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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die Dichter.
Erzählung seines Lebens auftrug und der mit Luis Vives einen
lateinischen Briefwechsel führte, hat später, als er kränkelnd, von
jahrelangem Kopfschmerz geplagt, auf vier Stunden Schlaf be-
schränkt, zu Hause sitzen musste, eine jener beliebten Miscellen-
sammlungen meist aus alten Schriftstellern in der Art des Macro-
bius verfasst: Silva de varia leccion, die in viele Sprachen über-
setzt wurde und im 16. und 17. Jahrhundert in Jedermanns Händen
war; geistreiche Ausdrucksweise (agudeza) und Schmelz (dulzura)
schreibt Pacheco seinen Versen zu.

Der witzigste Kopf war Balthasar del Alcazar (+ 1606), der
Verehrer des Martial und Horaz (el Marcial sevillano). Pacheco
gesteht, dass er, ein spanischer Boswell, alle seine Aussprüche
aufschrieb, wenn er ihn besuchte; einmal meinte Balthasar: "Ich
wünschte du wärst mein Sclave". Er überrascht uns sogar mit
kecken Trinkliedern, die er auch komponirte. "Er war mit wenig
Worten witzig, und machte mit einem Wort das frostigste Gericht
schmackhaft, indem er mit scheinbaren Nachlässigkeiten den
Gaumen reizte. Das blosse Hinrollen seiner Verse bestrickt
das Ohr".

Diese gelehrten Dichter wandten sich auch der aufstreben-
den Bühne zu. Das Auftreten des Lope de Rueda (seit 1544),
eines Sevillaner Goldschlägers, hatte dort das volksthümliche
Theater begründet. Zwei grosse Bühnen wurden im Anfang
des siebzehnten Jahrhunderts erbaut: eine hölzerne und eine ge-
mauerte mit Marmor. Jener Juan de Malara, der "bätische
Menander" (+ 1571), mit Francisco de Medina (+ 1615) Lehrer des
griechischen und lateinischen, erst in der Calle de Catalanes,
dann in der Alameda, damals Laguna genannt, schrieb zahlreiche
Comödien und Tragödien, geistlichen und weltlichen Inhalts,
"mit bewundernswürdigen Exempeln und Betrachtungen, voll von
Sinnsprüchen, Oden und elegischen Versen, in lateinischer und
spanischer Sprache". Er verfasste in Madrid (1566) auf Philipp II
Geheiss Verse für die vier Unterweltbilder (furias) Tizians im
Schloss. Seine Comödien sind ebensowenig erhalten wie die des
Gutierrez de Cetina (+ 1560), welche in Prosa und Versen ge-
schrieben waren. Pacheco berichtet, dass sein Schauspiel La
bondad divina
mit ausserordentlichen Kosten in Scene gesetzt
wurde. Er hatte in Italien und Flandern gefochten, war mit
Carl V in Tunis gewesen und bei seinem Bruder, einem der Con-
quistadoren, in Mejico. Er hatte aus Welschland nicht bloss Bles-
suren und Gold mitgebracht, sondern, wie Herrera sagt, "die

Die Dichter.
Erzählung seines Lebens auftrug und der mit Luis Vives einen
lateinischen Briefwechsel führte, hat später, als er kränkelnd, von
jahrelangem Kopfschmerz geplagt, auf vier Stunden Schlaf be-
schränkt, zu Hause sitzen musste, eine jener beliebten Miscellen-
sammlungen meist aus alten Schriftstellern in der Art des Macro-
bius verfasst: Silva de varia leccion, die in viele Sprachen über-
setzt wurde und im 16. und 17. Jahrhundert in Jedermanns Händen
war; geistreiche Ausdrucksweise (agudeza) und Schmelz (dulzura)
schreibt Pacheco seinen Versen zu.

Der witzigste Kopf war Balthasar del Alcazar († 1606), der
Verehrer des Martial und Horaz (el Marcial sevillano). Pacheco
gesteht, dass er, ein spanischer Boswell, alle seine Aussprüche
aufschrieb, wenn er ihn besuchte; einmal meinte Balthasar: „Ich
wünschte du wärst mein Sclave“. Er überrascht uns sogar mit
kecken Trinkliedern, die er auch komponirte. „Er war mit wenig
Worten witzig, und machte mit einem Wort das frostigste Gericht
schmackhaft, indem er mit scheinbaren Nachlässigkeiten den
Gaumen reizte. Das blosse Hinrollen seiner Verse bestrickt
das Ohr“.

