Wie man sonst durchsichtigen Kleinodien eine Metallfassung giebt, so steht hier eine in Metallglanz schimmernde Gestalt im durchsichtigen Luftmeer. In jener wird alles Licht zurückge- strahlt: das gleissende Gold, der spiegelnde Stahl, die Seide, die jugendliche Wange, das feuchte Kastanienbraun des Rosses, fast alles warme Strahlen. Aufdringliche Localfarben sind zurück- gesetzt, der Federbusch ist weiss und braun, die Beinkleider nussbraun, die rosa Schärpe in weisslichem Reflexlicht. In der Landschaft wird alles Licht durchgelassen, aber nur in kalten Strahlen. Hier zieht die Farbe das Auge hinein in die Tiefe des Raums; dort dringt sie ihm aus der Bildfläche entgegen. Nur das Antlitz mit seinem weisslich blonden Incarnat und kühlem bläulichem Reflexlicht steht in keinem Kontrast zum Grund, es ist unmittelbar auf den wolkigen Tageshimmel gesetzt.
Mengs sagt von diesem Gemälde: "Wenn Tizian dem Spanier überlegen ist im Kolorit, so übertrifft ihn Velazquez im Verständniss von Licht und Schatten, in der Luftperspective, welche Dinge noth- wendig sind in diesem Stil (der Natur), weil durch sie die Vorstellung der Wahrheit entsteht . . . . Höchst merkwürdig ist die leichte und doch entschlossene Art, in der der Kopf des Königs gemalt ist, in welchem die Haut wiederzustrahlen scheint"1). Die Land- schaft nennt er mit dem höchsten Geschmack behandelt. --
Ist nun das kleine Bild im Pitti, das Vorbild der Statue Tacca's eine Wiederholung des grossen im Prado? oder umgekehrt: gab die Statue die Veranlassung zur Anfertigung eines neuen Reiterbildchens? Hat der Beifall, den dasselbe fand, den Wunsch geweckt, es in Lebensgrösse ausgeführt zu sehn? Die Leichtigkeit, Breite, Flüssigkeit der Malweise in jenem kann ebensogut das Feuer des ersten Wurfs sein, wie die Sicherheit einer Selbst- wiederholung in abgekürzter Form. Original ist es wol auf jeden Fall; die Helle des Tons, die epigrammatische Kürze mit der die Züge in wenigen Strichen fertig hingesetzt sind, das haben wir nie an einer Kopie gesehn. Kopien sind natürlich oft begehrt worden und werden noch alljährlich sehr nett in Madrid ange- fertigt; sie sind oft für Originalskizzen ausgegeben, von Ken- nern gerühmt und entsprechend bezahlt worden.
Die beste mir bekannte ist die in Hertford House (24" x 24")
1) E singolare il modo facile e determinato con cui e dipinta la testa del re che sembra rilucervi la cute. Mengs, Opere. Milano 1856. II, 149. 164. La tete blanche est de finesse merveilleuse. Imbert, Voyage.
Fünftes Buch.
Wie man sonst durchsichtigen Kleinodien eine Metallfassung giebt, so steht hier eine in Metallglanz schimmernde Gestalt im durchsichtigen Luftmeer. In jener wird alles Licht zurückge- strahlt: das gleissende Gold, der spiegelnde Stahl, die Seide, die jugendliche Wange, das feuchte Kastanienbraun des Rosses, fast alles warme Strahlen. Aufdringliche Localfarben sind zurück- gesetzt, der Federbusch ist weiss und braun, die Beinkleider nussbraun, die rosa Schärpe in weisslichem Reflexlicht. In der Landschaft wird alles Licht durchgelassen, aber nur in kalten Strahlen. Hier zieht die Farbe das Auge hinein in die Tiefe des Raums; dort dringt sie ihm aus der Bildfläche entgegen. Nur das Antlitz mit seinem weisslich blonden Incarnat und kühlem bläulichem Reflexlicht steht in keinem Kontrast zum Grund, es ist unmittelbar auf den wolkigen Tageshimmel gesetzt.
