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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888.

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Die mittelalterliche Kunst.
ronymus hat Sanchez den Niederländern die Oeltechnik und den
Naturalismus abgesehen; freilich ist von seiner unbehülflichen
Zeichnung bis zu der Genauigkeit und Feinheit seiner Vorbilder
noch mehr als ein Schritt. Sein heil. Christoph in derselben
Kirche (1484) ist auch in der Uebermalung noch zu erkennen:
ein harter, kraushaariger Bauernkopf, vielleicht ein Ferge des
Guadalquivir: enger Schädel, kurze Stirn und voller Hinter-
kopf, grosse runde schwarze Augen und geschwungene Braunen,
starke Backenknochen und Lippen, dünner Bart und zurücktreten-
des Kinn. Auch von seinem Sohn Pedro hat sich eine Tafel mit
der Grablegung gefunden (Galerie Lopez Cepero); und die trost-
lose Pietas des Juan Nundez, wahrscheinlich seines Schwiegersohnes
(Sacristei de los calices) wetteifert in trocknem Fleiss und asceti-
scher Herbigkeit mit den niederrheinischen Nachahmern des
Dierick Bouts. Der heil. Bartholomäus, die Mittelfigur in dessen
Retablo in der S. Annenkapelle der Kathedrale (1504), ist ein spani-
scher Vollblutmönch, von heroischen Zügen, reichem schwarzen
wallenden Bart und Haar und feurigem Blick, ein Mann von dem
Holze, aus dem man Conquistadoren, Schmuggler und Toreros
macht, ein Mann, der vielleicht bei der Eroberung Granada's das
Schwert geschwungen.

Die Richtung auf Beherrschung der äussern Erscheinung,
der Drang nach genauer Nachahmung im Ganzen und Einzelnen
war in der Kultur des Jahrhunderts begründet. Der nordische
Einfluss hat der spanischen Kunst diese Richtung zwar nicht ge-
geben, aber in unberechenbarer Weise gefördert.

Eine vielseitig kenntliche Gestalt giebt es in dieser Zeit,
Alejo Fernandez, von dessen Leben man freilich nur weiss, dass
er im Jahre 1508 zur Bemalung und Vergoldung des Retablo
mayor aus Cordoba berufen wurde. Sein grosses Werk dort,
der heil. Hieronymus im Kloster S. Marta ist verschwunden;
vielleicht aber ist der Christus an der Säule mit dem reuigen
Petrus im Museum ein Ueberbleibsel seiner ersten Wirksamkeit.
Nach dem Namen seines Bruders Jorge Fernandez Aleman, der
mit ihm kam, scheint er niederdeutscher Herkunft gewesen zu sein.

Von ihm bewahrt die Kathedrale vier grosse Tafeln, Scenen
aus dem Marienleben: die Begegnung an der goldnen Pforte,
die Geburt, die Darstellung im Tempel, in der dunklen Sakristei
des Hochaltars; und die Epiphanie in der grossen Sakristei,
Werke einzig in ihrer Art1).


1) Im Jahre 1882 war Gelegenheit diese Bilder, die in den Restaurationssaal
gebracht worden waren, zum erstenmal bei Tageslicht zu sehen.

Die mittelalterliche Kunst.
ronymus hat Sanchez den Niederländern die Oeltechnik und den
Naturalismus abgesehen; freilich ist von seiner unbehülflichen
Zeichnung bis zu der Genauigkeit und Feinheit seiner Vorbilder
noch mehr als ein Schritt. Sein heil. Christoph in derselben
Kirche (1484) ist auch in der Uebermalung noch zu erkennen:
ein harter, kraushaariger Bauernkopf, vielleicht ein Ferge des
Guadalquivir: enger Schädel, kurze Stirn und voller Hinter-
kopf, grosse runde schwarze Augen und geschwungene Braunen,
starke Backenknochen und Lippen, dünner Bart und zurücktreten-
des Kinn. Auch von seinem Sohn Pedro hat sich eine Tafel mit
der Grablegung gefunden (Galerie Lopez Cepero); und die trost-
lose Pietas des Juan Nuñez, wahrscheinlich seines Schwiegersohnes
(Sacristei de los cálices) wetteifert in trocknem Fleiss und asceti-
scher Herbigkeit mit den niederrheinischen Nachahmern des
Dierick Bouts. Der heil. Bartholomäus, die Mittelfigur in dessen
Retablo in der S. Annenkapelle der Kathedrale (1504), ist ein spani-
scher Vollblutmönch, von heroischen Zügen, reichem schwarzen
wallenden Bart und Haar und feurigem Blick, ein Mann von dem
Holze, aus dem man Conquistadoren, Schmuggler und Toreros
macht, ein Mann, der vielleicht bei der Eroberung Granada’s das
Schwert geschwungen.