Diese gelehrten Dichter wandten sich auch der aufstreben-
den Bühne zu. Das Auftreten des Lope de Rueda (seit 1544),
eines Sevillaner Goldschlägers, hatte dort das volksthümliche
Theater begründet. Zwei grosse Bühnen wurden im Anfang
des siebzehnten Jahrhunderts erbaut: eine hölzerne und eine ge-
mauerte mit Marmor. Jener Juan de Malara, der „bätische
Menander“ († 1571), mit Francisco de Medina († 1615) Lehrer des
griechischen und lateinischen, erst in der Calle de Catalanes,
dann in der Alameda, damals Laguna genannt, schrieb zahlreiche
Comödien und Tragödien, geistlichen und weltlichen Inhalts,
„mit bewundernswürdigen Exempeln und Betrachtungen, voll von
Sinnsprüchen, Oden und elegischen Versen, in lateinischer und
spanischer Sprache“. Er verfasste in Madrid (1566) auf Philipp II
Geheiss Verse für die vier Unterweltbilder (furias) Tizians im
Schloss. Seine Comödien sind ebensowenig erhalten wie die des
Gutierrez de Cetina († 1560), welche in Prosa und Versen ge-
schrieben waren. Pacheco berichtet, dass sein Schauspiel La
bondad divina
mit ausserordentlichen Kosten in Scene gesetzt
wurde. Er hatte in Italien und Flandern gefochten, war mit
Carl V in Tunis gewesen und bei seinem Bruder, einem der Con-
quistadoren, in Mejico. Er hatte aus Welschland nicht bloss Bles-
suren und Gold mitgebracht, sondern, wie Herrera sagt, „die

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[31/0051] Die Dichter. Erzählung seines Lebens auftrug und der mit Luis Vives einen lateinischen Briefwechsel führte, hat später, als er kränkelnd, von jahrelangem Kopfschmerz geplagt, auf vier Stunden Schlaf be- schränkt, zu Hause sitzen musste, eine jener beliebten Miscellen- sammlungen meist aus alten Schriftstellern in der Art des Macro- bius verfasst: Silva de varia leccion, die in viele Sprachen über- setzt wurde und im 16. und 17. Jahrhundert in Jedermanns Händen war; geistreiche Ausdrucksweise (agudeza) und Schmelz (dulzura) schreibt Pacheco seinen Versen zu. Der witzigste Kopf war Balthasar del Alcazar († 1606), der Verehrer des Martial und Horaz (el Marcial sevillano). Pacheco gesteht, dass er, ein spanischer Boswell, alle seine Aussprüche aufschrieb, wenn er ihn besuchte; einmal meinte Balthasar: „Ich wünschte du wärst mein Sclave“. Er überrascht uns sogar mit kecken Trinkliedern, die er auch komponirte. „Er war mit wenig Worten witzig, und machte mit einem Wort das frostigste Gericht schmackhaft, indem er mit scheinbaren Nachlässigkeiten den Gaumen reizte. Das blosse Hinrollen seiner Verse bestrickt das Ohr“. Diese gelehrten Dichter wandten sich auch der aufstreben- den Bühne zu. Das Auftreten des Lope de Rueda (seit 1544), eines Sevillaner Goldschlägers, hatte dort das volksthümliche Theater begründet. Zwei grosse Bühnen wurden im Anfang des siebzehnten Jahrhunderts erbaut: eine hölzerne und eine ge- mauerte mit Marmor. Jener Juan de Malara, der „bätische Menander“ († 1571), mit Francisco de Medina († 1615) Lehrer des griechischen und lateinischen, erst in der Calle de Catalanes, dann in der Alameda, damals Laguna genannt, schrieb zahlreiche Comödien und Tragödien, geistlichen und weltlichen Inhalts, „mit bewundernswürdigen Exempeln und Betrachtungen, voll von Sinnsprüchen, Oden und elegischen Versen, in lateinischer und spanischer Sprache“. Er verfasste in Madrid (1566) auf Philipp II Geheiss Verse für die vier Unterweltbilder (furias) Tizians im Schloss. Seine Comödien sind ebensowenig erhalten wie die des Gutierrez de Cetina († 1560), welche in Prosa und Versen ge- schrieben waren. Pacheco berichtet, dass sein Schauspiel La bondad divina mit ausserordentlichen Kosten in Scene gesetzt wurde. Er hatte in Italien und Flandern gefochten, war mit Carl V in Tunis gewesen und bei seinem Bruder, einem der Con- quistadoren, in Mejico. Er hatte aus Welschland nicht bloss Bles- suren und Gold mitgebracht, sondern, wie Herrera sagt, „die

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/51>, abgerufen am 21.11.2024.