Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Olivares.
lichter sind auf Wolken, Weissdornblüten, Brand und Kragen
ausgetheilt.

Die Attitude von Pferd und Reiter war nicht Erfindung
des Künstlers. Sie stammt wahrscheinlich aus Rubens' Schule,
liegt übrigens für ein Feldherrnbildniss sehr nahe. Ich erinnere
an das Bildniss des Grafen Albert von Arenbergh, der den Kom-
mandostab aber in dem zurückgebognen Arm hält; an die Skizze
von Esaias van de Velde im Museum zu Rotterdam (217); beide
sitzen besser zurückgelehnt. Denn nicht zu läugnen ist, dass
unser Reiter keinen leichten Eindruck macht, das kommt ausser
dem krummen Rücken, der dem Sitz etwas Hockendes giebt,
von dem stark verkürzten Vordertheil des Pferdes, das gegen
den Reiter zu sehr zurücktritt. Ueber den Akten und in
den Hofintriguen war aus dem elegantesten Reiter Spaniens
eine andere Gestalt geworden. Schmeichler nannten diese ge-
wölbten Schultern, die nach dem Gil Blas wie ein Buckel aus-
sahen, "Schultern des Atlas der Monarchie"1). Der Sattel erscheint
zu nahe am Pferdehals. Auch dieser Zug findet sich wieder in
dem merkwürdig übereinstimmenden Reiterbildniss des Francesco
Maria Balbi, im Palast Balbi zu Genua, von van Dyck. Velaz-
quez kann das Werk bei seinem Besuch in Genua im Jahre
1629 gesehen und skizzirt haben.

Von unsrem Reiterbild giebt es zwei kleinere Wiederholun-
gen, in halber Lebensgrösse. Das eine befindet sich im Besitz
des schottischen Lord Elgin, in Broomhall, in der Grafschaft
Fifeshire, das andere in der Galerie zu Schleissheim. Beide sind
keineswegs Copien, sondern sehr original, das erste vielleicht von
vorzüglicherer Arbeit als das grosse; wahrscheinlich sind sie
früher als dieses. Gewiss ist, dass die Umgebung einen ursprüng-
licheren Zustand zeigt, während in der Gruppe selbst wenig
Unterschied ist, nur dass das Pferd in beiden ein Schimmel ist.

Der Abfall des Bergrückens, auf den der Reiter heraustritt,
erscheint hier ziemlich steil, also dass der Prospect der Ebene
unten unmittelbar an die Kante des Hügels ansetzt. Der dichte
weisse Pulverqualm, der von dort aufsteigt, giebt den Grund ab
für die Vorderhand des Pferds.

Diese Anordnung war auch auf dem grossen Bilde zuerst

1) Calderon, Casa con dos puertas mala es de guardar I:
con quien el peso reparte
de tanta maquina, bien
como Alcides con Atlante.
II. 8

Olivares.
lichter sind auf Wolken, Weissdornblüten, Brand und Kragen
ausgetheilt.

Die Attitude von Pferd und Reiter war nicht Erfindung
des Künstlers. Sie stammt wahrscheinlich aus Rubens’ Schule,
liegt übrigens für ein Feldherrnbildniss sehr nahe. Ich erinnere
an das Bildniss des Grafen Albert von Arenbergh, der den Kom-
mandostab aber in dem zurückgebognen Arm hält; an die Skizze
von Esaias van de Velde im Museum zu Rotterdam (217); beide
sitzen besser zurückgelehnt. Denn nicht zu läugnen ist, dass
unser Reiter keinen leichten Eindruck macht, das kommt ausser
dem krummen Rücken, der dem Sitz etwas Hockendes giebt,
von dem stark verkürzten Vordertheil des Pferdes, das gegen
den Reiter zu sehr zurücktritt. Ueber den Akten und in
den Hofintriguen war aus dem elegantesten Reiter Spaniens
eine andere Gestalt geworden. Schmeichler nannten diese ge-
wölbten Schultern, die nach dem Gil Blas wie ein Buckel aus-
sahen, „Schultern des Atlas der Monarchie“1). Der Sattel erscheint
zu nahe am Pferdehals. Auch dieser Zug findet sich wieder in
dem merkwürdig übereinstimmenden Reiterbildniss des Francesco
Maria Balbi, im Palast Balbi zu Genua, von van Dyck. Velaz-
quez kann das Werk bei seinem Besuch in Genua im Jahre
1629 gesehen und skizzirt haben.