Die Richtung auf Beherrschung der äussern Erscheinung,
der Drang nach genauer Nachahmung im Ganzen und Einzelnen
war in der Kultur des Jahrhunderts begründet. Der nordische
Einfluss hat der spanischen Kunst diese Richtung zwar nicht ge-
geben, aber in unberechenbarer Weise gefördert.

Eine vielseitig kenntliche Gestalt giebt es in dieser Zeit,
Alejo Fernandez, von dessen Leben man freilich nur weiss, dass
er im Jahre 1508 zur Bemalung und Vergoldung des Retablo
mayor aus Cordoba berufen wurde. Sein grosses Werk dort,
der heil. Hieronymus im Kloster S. Marta ist verschwunden;
vielleicht aber ist der Christus an der Säule mit dem reuigen
Petrus im Museum ein Ueberbleibsel seiner ersten Wirksamkeit.
Nach dem Namen seines Bruders Jorge Fernandez Aleman, der
mit ihm kam, scheint er niederdeutscher Herkunft gewesen zu sein.

Von ihm bewahrt die Kathedrale vier grosse Tafeln, Scenen
aus dem Marienleben: die Begegnung an der goldnen Pforte,
die Geburt, die Darstellung im Tempel, in der dunklen Sakristei
des Hochaltars; und die Epiphanie in der grossen Sakristei,
Werke einzig in ihrer Art1).


1) Im Jahre 1882 war Gelegenheit diese Bilder, die in den Restaurationssaal
gebracht worden waren, zum erstenmal bei Tageslicht zu sehen.
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[39/0059] Die mittelalterliche Kunst. ronymus hat Sanchez den Niederländern die Oeltechnik und den Naturalismus abgesehen; freilich ist von seiner unbehülflichen Zeichnung bis zu der Genauigkeit und Feinheit seiner Vorbilder noch mehr als ein Schritt. Sein heil. Christoph in derselben Kirche (1484) ist auch in der Uebermalung noch zu erkennen: ein harter, kraushaariger Bauernkopf, vielleicht ein Ferge des Guadalquivir: enger Schädel, kurze Stirn und voller Hinter- kopf, grosse runde schwarze Augen und geschwungene Braunen, starke Backenknochen und Lippen, dünner Bart und zurücktreten- des Kinn. Auch von seinem Sohn Pedro hat sich eine Tafel mit der Grablegung gefunden (Galerie Lopez Cepero); und die trost- lose Pietas des Juan Nuñez, wahrscheinlich seines Schwiegersohnes (Sacristei de los cálices) wetteifert in trocknem Fleiss und asceti- scher Herbigkeit mit den niederrheinischen Nachahmern des Dierick Bouts. Der heil. Bartholomäus, die Mittelfigur in dessen Retablo in der S. Annenkapelle der Kathedrale (1504), ist ein spani- scher Vollblutmönch, von heroischen Zügen, reichem schwarzen wallenden Bart und Haar und feurigem Blick, ein Mann von dem Holze, aus dem man Conquistadoren, Schmuggler und Toreros macht, ein Mann, der vielleicht bei der Eroberung Granada’s das Schwert geschwungen. Die Richtung auf Beherrschung der äussern Erscheinung, der Drang nach genauer Nachahmung im Ganzen und Einzelnen war in der Kultur des Jahrhunderts begründet. Der nordische Einfluss hat der spanischen Kunst diese Richtung zwar nicht ge- geben, aber in unberechenbarer Weise gefördert. Eine vielseitig kenntliche Gestalt giebt es in dieser Zeit, Alejo Fernandez, von dessen Leben man freilich nur weiss, dass er im Jahre 1508 zur Bemalung und Vergoldung des Retablo mayor aus Cordoba berufen wurde. Sein grosses Werk dort, der heil. Hieronymus im Kloster S. Marta ist verschwunden; vielleicht aber ist der Christus an der Säule mit dem reuigen Petrus im Museum ein Ueberbleibsel seiner ersten Wirksamkeit. Nach dem Namen seines Bruders Jorge Fernandez Aleman, der mit ihm kam, scheint er niederdeutscher Herkunft gewesen zu sein. Von ihm bewahrt die Kathedrale vier grosse Tafeln, Scenen aus dem Marienleben: die Begegnung an der goldnen Pforte, die Geburt, die Darstellung im Tempel, in der dunklen Sakristei des Hochaltars; und die Epiphanie in der grossen Sakristei, Werke einzig in ihrer Art 1). 1) Im Jahre 1882 war Gelegenheit diese Bilder, die in den Restaurationssaal gebracht worden waren, zum erstenmal bei Tageslicht zu sehen.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 1. Bonn, 1888, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez01_1888/59>, abgerufen am 23.11.2024.