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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Die Memoria.
Bibliophilen von Cadiz ist also dieses Hauptwerk über spanische
Maler und die auch ins Französische übersetzte Biographie des
Velazquez unbekannt geblieben. Die Vergleichung beider Texte
zeigt jetzt in überraschender Weise, wie der schottische Edel-
mann den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Hätte dieser
geistvolle und gelehrte Mann seine Vermuthung weiter ver-
folgt, hätte er den Versuch gemacht, die Bestandtheile der ver-
lorenen Denkschrift in dem Escorialwerk aufzustöbern: er brauchte
bloss die auf jene 41 Gemälde bezüglichen Stellen abzuschreiben,
einige theologische Sätze zu streichen und das Ganze in seine
natürlichste Ordnung zu bringen: so hätte er die Memoria des
Velazquez ungefähr so vor sich gehabt, wie sie nun Sr. de Castro
entdeckt hat. --

Die Arbeit des Malers hat also lediglich dazu gedient, den
Glanz des Namens des Pater de los Santos als Schriftstellers und
Kunstverständigen zu erhöhen, der dann freilich durch die Ent-
deckung des Originals das er abgeschrieben, zu jähem Fall ge-
kommen ist. In jener Zuschrift an die spanische Akademie ist
Don Adolfo mit dem Prior von S. Lorenzo nicht sanft umge-
gangen. Als dieselbe Akademie im Jahre 1729, im zweiten Bande
ihres Diccionario, diesen auf Grund seiner Descripcion unter die
Auktoritäten der Sprache aufnahm, meinte sie (ihm zufolge)
eigentlich den Velazquez. Sie hatte die fünf Blätter (soviel
sind es im Ganzen) unter den 163 der Descripcion von 1682 im
Auge, welche aus seiner Memoria entlehnt waren, ohne dass ihr
der gewaltige Abstand alles übrigen von diesen fünf Blättern
aufgefallen war. "Wo wäre der gelehrte Kenner (wie ein Eng-
länder im Jahre 1746 Santos genannt hatte) geblieben, ohne
Sigüenza und Velazquez!" ruft er aus. Die Akademiker haben
auch sofort jenes von ihren Vorfahren begangene Versehen wie-
der gut gemacht, gleichsam den "Usurpator" von seinem Ehren-
platz heruntergestossen. Die Vorlesung der Memoria versetzte
diese Körperschaft in solche Aufregung, dass sie den Maler sofort
jenen testi di lingua zugesellte, -- "weil man in seiner exakten
und lakonischen Beschreibung und in seinen kritischen Urtheilen
über die Gemälde, Wörter und technische Redewendungen auf
die Kunst bezüglich findet, deren er sich mit Meisterschaft be-
dient hat". Unstreitig ein Beweis, dass bis dahin Keiner von
diesen Unsterblichen die Descripcion des Escorial gelesen hatte;
wie hätten sie sonst durch das Vorgelesene so überrascht wer-
den können? --

Die Memoria.
Bibliophilen von Cadiz ist also dieses Hauptwerk über spanische
Maler und die auch ins Französische übersetzte Biographie des
Velazquez unbekannt geblieben. Die Vergleichung beider Texte
zeigt jetzt in überraschender Weise, wie der schottische Edel-
mann den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Hätte dieser
geistvolle und gelehrte Mann seine Vermuthung weiter ver-
folgt, hätte er den Versuch gemacht, die Bestandtheile der ver-
lorenen Denkschrift in dem Escorialwerk aufzustöbern: er brauchte
bloss die auf jene 41 Gemälde bezüglichen Stellen abzuschreiben,
einige theologische Sätze zu streichen und das Ganze in seine
natürlichste Ordnung zu bringen: so hätte er die Memoria des
Velazquez ungefähr so vor sich gehabt, wie sie nun Sr. de Castro
entdeckt hat. —

