötzlich aufgelöst, die junge
Dame nahm den Schleier und baute jenes Kloster mit dem Geld
des Ex-Bräutigams. Die neue Stiftung wurde sehr beliebt bei
Hofe, Olivares, das Königspaar machten der liebenswürdigen
Suor Teresa öfters Besuche. Unter der Leitung des Beichtvaters
und Benedictiners Fray Francisco Garcia Calderon schien die
fromme Anstalt sogar Erscheinungen ausserordentlicher Gnaden-
wirkungen zu Tage zu fördern, die aber bald bei dem heiligen
Amt gerechte Bedenken erweckten 1). Es verurtheilte den Fray
zu ewiger Reclusion, verbannte die Priorin auf vier Jahre und
vertheilte die Schwestern in andere Klöster (1633). Aber es war
unerträglich, dass die königliche Familie und der Hof in einem
Hause verkehrt haben sollten, dem der Makel einer solchen Sen-
tenz anklebte. Nach fünf Jahren gelang es dem Einfluss des
Ministers und des Protonotars, eine Revision des Processes durch
den Rath der Suprema zu bewirken, die mit Kassation jenes
Urteils und Wiederherstellung der Angeschuldigten endigte (1638).
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Velazquez bei dieser Gele-
genheit veranlasst wurde, das Bild für das Kloster zu malen 2).
1) Der Florentiner Averardo de’ Medici giebt einen ausführlichen Bericht, in
einer Depesche vom 16. Juli 1628, mit dem ich den Leser verschonen will. Die
Relation der Inquisition von Toledo in F. Eyssenhardt, Mittheilungen aus der
Stadtbibl. zu Hamburg III. 1886.
2) Quilliet erzählt (Dictionnaire 374), dass ihn Le Brun bevollmächtigte, dem
Kloster 20000 Francs für das Bild zu bieten. Es kam in die Hände der Gräfin
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