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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Der dritte Stil.
eine Neigung zur Monochromie habe 1). Auch Wilkie nennt
die Farbe seinen schwachen Punkt 2). Treffender hat man gesagt,
er habe den Reiz eines Koloristen (und das sei sein seltenes
Verdienst) mit der äussersten Nüchternheit der Farbe vereinigt.

Das Richtige, dass der Schwerpunkt seiner Malerei anderswo
liegt, hat Mengs bestimmt ausgesprochen: "Wenn ihm Tizian
überlegen ist im Kolorit, sagt er, so hat er den Venezianer
übertroffen im Verständniss von Licht und Schatten und in der
Luftperspective"3). Raumverhältnisse und Haltung, Rundung und
Modellirung waren ihm unter allen Wechseln des Stils die Haupt-
sache. Deshalb stellt er die Farbe zurück, denn die Farbe
trennt, das Chiaroscuro vereinigt, und wer stets das räumliche
Ganze im Auge hat, muss letzteres zum herrschenden Darstel-
lungsmittel machen.

Ein Blick auf die Reihen der Bilder, die an uns vorüber-
gegangen sind, giebt für diesen Satz hinreichende Belege, -- von
jenen ersten plastisch behandelten Figuren an, mit ihren scharfen
Umrissen, einseitigem Lichteinfall, leerem Grund. In der Folge hat
er die verschiedenartigsten Probleme der Beleuchtung versucht.
Schon von Mengs ist seine Meisterschaft in der Wiedergabe der
"Luft zwischen den Dingen" bemerkt worden. Der berühmte Gas-
par de Jovellanos bezeichnet in seiner kurzen und treffenden Cha-
rakteristik als die zwei Grundpfeiler seiner Kunst: die Ertheilung
jenes eigenthümlich nationalen Wesens (aire), dessen Zauber
kein Auge und Herz widerstehn kann; und die Wirkungen des
Lichts in der Luft und der erleuchteten Luft an den Körpern und
in deren Zwischenräumen 4). In seinen letzten Meisterwerken be-
schäftigen ihn Lichtwirkungen in geschlossnem Raum. Aber die
Beleuchtungsart, welche ihm mehr als irgend etwas die Aufmerk-
samkeit und Achtung der modernen Maler verdient hat, die,
worin er keine Nebenbuhler hat, ist die Darstellung im allver-
breiteten reflektirten Tageslicht mit dem Gegensatz warmer und

1) In den Vies des peintres de toutes les ecoles, Velazquez. Die beste
Charakteristik die mir bekannt ist.
2) He is as fine, in some instances, in colour as Titian; but, to me, this is
his weak point, being most frequently cold, black, and without transparency.
Wilkie, in his Life by Cunningham, Briefe vom 14. Februar 1828 und 29. Okt. 1827.
3) Se Tiziano gli e superiore nel colorito, lo Spagnuolo sorpassa di molto il
Veneziano nell' intelligenza della luce e delle ombre, come anche nella prospettiva
aerea. Opere di Mengs II, 148.
4) Obras de Jovellanos. Barcelona 1839. III, 165.

Der dritte Stil.
eine Neigung zur Monochromie habe 1). Auch Wilkie nennt
die Farbe seinen schwachen Punkt 2). Treffender hat man gesagt,
er habe den Reiz eines Koloristen (und das sei sein seltenes
Verdienst) mit der äussersten Nüchternheit der Farbe vereinigt.

Das Richtige, dass der Schwerpunkt seiner Malerei anderswo
liegt, hat Mengs bestimmt ausgesprochen: „Wenn ihm Tizian
überlegen ist im Kolorit, sagt er, so hat er den Venezianer
übertroffen im Verständniss von Licht und Schatten und in der
Luftperspective“3). Raumverhältnisse und Haltung, Rundung und
Modellirung waren ihm unter allen Wechseln des Stils die Haupt-
sache. Deshalb stellt er die Farbe zurück, denn die Farbe
trennt, das Chiaroscuro vereinigt, und wer stets das räumliche
Ganze im Auge hat, muss letzteres zum herrschenden Darstel-
lungsmittel machen.

