"Ich zweifle, dass diess sein Verweilen bloss Höflichkeit zum Grund hat, und deshalb hat mir diese seine grosse Förmlichkeit (puntualita) nicht gefallen, obwol ich ja dafür vielleicht Ew. Hoheit Tadel verdiene. Allein da es sich um Gemälde handelt, so geht mir die Besorgniss zu nahe, dass Ew. Hoheit um eins ihrer besten kommen könnte. Er hat mich sofort ersucht, ihn alle Gemälde sehn zu lassen, aber ich habe ihm erwidert, zu meinem Bedauern könne ich das nicht, da Niemand als Ew. Hoheit die Schlüssel zu den Zimmern habe. Wenn er aber inzwischen Lust habe, den Palast von Sassuolo zu sehn, so stünde ich zu seinen Diensten, was er denn auch sofort angenommen hat. In Betreff der Freskomalerei hat er mir gesagt, er nehme den Sr. Michele Colonna und Agostino mit nach Spanien, um im Dienst Seiner Majestät zu malen, und in wenigen Tagen würden sie sich in Genua treffen. Diese Nach- richt hat mir ebenso missfallen, wie sie mir unerwartet kam, und wahrhaftig man darf wol fürchten, dass Colonna mehr Gefahr laufen wird, sein Leben zu verlieren, als [Aussicht haben] Reich- thümer zu erwerben."
Sassuolo war ganz eine Schöpfung des Herzogs Franz II, und ist noch im jetzigen Verfall und Kahlheit ein Zeugniss seines Geschmacks. In den beiden vornehmsten Räumen, dem grossen Saal und der Bacchusgalerie kann auch der Decorationsmaler der Gegenwart lernen; unter anderen wie sorgfältig und gründlich man damals selbst solche Sachen behandelte.
Velazquez traf in der Galerie eine ganze Malergesellschaft am Werk. Jean Boulanger aus Troyes, ein Schüler Guido's, seit 1638 Maler des Herzogs, malte hier Scenen aus der Geschichte des Bacchus. Da etwas ganz exquisites beabsichtigt war, so wurde die Vertheilung der Fächer noch weiter getrieben als bei jenen Bolognesen: die Architektur besorgten Monti und Bianchi, die üppigen Fruchtgehänge und Blumensträusse Cittadini, die wilden italienischen Berglandschaften für die Mythengeschichten der Wand Olivier Dauphin. Da für diese Feinheit reichen Details und solche satte Farben das Fresco sich nicht hergegeben hätte, so zog man die Malerei al secco vor. Die Fülle der Bilder auf kleinem Raum ist eine erstaunliche, sechs Wolkenscenen in der Mitte der Decke, vierzehn imitirte Gobelins an den Wänden; zwischen beiden sechszehn Blumenrahmen (scudi) von Satyrn ge- halten. Diese Scenen Boulanger's, beiläufig von achtungswer- ther mythologischer Belesenheit, zeichnen sich aus durch Ab- wesenheit des Banalen: figurenreich und doch nicht verworren,
Metelli und Colonna.
„Ich zweifle, dass diess sein Verweilen bloss Höflichkeit zum Grund hat, und deshalb hat mir diese seine grosse Förmlichkeit (puntualità) nicht gefallen, obwol ich ja dafür vielleicht Ew. Hoheit Tadel verdiene. Allein da es sich um Gemälde handelt, so geht mir die Besorgniss zu nahe, dass Ew. Hoheit um eins ihrer besten kommen könnte. Er hat mich sofort ersucht, ihn alle Gemälde sehn zu lassen, aber ich habe ihm erwidert, zu meinem Bedauern könne ich das nicht, da Niemand als Ew. Hoheit die Schlüssel zu den Zimmern habe. Wenn er aber inzwischen Lust habe, den Palast von Sassuolo zu sehn, so stünde ich zu seinen Diensten, was er denn auch sofort angenommen hat. In Betreff der Freskomalerei hat er mir gesagt, er nehme den Sr. Michele Colonna und Agostino mit nach Spanien, um im Dienst Seiner Majestät zu malen, und in wenigen Tagen würden sie sich in Genua treffen. Diese Nach- richt hat mir ebenso missfallen, wie sie mir unerwartet kam, und wahrhaftig man darf wol fürchten, dass Colonna mehr Gefahr laufen wird, sein Leben zu verlieren, als [Aussicht haben] Reich- thümer zu erwerben.“
Sassuolo war ganz eine Schöpfung des Herzogs Franz II, und ist noch im jetzigen Verfall und Kahlheit ein Zeugniss seines Geschmacks. In den beiden vornehmsten Räumen, dem grossen Saal und der Bacchusgalerie kann auch der Decorationsmaler der Gegenwart lernen; unter anderen wie sorgfältig und gründlich man damals selbst solche Sachen behandelte.
