Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch.
besetzt; breiter fallender Spitzenkragen; kreuzweise rothe Busen-
schleife mit der üblichen Riesenperle. Nach den ausgeprägten
und klugen Zügen ist sie älter, als man nach der kleinen Statur
annehmen würde.

Unverkennbar ist die Aehnlichkeit mit ihrer Mutter Isabella
von Bourbon, bis auf den Zug der unten etwas aufgetrie-
benen Wange. Sie hat auch deren Haarputz. Das starke
runde Kinn, der kleine aber energisch modellirte Mund, der
Blick sprechen von Charakter. -- Obwol Maria Theresia später,
schon durch die ungleich gefälligere französische Tracht und
Frisur sehr verschieden aussieht, so ist doch dies Kindergesicht
auch in Mignards Gemälden noch wiedererkennbar.

Das Bild stimmt auch mit den Beschreibungen, die Mad.
de Motteville und ihr Bruder während der Begegnung in Madrid
(1659) und am Fuss der Pyrenäen (1660) entworfen haben. "Ihre
Stirn war gross und das silberblonde Haar frei lassend, die nicht
grossen blauen Augen bezauberten durch Glanz und Sanftmuth;
die Wange war nach unten etwas dick; der Teint von glänzender
Weisse; der Mund schön und roth". Man würde sie nach dem
Morny'schen Bild kaum schön nennen; aber die Französin fand,
dass sie weit hübscher sei als alle Porträts, die man nach Frank-
reich geschickt hatte.

Erst im Jahre 1659, als Marianne von Oesterreich inzwischen
Spanien zwei Prinzen geschenkt hatte, hat Mazarin die Verwirk-
lichung seines vierzehn Jahre lang verfolgten Projekts erlebt,
Dank dem Geschick des spanischen Gesandten Antonio Pimentel.
Die feierliche Brautwerbung wurde dem Marschall von Gram-
mont aufgetragen. Sein ritterlich glänzender Einzug in Madrid
am 16. Oktober, wo er, "als Courier eines jungen, galanten, ver-
liebten Königs", den Weg vom Alcalathor bis zum Alcazar mit
seinem grossen Gefolge im Galopp zurücklegte, war in hohem
Grad nach dem Geschmack der Spanier. Philipp IV empfing
ihn im "Spiegelsaal", stehend vor einem Thron "von unschätz-
barem Werth"; der Saal war für die Ceremonie von Velazquez
in Stand gesetzt worden. Dem Franzosen fiel das gewaltige
Reiterbild Carl V von Tizian auf, das über dem Thron hing,
"so natürlich, schreibt der Sohn des Marschalls, dass man glaubte,
Mann und Pferd lebten".

Philipp befahl Velazquez, dem Gesandten und seinen Söh-
nen den Palast zu zeigen, was am 20. Oktober geschah (Palo-
mino III, 348); auch die Paläste des Admirals von Castilien, des

Siebentes Buch.
besetzt; breiter fallender Spitzenkragen; kreuzweise rothe Busen-
schleife mit der üblichen Riesenperle. Nach den ausgeprägten
und klugen Zügen ist sie älter, als man nach der kleinen Statur
annehmen würde.

Unverkennbar ist die Aehnlichkeit mit ihrer Mutter Isabella
von Bourbon, bis auf den Zug der unten etwas aufgetrie-
benen Wange. Sie hat auch deren Haarputz. Das starke
runde Kinn, der kleine aber energisch modellirte Mund, der
Blick sprechen von Charakter. — Obwol Maria Theresia später,
schon durch die ungleich gefälligere französische Tracht und
Frisur sehr verschieden aussieht, so ist doch dies Kindergesicht
auch in Mignards Gemälden noch wiedererkennbar.

Das Bild stimmt auch mit den Beschreibungen, die Mad.
de Motteville und ihr Bruder während der Begegnung in Madrid
(1659) und am Fuss der Pyrenäen (1660) entworfen haben. „Ihre
Stirn war gross und das silberblonde Haar frei lassend, die nicht
grossen blauen Augen bezauberten durch Glanz und Sanftmuth;
die Wange war nach unten etwas dick; der Teint von glänzender
Weisse; der Mund schön und roth“. Man würde sie nach dem
Morny’schen Bild kaum schön nennen; aber die Französin fand,
dass sie weit hübscher sei als alle Porträts, die man nach Frank-
reich geschickt hatte.

Erst im Jahre 1659, als Marianne von Oesterreich inzwischen
Spanien zwei Prinzen geschenkt hatte, hat Mazarin die Verwirk-
lichung seines vierzehn Jahre lang verfolgten Projekts erlebt,
Dank dem Geschick des spanischen Gesandten Antonio Pimentel.
Die feierliche Brautwerbung wurde dem Marschall von Gram-
mont aufgetragen. Sein ritterlich glänzender Einzug in Madrid
am 16. Oktober, wo er, „als Courier eines jungen, galanten, ver-
liebten Königs“, den Weg vom Alcaláthor bis zum Alcazar mit
seinem grossen Gefolge im Galopp zurücklegte, war in hohem
Grad nach dem Geschmack der Spanier. Philipp IV empfing
ihn im „Spiegelsaal“, stehend vor einem Thron „von unschätz-
barem Werth“; der Saal war für die Ceremonie von Velazquez
in Stand gesetzt worden. Dem Franzosen fiel das gewaltige
Reiterbild Carl V von Tizian auf, das über dem Thron hing,
„so natürlich, schreibt der Sohn des Marschalls, dass man glaubte,
Mann und Pferd lebten“.