Mengs sagt von diesem Gemälde: „Wenn Tizian dem Spanier überlegen ist im Kolorit, so übertrifft ihn Velazquez im Verständniss von Licht und Schatten, in der Luftperspective, welche Dinge noth- wendig sind in diesem Stil (der Natur), weil durch sie die Vorstellung der Wahrheit entsteht . . . . Höchst merkwürdig ist die leichte und doch entschlossene Art, in der der Kopf des Königs gemalt ist, in welchem die Haut wiederzustrahlen scheint“1). Die Land- schaft nennt er mit dem höchsten Geschmack behandelt. —
Ist nun das kleine Bild im Pitti, das Vorbild der Statue Tacca’s eine Wiederholung des grossen im Prado? oder umgekehrt: gab die Statue die Veranlassung zur Anfertigung eines neuen Reiterbildchens? Hat der Beifall, den dasselbe fand, den Wunsch geweckt, es in Lebensgrösse ausgeführt zu sehn? Die Leichtigkeit, Breite, Flüssigkeit der Malweise in jenem kann ebensogut das Feuer des ersten Wurfs sein, wie die Sicherheit einer Selbst- wiederholung in abgekürzter Form. Original ist es wol auf jeden Fall; die Helle des Tons, die epigrammatische Kürze mit der die Züge in wenigen Strichen fertig hingesetzt sind, das haben wir nie an einer Kopie gesehn. Kopien sind natürlich oft begehrt worden und werden noch alljährlich sehr nett in Madrid ange- fertigt; sie sind oft für Originalskizzen ausgegeben, von Ken- nern gerühmt und entsprechend bezahlt worden.
Die beste mir bekannte ist die in Hertford House (24″ × 24″)
1) È singolare il modo facile e determinato con cui è dipinta la testa del rè che sembra rilucervi la cute. Mengs, Opere. Milano 1856. II, 149. 164. La tête blanche est de finesse merveilleuse. Imbert, Voyage.
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Fünftes Buch.
Wie man sonst durchsichtigen Kleinodien eine Metallfassung
giebt, so steht hier eine in Metallglanz schimmernde Gestalt im
durchsichtigen Luftmeer. In jener wird alles Licht zurückge-
strahlt: das gleissende Gold, der spiegelnde Stahl, die Seide,
die jugendliche Wange, das feuchte Kastanienbraun des Rosses,
fast alles warme Strahlen. Aufdringliche Localfarben sind zurück-
gesetzt, der Federbusch ist weiss und braun, die Beinkleider
nussbraun, die rosa Schärpe in weisslichem Reflexlicht. In
der Landschaft wird alles Licht durchgelassen, aber nur in kalten
Strahlen. Hier zieht die Farbe das Auge hinein in die Tiefe des
Raums; dort dringt sie ihm aus der Bildfläche entgegen. Nur
das Antlitz mit seinem weisslich blonden Incarnat und kühlem
bläulichem Reflexlicht steht in keinem Kontrast zum Grund, es
ist unmittelbar auf den wolkigen Tageshimmel gesetzt.
Mengs sagt von diesem Gemälde: „Wenn Tizian dem Spanier
überlegen ist im Kolorit, so übertrifft ihn Velazquez im Verständniss
von Licht und Schatten, in der Luftperspective, welche Dinge noth-
wendig sind in diesem Stil (der Natur), weil durch sie die Vorstellung
der Wahrheit entsteht . . . . Höchst merkwürdig ist die leichte
und doch entschlossene Art, in der der Kopf des Königs gemalt
ist, in welchem die Haut wiederzustrahlen scheint“ 1). Die Land-
schaft nennt er mit dem höchsten Geschmack behandelt. —
Ist nun das kleine Bild im Pitti, das Vorbild der Statue
Tacca’s eine Wiederholung des grossen im Prado? oder umgekehrt:
gab die Statue die Veranlassung zur Anfertigung eines neuen
Reiterbildchens? Hat der Beifall, den dasselbe fand, den Wunsch
geweckt, es in Lebensgrösse ausgeführt zu sehn? Die Leichtigkeit,
Breite, Flüssigkeit der Malweise in jenem kann ebensogut das
Feuer des ersten Wurfs sein, wie die Sicherheit einer Selbst-
wiederholung in abgekürzter Form. Original ist es wol auf jeden
Fall; die Helle des Tons, die epigrammatische Kürze mit der
die Züge in wenigen Strichen fertig hingesetzt sind, das haben
wir nie an einer Kopie gesehn. Kopien sind natürlich oft begehrt
worden und werden noch alljährlich sehr nett in Madrid ange-
fertigt; sie sind oft für Originalskizzen ausgegeben, von Ken-
nern gerühmt und entsprechend bezahlt worden.
Die beste mir bekannte ist die in Hertford House (24″ × 24″)
1) È singolare il modo facile e determinato con cui è dipinta la testa del rè
che sembra rilucervi la cute. Mengs, Opere. Milano 1856. II, 149. 164. La tête
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/116>, abgerufen am 04.12.2024.
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