ihn eines Tags im Dogenpalast vor dem Bilde, in Bewun- derung der kunstvollen Anordnung, der Lebendigkeit der zahl- losen Figuren des Riesenwerks verloren. "Dieses Gemälde all- ein, sagte er, reichte hin jeden Maler unsterblich zu machen; es scheine das Werk eines Menschenalters".
Der schwärmerische Glasperlenhändler berichtet ferner, dass er im Ganzen für fünf Gemälde 12000 Scudi ausgegeben habe; aber er nennt ausser dem "Paradies" zwei Tizians und zwei Paolos. Die Ernte scheint ihm etwas dürftig; aber -- no se trova de comprar piu niente.
Dass Velazquez indess bei jener Versicherung dem Könige gegenüber einen richtigen Instinkt gehabt hatte, geht aus den Ereignissen des Bildermarktes der nächsten Jahre hervor; er kam leider etwas zu früh.
Als nämlich die Serenissima im Jahre 1657 zur Bestreitung des Türkenkriegs die Authebung der beiden Orden der Kreuz- träger und des heil. Geistes nebst Einziehung ihres Vermö- gens beschlossen und auch von Alexander VII erlangt hatte, schienen ganz unerwartet einige der ersten Meisterwerke frei zu werden.
Die Canonici von S. Spirito besassen zwei Altarbilder Ti- zians, die späte Ausgiessung des h. Geistes über dem Hochaltar, das unschätzbare Jugendwerk des hl. Marcus mit den vier Hei- ligen, und an der Decke drei alttestamentliche Mordgeschichten. Die Crociferi hatten im Refectorium die Hochzeit zu Cana von Tintoretto (1561), ein Wunder von goldnem Licht, voll der liebreizendsten blonden Frauenköpfe. Noch vor der Veröffent- lichung der Authebungsbulle hatte der Provinzial und Prior des letztern Ordens, Pater Barbaro, dem Paolo del Sera durch den gemeinschaftlichen Barbier und Gemäldesensal dieses Cenacolo für Florenz zum heimlichen Verkauf angeboten (März 1656). Freilich verlangte er 4000 Silberscudi, während der Grossherzog nur 1500 Piaster ausgeben mochte. Darüber kam die Bulle aus, und die Regierung inventarisirte die sämmtliche Habe. Die fünf Bilder Tizians wurden der Kirche und Sakristei der Salute be- stimmt, wo sie sich noch jetzt befinden. Der Kampf um die Hochzeit des Tintoretto war hartnäckiger. Der Nuntius Carlo Caraffa selbst legte ein Wort ein bei den Prokuratoren von S. Marco, die Paolo del Sera auf 2500 Dukaten oder 1666 2/3 Pia- ster herunterbrachte. Aber der Patriotismus war bereits auf- gestört; die Prokuratoren Pesaro und Bragadin wollten bis zu
Sechstes Buch.
ihn eines Tags im Dogenpalast vor dem Bilde, in Bewun- derung der kunstvollen Anordnung, der Lebendigkeit der zahl- losen Figuren des Riesenwerks verloren. „Dieses Gemälde all- ein, sagte er, reichte hin jeden Maler unsterblich zu machen; es scheine das Werk eines Menschenalters“.
Der schwärmerische Glasperlenhändler berichtet ferner, dass er im Ganzen für fünf Gemälde 12000 Scudi ausgegeben habe; aber er nennt ausser dem „Paradies“ zwei Tizians und zwei Paolos. Die Ernte scheint ihm etwas dürftig; aber — no se trova de comprar più niente.
Dass Velazquez indess bei jener Versicherung dem Könige gegenüber einen richtigen Instinkt gehabt hatte, geht aus den Ereignissen des Bildermarktes der nächsten Jahre hervor; er kam leider etwas zu früh.
Als nämlich die Serenissima im Jahre 1657 zur Bestreitung des Türkenkriegs die Authebung der beiden Orden der Kreuz- träger und des heil. Geistes nebst Einziehung ihres Vermö- gens beschlossen und auch von Alexander VII erlangt hatte, schienen ganz unerwartet einige der ersten Meisterwerke frei zu werden.