Von unsrem Reiterbild giebt es zwei kleinere Wiederholun-
gen, in halber Lebensgrösse. Das eine befindet sich im Besitz
des schottischen Lord Elgin, in Broomhall, in der Grafschaft
Fifeshire, das andere in der Galerie zu Schleissheim. Beide sind
keineswegs Copien, sondern sehr original, das erste vielleicht von
vorzüglicherer Arbeit als das grosse; wahrscheinlich sind sie
früher als dieses. Gewiss ist, dass die Umgebung einen ursprüng-
licheren Zustand zeigt, während in der Gruppe selbst wenig
Unterschied ist, nur dass das Pferd in beiden ein Schimmel ist.

Der Abfall des Bergrückens, auf den der Reiter heraustritt,
erscheint hier ziemlich steil, also dass der Prospect der Ebene
unten unmittelbar an die Kante des Hügels ansetzt. Der dichte
weisse Pulverqualm, der von dort aufsteigt, giebt den Grund ab
für die Vorderhand des Pferds.

Diese Anordnung war auch auf dem grossen Bilde zuerst

1) Calderon, Casa con dos puertas mala es de guardar I:
con quien el peso reparte
de tanta máquina, bien
como Alcides con Atlante.
II. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0133" n="113"/><fw place="top" type="header">Olivares.</fw><lb/>
lichter sind auf Wolken, Weissdornblüten, Brand und Kragen<lb/>
ausgetheilt.</p><lb/>
            <p>Die Attitude von Pferd und Reiter war nicht Erfindung<lb/>
des Künstlers. Sie stammt wahrscheinlich aus Rubens&#x2019; Schule,<lb/>
liegt übrigens für ein Feldherrnbildniss sehr nahe. Ich erinnere<lb/>
an das Bildniss des Grafen Albert von Arenbergh, der den Kom-<lb/>
mandostab aber in dem zurückgebognen Arm hält; an die Skizze<lb/>
von Esaias van de Velde im Museum zu Rotterdam (217); beide<lb/>
sitzen besser zurückgelehnt. Denn nicht zu läugnen ist, dass<lb/>
unser Reiter keinen leichten Eindruck macht, das kommt ausser<lb/>
dem krummen Rücken, der dem Sitz etwas Hockendes giebt,<lb/>
von dem stark verkürzten Vordertheil des Pferdes, das gegen<lb/>
den Reiter zu sehr zurücktritt. Ueber den Akten und in<lb/>
den Hofintriguen war aus dem elegantesten Reiter Spaniens<lb/>
eine andere Gestalt geworden. Schmeichler nannten diese ge-<lb/>
wölbten Schultern, die nach dem Gil Blas wie ein Buckel aus-<lb/>
sahen, &#x201E;Schultern des Atlas der Monarchie&#x201C;<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#i">Calderon</hi>, Casa con dos puertas mala es de guardar I:<lb/><hi rendition="#c">con quien el peso reparte<lb/>
de tanta máquina, bien<lb/>
como Alcides con <hi rendition="#i">Atlante</hi>.</hi></note>. Der Sattel erscheint<lb/>
zu nahe am Pferdehals. Auch dieser Zug findet sich wieder in<lb/>
dem merkwürdig übereinstimmenden Reiterbildniss des Francesco<lb/>
Maria Balbi, im Palast Balbi zu Genua, von van Dyck. Velaz-<lb/>
quez kann das Werk bei seinem Besuch in Genua im Jahre<lb/>
1629 gesehen und skizzirt haben.</p><lb/>
            <p>Von unsrem Reiterbild giebt es zwei kleinere Wiederholun-<lb/>
gen, in halber Lebensgrösse. Das eine befindet sich im Besitz<lb/>
des schottischen Lord Elgin, in Broomhall, in der Grafschaft<lb/>
Fifeshire, das andere in der Galerie zu Schleissheim. Beide sind<lb/>
keineswegs Copien, sondern sehr original, das erste vielleicht von<lb/>