Ein Blick auf die Reihen der Bilder, die an uns vorüber-
gegangen sind, giebt für diesen Satz hinreichende Belege, — von
jenen ersten plastisch behandelten Figuren an, mit ihren scharfen
Umrissen, einseitigem Lichteinfall, leerem Grund. In der Folge hat
er die verschiedenartigsten Probleme der Beleuchtung versucht.
Schon von Mengs ist seine Meisterschaft in der Wiedergabe der
„Luft zwischen den Dingen“ bemerkt worden. Der berühmte Gas-
par de Jovellanos bezeichnet in seiner kurzen und treffenden Cha-
rakteristik als die zwei Grundpfeiler seiner Kunst: die Ertheilung
jenes eigenthümlich nationalen Wesens (aire), dessen Zauber
kein Auge und Herz widerstehn kann; und die Wirkungen des
Lichts in der Luft und der erleuchteten Luft an den Körpern und
in deren Zwischenräumen 4). In seinen letzten Meisterwerken be-
schäftigen ihn Lichtwirkungen in geschlossnem Raum. Aber die
Beleuchtungsart, welche ihm mehr als irgend etwas die Aufmerk-
samkeit und Achtung der modernen Maler verdient hat, die,
worin er keine Nebenbuhler hat, ist die Darstellung im allver-
breiteten reflektirten Tageslicht mit dem Gegensatz warmer und

1) In den Vies des peintres de toutes les écoles, Velazquez. Die beste
Charakteristik die mir bekannt ist.
2) He is as fine, in some instances, in colour as Titian; but, to me, this is
his weak point, being most frequently cold, black, and without transparency.
Wilkie, in his Life by Cunningham, Briefe vom 14. Februar 1828 und 29. Okt. 1827.
3) Se Tiziano gli è superiore nel colorito, lo Spagnuolo sorpassa di molto il
Veneziano nell’ intelligenza della luce e delle ombre, come anche nella prospettiva
aerea. Opere di Mengs II, 148.
4) Obras de Jovellanos. Barcelona 1839. III, 165.
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[281/0301] Der dritte Stil. eine Neigung zur Monochromie habe 1). Auch Wilkie nennt die Farbe seinen schwachen Punkt 2). Treffender hat man gesagt, er habe den Reiz eines Koloristen (und das sei sein seltenes Verdienst) mit der äussersten Nüchternheit der Farbe vereinigt. Das Richtige, dass der Schwerpunkt seiner Malerei anderswo liegt, hat Mengs bestimmt ausgesprochen: „Wenn ihm Tizian überlegen ist im Kolorit, sagt er, so hat er den Venezianer übertroffen im Verständniss von Licht und Schatten und in der Luftperspective“ 3). Raumverhältnisse und Haltung, Rundung und Modellirung waren ihm unter allen Wechseln des Stils die Haupt- sache. Deshalb stellt er die Farbe zurück, denn die Farbe trennt, das Chiaroscuro vereinigt, und wer stets das räumliche Ganze im Auge hat, muss letzteres zum herrschenden Darstel- lungsmittel machen. Ein Blick auf die Reihen der Bilder, die an uns vorüber- gegangen sind, giebt für diesen Satz hinreichende Belege, — von jenen ersten plastisch behandelten Figuren an, mit ihren scharfen Umrissen, einseitigem Lichteinfall, leerem Grund. In der Folge hat er die verschiedenartigsten Probleme der Beleuchtung versucht. Schon von Mengs ist seine Meisterschaft in der Wiedergabe der „Luft zwischen den Dingen“ bemerkt worden. Der berühmte Gas- par de Jovellanos bezeichnet in seiner kurzen und treffenden Cha- rakteristik als die zwei Grundpfeiler seiner Kunst: die Ertheilung jenes eigenthümlich nationalen Wesens (aire), dessen Zauber kein Auge und Herz widerstehn kann; und die Wirkungen des Lichts in der Luft und der erleuchteten Luft an den Körpern und in deren Zwischenräumen 4). In seinen letzten Meisterwerken be- schäftigen ihn Lichtwirkungen in geschlossnem Raum. Aber die Beleuchtungsart, welche ihm mehr als irgend etwas die Aufmerk- samkeit und Achtung der modernen Maler verdient hat, die, worin er keine Nebenbuhler hat, ist die Darstellung im allver- breiteten reflektirten Tageslicht mit dem Gegensatz warmer und 1) In den Vies des peintres de toutes les écoles, Velazquez. Die beste Charakteristik die mir bekannt ist. 2) He is as fine, in some instances, in colour as Titian; but, to me, this is his weak point, being most frequently cold, black, and without transparency. Wilkie, in his Life by Cunningham, Briefe vom 14. Februar 1828 und 29. Okt. 1827. 3) Se Tiziano gli è superiore nel colorito, lo Spagnuolo sorpassa di molto il Veneziano nell’ intelligenza della luce e delle ombre, come anche nella prospettiva aerea. Opere di Mengs II, 148. 4) Obras de Jovellanos. Barcelona 1839. III, 165.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/301>, abgerufen am 22.11.2024.