Die Arbeit des Malers hat also lediglich dazu gedient, den
Glanz des Namens des Pater de los Santos als Schriftstellers und
Kunstverständigen zu erhöhen, der dann freilich durch die Ent-
deckung des Originals das er abgeschrieben, zu jähem Fall ge-
kommen ist. In jener Zuschrift an die spanische Akademie ist
Don Adolfo mit dem Prior von S. Lorenzo nicht sanft umge-
gangen. Als dieselbe Akademie im Jahre 1729, im zweiten Bande
ihres Diccionario, diesen auf Grund seiner Descripcion unter die
Auktoritäten der Sprache aufnahm, meinte sie (ihm zufolge)
eigentlich den Velazquez. Sie hatte die fünf Blätter (soviel
sind es im Ganzen) unter den 163 der Descripcion von 1682 im
Auge, welche aus seiner Memoria entlehnt waren, ohne dass ihr
der gewaltige Abstand alles übrigen von diesen fünf Blättern
aufgefallen war. „Wo wäre der gelehrte Kenner (wie ein Eng-
länder im Jahre 1746 Santos genannt hatte) geblieben, ohne
Sigüenza und Velazquez!“ ruft er aus. Die Akademiker haben
auch sofort jenes von ihren Vorfahren begangene Versehen wie-
der gut gemacht, gleichsam den „Usurpator“ von seinem Ehren-
platz heruntergestossen. Die Vorlesung der Memoria versetzte
diese Körperschaft in solche Aufregung, dass sie den Maler sofort
jenen testi di lingua zugesellte, — „weil man in seiner exakten
und lakonischen Beschreibung und in seinen kritischen Urtheilen
über die Gemälde, Wörter und technische Redewendungen auf
die Kunst bezüglich findet, deren er sich mit Meisterschaft be-
dient hat“. Unstreitig ein Beweis, dass bis dahin Keiner von
diesen Unsterblichen die Descripcion des Escorial gelesen hatte;
wie hätten sie sonst durch das Vorgelesene so überrascht wer-
den können? —

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[247/0267] Die Memoria. Bibliophilen von Cadiz ist also dieses Hauptwerk über spanische Maler und die auch ins Französische übersetzte Biographie des Velazquez unbekannt geblieben. Die Vergleichung beider Texte zeigt jetzt in überraschender Weise, wie der schottische Edel- mann den Nagel auf den Kopf getroffen hatte. Hätte dieser geistvolle und gelehrte Mann seine Vermuthung weiter ver- folgt, hätte er den Versuch gemacht, die Bestandtheile der ver- lorenen Denkschrift in dem Escorialwerk aufzustöbern: er brauchte bloss die auf jene 41 Gemälde bezüglichen Stellen abzuschreiben, einige theologische Sätze zu streichen und das Ganze in seine natürlichste Ordnung zu bringen: so hätte er die Memoria des Velazquez ungefähr so vor sich gehabt, wie sie nun Sr. de Castro entdeckt hat. — Die Arbeit des Malers hat also lediglich dazu gedient, den Glanz des Namens des Pater de los Santos als Schriftstellers und Kunstverständigen zu erhöhen, der dann freilich durch die Ent- deckung des Originals das er abgeschrieben, zu jähem Fall ge- kommen ist. In jener Zuschrift an die spanische Akademie ist Don Adolfo mit dem Prior von S. Lorenzo nicht sanft umge- gangen. Als dieselbe Akademie im Jahre 1729, im zweiten Bande ihres Diccionario, diesen auf Grund seiner Descripcion unter die Auktoritäten der Sprache aufnahm, meinte sie (ihm zufolge) eigentlich den Velazquez. Sie hatte die fünf Blätter (soviel sind es im Ganzen) unter den 163 der Descripcion von 1682 im Auge, welche aus seiner Memoria entlehnt waren, ohne dass ihr der gewaltige Abstand alles übrigen von diesen fünf Blättern aufgefallen war. „Wo wäre der gelehrte Kenner (wie ein Eng- länder im Jahre 1746 Santos genannt hatte) geblieben, ohne Sigüenza und Velazquez!“ ruft er aus. Die Akademiker haben auch sofort jenes von ihren Vorfahren begangene Versehen wie- der gut gemacht, gleichsam den „Usurpator“ von seinem Ehren- platz heruntergestossen. Die Vorlesung der Memoria versetzte diese Körperschaft in solche Aufregung, dass sie den Maler sofort jenen testi di lingua zugesellte, — „weil man in seiner exakten und lakonischen Beschreibung und in seinen kritischen Urtheilen über die Gemälde, Wörter und technische Redewendungen auf die Kunst bezüglich findet, deren er sich mit Meisterschaft be- dient hat“. Unstreitig ein Beweis, dass bis dahin Keiner von diesen Unsterblichen die Descripcion des Escorial gelesen hatte; wie hätten sie sonst durch das Vorgelesene so überrascht wer- den können? —

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/267>, abgerufen am 24.11.2024.