vorzüglicherer Arbeit als das grosse; wahrscheinlich sind sie<lb/>
früher als dieses. Gewiss ist, dass die Umgebung einen ursprüng-<lb/>
licheren Zustand zeigt, während in der Gruppe selbst wenig<lb/>
Unterschied ist, nur dass das Pferd in beiden ein Schimmel ist.</p><lb/>
            <p>Der Abfall des Bergrückens, auf den der Reiter heraustritt,<lb/>
erscheint hier ziemlich steil, also dass der Prospect der Ebene<lb/>
unten unmittelbar an die Kante des Hügels ansetzt. Der dichte<lb/>
weisse Pulverqualm, der von dort aufsteigt, giebt den Grund ab<lb/>
für die Vorderhand des Pferds.</p><lb/>
            <p>Diese Anordnung war auch auf dem grossen Bilde zuerst<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">II. 8</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0133] Olivares. lichter sind auf Wolken, Weissdornblüten, Brand und Kragen ausgetheilt. Die Attitude von Pferd und Reiter war nicht Erfindung des Künstlers. Sie stammt wahrscheinlich aus Rubens’ Schule, liegt übrigens für ein Feldherrnbildniss sehr nahe. Ich erinnere an das Bildniss des Grafen Albert von Arenbergh, der den Kom- mandostab aber in dem zurückgebognen Arm hält; an die Skizze von Esaias van de Velde im Museum zu Rotterdam (217); beide sitzen besser zurückgelehnt. Denn nicht zu läugnen ist, dass unser Reiter keinen leichten Eindruck macht, das kommt ausser dem krummen Rücken, der dem Sitz etwas Hockendes giebt, von dem stark verkürzten Vordertheil des Pferdes, das gegen den Reiter zu sehr zurücktritt. Ueber den Akten und in den Hofintriguen war aus dem elegantesten Reiter Spaniens eine andere Gestalt geworden. Schmeichler nannten diese ge- wölbten Schultern, die nach dem Gil Blas wie ein Buckel aus- sahen, „Schultern des Atlas der Monarchie“ 1). Der Sattel erscheint zu nahe am Pferdehals. Auch dieser Zug findet sich wieder in dem merkwürdig übereinstimmenden Reiterbildniss des Francesco Maria Balbi, im Palast Balbi zu Genua, von van Dyck. Velaz- quez kann das Werk bei seinem Besuch in Genua im Jahre 1629 gesehen und skizzirt haben. Von unsrem Reiterbild giebt es zwei kleinere Wiederholun- gen, in halber Lebensgrösse. Das eine befindet sich im Besitz des schottischen Lord Elgin, in Broomhall, in der Grafschaft Fifeshire, das andere in der Galerie zu Schleissheim. Beide sind keineswegs Copien, sondern sehr original, das erste vielleicht von vorzüglicherer Arbeit als das grosse; wahrscheinlich sind sie früher als dieses. Gewiss ist, dass die Umgebung einen ursprüng- licheren Zustand zeigt, während in der Gruppe selbst wenig Unterschied ist, nur dass das Pferd in beiden ein Schimmel ist. Der Abfall des Bergrückens, auf den der Reiter heraustritt, erscheint hier ziemlich steil, also dass der Prospect der Ebene unten unmittelbar an die Kante des Hügels ansetzt. Der dichte weisse Pulverqualm, der von dort aufsteigt, giebt den Grund ab für die Vorderhand des Pferds. Diese Anordnung war auch auf dem grossen Bilde zuerst 1) Calderon, Casa con dos puertas mala es de guardar I: con quien el peso reparte de tanta máquina, bien como Alcides con Atlante. II. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/133
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/133>, abgerufen am 04.12.2024.