Auch diessmal zog Velazquez den Entschluss zum Aufbruch hin, er ahnte wol, dass es ein Abschied von Italien fürs Leben sein werde. Wiederholt sollen Erinnerungen gekommen sein, zuletzt notificirte der Sekretär, D. Fernando Ruiz de Contreras einen Befehl des Königs. Er dachte eine Zeitlang über Frank- reich zu reisen, hatte sich auch bereits den Pass auf der Gesandt- schaft ausstellen lassen; zuletzt verlor er, verstimmt durch die Kriegszeitungen, den Muth.
Die Seefahrt von Genua nach Barcelona war sehr stürmisch. Im Juni 1651 lief das Schiff im Hafen der katalonischen Haupt- stadt ein. In Madrid stellte er sich zuerst dem Könige vor, der seinem Vergnügen über die Rückkehr und über die neuen Bilder in einem gerade auszufertigenden Brief an D. Luis de Haro Aus- druck gab: "Der Herr Velazquez ist angekommen und hat einige Gemälde mitgebracht". Am 29. November wurde ihm sein Ge- halt als Kammermaler und Inspector des achteckigen Saals für die Jahre der Abwesenheit ausgezahlt.
Neun Jahre stand er nun noch seinem königlichen Gönner zur Seite, in engeren Beziehungen denn je, geehrt, vielbeschäftigt, ge- liebt selbst. Seine letzte dienstliche Arbeit war die Organisation der königlichen Pyrenäenreise zur Vermählung der ältesten Tochter Philipps. Merkwürdiges Zusammentreffen: seine Einführung am Hofe fiel ungefähr zusammen mit der Wiederentfachung des Kriegs; jetzt nachdem er noch Zeuge gewesen war von der Besiegelung des Friedensschlusses mit Frankreich, war sein Leben am Ziele. Während dieser sieben und dreissig Jahre ununterbrochener, erschöpfender Kriege, wachsender Theurung politischer und militärischer Talente, immer bedrohlicher wer- dender Finanznoth, hat er, am Heerde all dieses Unheils, seine Kunst gepflegt; wie ein Baum, der an sturmumtobter Klippe aus Steingerölle emporwächst.
Das letzte Jahrzehnt.
Auch diessmal zog Velazquez den Entschluss zum Aufbruch hin, er ahnte wol, dass es ein Abschied von Italien fürs Leben sein werde. Wiederholt sollen Erinnerungen gekommen sein, zuletzt notificirte der Sekretär, D. Fernando Ruiz de Contreras einen Befehl des Königs. Er dachte eine Zeitlang über Frank- reich zu reisen, hatte sich auch bereits den Pass auf der Gesandt- schaft ausstellen lassen; zuletzt verlor er, verstimmt durch die Kriegszeitungen, den Muth.
Die Seefahrt von Genua nach Barcelona war sehr stürmisch. Im Juni 1651 lief das Schiff im Hafen der katalonischen Haupt- stadt ein. In Madrid stellte er sich zuerst dem Könige vor, der seinem Vergnügen über die Rückkehr und über die neuen Bilder in einem gerade auszufertigenden Brief an D. Luis de Haro Aus- druck gab: „Der Herr Velazquez ist angekommen und hat einige Gemälde mitgebracht“. Am 29. November wurde ihm sein Ge- halt als Kammermaler und Inspector des achteckigen Saals für die Jahre der Abwesenheit ausgezahlt.