Die Canonici von S. Spirito besassen zwei Altarbilder Ti- zians, die späte Ausgiessung des h. Geistes über dem Hochaltar, das unschätzbare Jugendwerk des hl. Marcus mit den vier Hei- ligen, und an der Decke drei alttestamentliche Mordgeschichten. Die Crociferi hatten im Refectorium die Hochzeit zu Cana von Tintoretto (1561), ein Wunder von goldnem Licht, voll der liebreizendsten blonden Frauenköpfe. Noch vor der Veröffent- lichung der Authebungsbulle hatte der Provinzial und Prior des letztern Ordens, Pater Barbaro, dem Paolo del Sera durch den gemeinschaftlichen Barbier und Gemäldesensal dieses Cenacolo für Florenz zum heimlichen Verkauf angeboten (März 1656). Freilich verlangte er 4000 Silberscudi, während der Grossherzog nur 1500 Piaster ausgeben mochte. Darüber kam die Bulle aus, und die Regierung inventarisirte die sämmtliche Habe. Die fünf Bilder Tizians wurden der Kirche und Sakristei der Salute be- stimmt, wo sie sich noch jetzt befinden. Der Kampf um die Hochzeit des Tintoretto war hartnäckiger. Der Nuntius Carlo Caraffa selbst legte ein Wort ein bei den Prokuratoren von S. Marco, die Paolo del Sera auf 2500 Dukaten oder 1666⅔ Pia- ster herunterbrachte. Aber der Patriotismus war bereits auf- gestört; die Prokuratoren Pesaro und Bragadin wollten bis zu
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Sechstes Buch.
ihn eines Tags im Dogenpalast vor dem Bilde, in Bewun-
derung der kunstvollen Anordnung, der Lebendigkeit der zahl-
losen Figuren des Riesenwerks verloren. „Dieses Gemälde all-
ein, sagte er, reichte hin jeden Maler unsterblich zu machen;
es scheine das Werk eines Menschenalters“.
Der schwärmerische Glasperlenhändler berichtet ferner,
dass er im Ganzen für fünf Gemälde 12000 Scudi ausgegeben
habe; aber er nennt ausser dem „Paradies“ zwei Tizians und
zwei Paolos. Die Ernte scheint ihm etwas dürftig; aber — no
se trova de comprar più niente.
Dass Velazquez indess bei jener Versicherung dem Könige
gegenüber einen richtigen Instinkt gehabt hatte, geht aus den
Ereignissen des Bildermarktes der nächsten Jahre hervor; er kam
leider etwas zu früh.
Als nämlich die Serenissima im Jahre 1657 zur Bestreitung
des Türkenkriegs die Authebung der beiden Orden der Kreuz-
träger und des heil. Geistes nebst Einziehung ihres Vermö-
gens beschlossen und auch von Alexander VII erlangt hatte,
schienen ganz unerwartet einige der ersten Meisterwerke frei zu
werden.
Die Canonici von S. Spirito besassen zwei Altarbilder Ti-
zians, die späte Ausgiessung des h. Geistes über dem Hochaltar,
das unschätzbare Jugendwerk des hl. Marcus mit den vier Hei-
ligen, und an der Decke drei alttestamentliche Mordgeschichten.
Die Crociferi hatten im Refectorium die Hochzeit zu Cana von
Tintoretto (1561), ein Wunder von goldnem Licht, voll der
liebreizendsten blonden Frauenköpfe. Noch vor der Veröffent-
lichung der Authebungsbulle hatte der Provinzial und Prior des
letztern Ordens, Pater Barbaro, dem Paolo del Sera durch den
gemeinschaftlichen Barbier und Gemäldesensal dieses Cenacolo
für Florenz zum heimlichen Verkauf angeboten (März 1656).
Freilich verlangte er 4000 Silberscudi, während der Grossherzog
nur 1500 Piaster ausgeben mochte. Darüber kam die Bulle aus,
und die Regierung inventarisirte die sämmtliche Habe. Die fünf
Bilder Tizians wurden der Kirche und Sakristei der Salute be-
stimmt, wo sie sich noch jetzt befinden. Der Kampf um die
Hochzeit des Tintoretto war hartnäckiger. Der Nuntius Carlo
Caraffa selbst legte ein Wort ein bei den Prokuratoren von
S. Marco, die Paolo del Sera auf 2500 Dukaten oder 1666⅔ Pia-
ster herunterbrachte. Aber der Patriotismus war bereits auf-
gestört; die Prokuratoren Pesaro und Bragadin wollten bis zu
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/180>, abgerufen am 04.12.2024.
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