Velazquez traf in der Galerie eine ganze Malergesellschaft am Werk. Jean Boulanger aus Troyes, ein Schüler Guido’s, seit 1638 Maler des Herzogs, malte hier Scenen aus der Geschichte des Bacchus. Da etwas ganz exquisites beabsichtigt war, so wurde die Vertheilung der Fächer noch weiter getrieben als bei jenen Bolognesen: die Architektur besorgten Monti und Bianchi, die üppigen Fruchtgehänge und Blumensträusse Cittadini, die wilden italienischen Berglandschaften für die Mythengeschichten der Wand Olivier Dauphin. Da für diese Feinheit reichen Details und solche satte Farben das Fresco sich nicht hergegeben hätte, so zog man die Malerei al secco vor. Die Fülle der Bilder auf kleinem Raum ist eine erstaunliche, sechs Wolkenscenen in der Mitte der Decke, vierzehn imitirte Gobelins an den Wänden; zwischen beiden sechszehn Blumenrahmen (scudi) von Satyrn ge- halten. Diese Scenen Boulanger’s, beiläufig von achtungswer- ther mythologischer Belesenheit, zeichnen sich aus durch Ab- wesenheit des Banalen: figurenreich und doch nicht verworren,
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Metelli und Colonna.
„Ich zweifle, dass diess sein Verweilen bloss Höflichkeit zum
Grund hat, und deshalb hat mir diese seine grosse Förmlichkeit
(puntualità) nicht gefallen, obwol ich ja dafür vielleicht Ew. Hoheit
Tadel verdiene. Allein da es sich um Gemälde handelt, so geht
mir die Besorgniss zu nahe, dass Ew. Hoheit um eins ihrer besten
kommen könnte. Er hat mich sofort ersucht, ihn alle Gemälde sehn
zu lassen, aber ich habe ihm erwidert, zu meinem Bedauern könne
ich das nicht, da Niemand als Ew. Hoheit die Schlüssel zu den
Zimmern habe. Wenn er aber inzwischen Lust habe, den Palast
von Sassuolo zu sehn, so stünde ich zu seinen Diensten, was er
denn auch sofort angenommen hat. In Betreff der Freskomalerei
hat er mir gesagt, er nehme den Sr. Michele Colonna und Agostino
mit nach Spanien, um im Dienst Seiner Majestät zu malen, und
in wenigen Tagen würden sie sich in Genua treffen. Diese Nach-
richt hat mir ebenso missfallen, wie sie mir unerwartet kam, und
wahrhaftig man darf wol fürchten, dass Colonna mehr Gefahr
laufen wird, sein Leben zu verlieren, als [Aussicht haben] Reich-
thümer zu erwerben.“
Sassuolo war ganz eine Schöpfung des Herzogs Franz II,
und ist noch im jetzigen Verfall und Kahlheit ein Zeugniss seines
Geschmacks. In den beiden vornehmsten Räumen, dem grossen
Saal und der Bacchusgalerie kann auch der Decorationsmaler der
Gegenwart lernen; unter anderen wie sorgfältig und gründlich
man damals selbst solche Sachen behandelte.
Velazquez traf in der Galerie eine ganze Malergesellschaft
am Werk. Jean Boulanger aus Troyes, ein Schüler Guido’s, seit
1638 Maler des Herzogs, malte hier Scenen aus der Geschichte
des Bacchus. Da etwas ganz exquisites beabsichtigt war, so
wurde die Vertheilung der Fächer noch weiter getrieben als bei
jenen Bolognesen: die Architektur besorgten Monti und Bianchi,
die üppigen Fruchtgehänge und Blumensträusse Cittadini, die
wilden italienischen Berglandschaften für die Mythengeschichten
der Wand Olivier Dauphin. Da für diese Feinheit reichen Details
und solche satte Farben das Fresco sich nicht hergegeben hätte,
so zog man die Malerei al secco vor. Die Fülle der Bilder auf
kleinem Raum ist eine erstaunliche, sechs Wolkenscenen in der
Mitte der Decke, vierzehn imitirte Gobelins an den Wänden;
zwischen beiden sechszehn Blumenrahmen (scudi) von Satyrn ge-
halten. Diese Scenen Boulanger’s, beiläufig von achtungswer-
ther mythologischer Belesenheit, zeichnen sich aus durch Ab-
wesenheit des Banalen: figurenreich und doch nicht verworren,
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/225>, abgerufen am 21.11.2024.
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