Neun Jahre stand er nun noch seinem königlichen Gönner zur Seite, in engeren Beziehungen denn je, geehrt, vielbeschäftigt, ge- liebt selbst. Seine letzte dienstliche Arbeit war die Organisation der königlichen Pyrenäenreise zur Vermählung der ältesten Tochter Philipps. Merkwürdiges Zusammentreffen: seine Einführung am Hofe fiel ungefähr zusammen mit der Wiederentfachung des Kriegs; jetzt nachdem er noch Zeuge gewesen war von der Besiegelung des Friedensschlusses mit Frankreich, war sein Leben am Ziele. Während dieser sieben und dreissig Jahre ununterbrochener, erschöpfender Kriege, wachsender Theurung politischer und militärischer Talente, immer bedrohlicher wer- dender Finanznoth, hat er, am Heerde all dieses Unheils, seine Kunst gepflegt; wie ein Baum, der an sturmumtobter Klippe aus Steingerölle emporwächst.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0233"n="[213]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">Das letzte Jahrzehnt.</hi></head><lb/><p>Auch diessmal zog Velazquez den Entschluss zum Aufbruch<lb/>
hin, er ahnte wol, dass es ein Abschied von Italien fürs Leben<lb/>
sein werde. Wiederholt sollen Erinnerungen gekommen sein,<lb/>
zuletzt notificirte der Sekretär, D. Fernando Ruiz de Contreras<lb/>
einen Befehl des Königs. Er dachte eine Zeitlang über Frank-<lb/>
reich zu reisen, hatte sich auch bereits den Pass auf der Gesandt-<lb/>
schaft ausstellen lassen; zuletzt verlor er, verstimmt durch die<lb/>
Kriegszeitungen, den Muth.</p><lb/><p>Die Seefahrt von Genua nach Barcelona war sehr stürmisch.<lb/>
Im Juni 1651 lief das Schiff im Hafen der katalonischen Haupt-<lb/>
stadt ein. In Madrid stellte er sich zuerst dem Könige vor, der<lb/>
seinem Vergnügen über die Rückkehr und über die neuen Bilder<lb/>
in einem gerade auszufertigenden Brief an D. Luis de Haro Aus-<lb/>
druck gab: „Der Herr Velazquez ist angekommen und hat einige<lb/>
Gemälde mitgebracht“. Am 29. November wurde ihm sein Ge-<lb/>
halt als Kammermaler und Inspector des achteckigen Saals für<lb/>
die Jahre der Abwesenheit ausgezahlt.</p><lb/><p>Neun Jahre stand er nun noch seinem königlichen Gönner zur<lb/>
Seite, in engeren Beziehungen denn je, geehrt, vielbeschäftigt, ge-<lb/>
liebt selbst. Seine letzte dienstliche Arbeit war die Organisation der<lb/>
königlichen Pyrenäenreise zur Vermählung der ältesten Tochter<lb/>
Philipps. Merkwürdiges Zusammentreffen: seine Einführung am<lb/>
Hofe fiel ungefähr zusammen mit der Wiederentfachung des<lb/>
Kriegs; jetzt nachdem er noch Zeuge gewesen war von der<lb/>
Besiegelung des Friedensschlusses mit Frankreich, war sein<lb/>
Leben am Ziele. Während dieser sieben und dreissig Jahre<lb/>
ununterbrochener, erschöpfender Kriege, wachsender Theurung<lb/>
politischer und militärischer Talente, immer bedrohlicher wer-<lb/>
dender Finanznoth, hat er, am Heerde all dieses Unheils, seine<lb/>
Kunst gepflegt; wie ein Baum, der an sturmumtobter Klippe<lb/>
aus Steingerölle emporwächst.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[213]/0233]
Das letzte Jahrzehnt.
Auch diessmal zog Velazquez den Entschluss zum Aufbruch
hin, er ahnte wol, dass es ein Abschied von Italien fürs Leben
sein werde. Wiederholt sollen Erinnerungen gekommen sein,
zuletzt notificirte der Sekretär, D. Fernando Ruiz de Contreras
einen Befehl des Königs. Er dachte eine Zeitlang über Frank-
reich zu reisen, hatte sich auch bereits den Pass auf der Gesandt-
schaft ausstellen lassen; zuletzt verlor er, verstimmt durch die
Kriegszeitungen, den Muth.
Die Seefahrt von Genua nach Barcelona war sehr stürmisch.
Im Juni 1651 lief das Schiff im Hafen der katalonischen Haupt-
stadt ein. In Madrid stellte er sich zuerst dem Könige vor, der
seinem Vergnügen über die Rückkehr und über die neuen Bilder
in einem gerade auszufertigenden Brief an D. Luis de Haro Aus-
druck gab: „Der Herr Velazquez ist angekommen und hat einige
Gemälde mitgebracht“. Am 29. November wurde ihm sein Ge-
halt als Kammermaler und Inspector des achteckigen Saals für
die Jahre der Abwesenheit ausgezahlt.
Neun Jahre stand er nun noch seinem königlichen Gönner zur
Seite, in engeren Beziehungen denn je, geehrt, vielbeschäftigt, ge-
liebt selbst. Seine letzte dienstliche Arbeit war die Organisation der
königlichen Pyrenäenreise zur Vermählung der ältesten Tochter
Philipps. Merkwürdiges Zusammentreffen: seine Einführung am
Hofe fiel ungefähr zusammen mit der Wiederentfachung des
Kriegs; jetzt nachdem er noch Zeuge gewesen war von der
Besiegelung des Friedensschlusses mit Frankreich, war sein
Leben am Ziele. Während dieser sieben und dreissig Jahre
ununterbrochener, erschöpfender Kriege, wachsender Theurung
politischer und militärischer Talente, immer bedrohlicher wer-
dender Finanznoth, hat er, am Heerde all dieses Unheils, seine
Kunst gepflegt; wie ein Baum, der an sturmumtobter Klippe
aus Steingerölle emporwächst.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. [213]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/233>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.