Philipp befahl Velazquez, dem Gesandten und seinen Söh-
nen den Palast zu zeigen, was am 20. Oktober geschah (Palo-
mino III, 348); auch die Paläste des Admirals von Castilien, des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0320" n="300"/><fw place="top" type="header">Siebentes Buch.</fw><lb/>
besetzt; breiter fallender Spitzenkragen; kreuzweise rothe Busen-<lb/>
schleife mit der üblichen Riesenperle. Nach den ausgeprägten<lb/>
und klugen Zügen ist sie älter, als man nach der kleinen Statur<lb/>
annehmen würde.</p><lb/>
            <p>Unverkennbar ist die Aehnlichkeit mit ihrer Mutter Isabella<lb/>
von Bourbon, bis auf den Zug der unten etwas aufgetrie-<lb/>
benen Wange. Sie hat auch deren Haarputz. Das starke<lb/>
runde Kinn, der kleine aber energisch modellirte Mund, der<lb/>
Blick sprechen von Charakter. &#x2014; Obwol Maria Theresia später,<lb/>
schon durch die ungleich gefälligere französische Tracht und<lb/>
Frisur sehr verschieden aussieht, so ist doch dies Kindergesicht<lb/>
auch in Mignards Gemälden noch wiedererkennbar.</p><lb/>
            <p>Das Bild stimmt auch mit den Beschreibungen, die Mad.<lb/>
de Motteville und ihr Bruder während der Begegnung in Madrid<lb/>
(1659) und am Fuss der Pyrenäen (1660) entworfen haben. &#x201E;Ihre<lb/>
Stirn war gross und das silberblonde Haar frei lassend, die nicht<lb/>
grossen blauen Augen bezauberten durch Glanz und Sanftmuth;<lb/>
die Wange war nach unten etwas dick; der Teint von glänzender<lb/>
Weisse; der Mund schön und roth&#x201C;. Man würde sie nach dem<lb/>
Morny&#x2019;schen Bild kaum schön nennen; aber die Französin fand,<lb/>
dass sie weit hübscher sei als alle Porträts, die man nach Frank-<lb/>
reich geschickt hatte.</p><lb/>
            <p>Erst im Jahre 1659, als Marianne von Oesterreich inzwischen<lb/>
Spanien zwei Prinzen geschenkt hatte, hat Mazarin die Verwirk-<lb/>
lichung seines vierzehn Jahre lang verfolgten Projekts erlebt,<lb/>
Dank dem Geschick des spanischen Gesandten Antonio Pimentel.<lb/>
Die feierliche Brautwerbung wurde dem Marschall von Gram-<lb/>
mont aufgetragen. Sein ritterlich glänzender Einzug in Madrid<lb/>
am 16. Oktober, wo er, &#x201E;als Courier eines jungen, galanten, ver-<lb/>
liebten Königs&#x201C;, den Weg vom Alcaláthor bis zum Alcazar mit<lb/>
seinem grossen Gefolge im Galopp zurücklegte, war in hohem<lb/>
Grad nach dem Geschmack der Spanier. Philipp IV empfing<lb/>
ihn im &#x201E;Spiegelsaal&#x201C;, stehend vor einem Thron &#x201E;von unschätz-<lb/>
barem Werth&#x201C;; der Saal war für die Ceremonie von Velazquez<lb/>
in Stand gesetzt worden. Dem Franzosen fiel das gewaltige<lb/>
Reiterbild Carl V von Tizian auf, das über dem Thron hing,<lb/>
&#x201E;so natürlich, schreibt der Sohn des Marschalls, dass man glaubte,<lb/>
Mann und Pferd lebten&#x201C;.</p><lb/>
            <p>Philipp befahl Velazquez, dem Gesandten und seinen Söh-<lb/>
nen den Palast zu zeigen, was am 20. Oktober geschah (Palo-<lb/>
mino III, 348); auch die Paläste des Admirals von Castilien, des<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0320] Siebentes Buch. besetzt; breiter fallender Spitzenkragen; kreuzweise rothe Busen- schleife mit der üblichen Riesenperle. Nach den ausgeprägten und klugen Zügen ist sie älter, als man nach der kleinen Statur annehmen würde. Unverkennbar ist die Aehnlichkeit mit ihrer Mutter Isabella von Bourbon, bis auf den Zug der unten etwas aufgetrie- benen Wange. Sie hat auch deren Haarputz. Das starke runde Kinn, der kleine aber energisch modellirte Mund, der Blick sprechen von Charakter. — Obwol Maria Theresia später, schon durch die ungleich gefälligere französische Tracht und Frisur sehr verschieden aussieht, so ist doch dies Kindergesicht auch in Mignards Gemälden noch wiedererkennbar. Das Bild stimmt auch mit den Beschreibungen, die Mad. de Motteville und ihr Bruder während der Begegnung in Madrid (1659) und am Fuss der Pyrenäen (1660) entworfen haben. „Ihre Stirn war gross und das silberblonde Haar frei lassend, die nicht grossen blauen Augen bezauberten durch Glanz und Sanftmuth; die Wange war nach unten etwas dick; der Teint von glänzender Weisse; der Mund schön und roth“. Man würde sie nach dem Morny’schen Bild kaum schön nennen; aber die Französin fand, dass sie weit hübscher sei als alle Porträts, die man nach Frank- reich geschickt hatte. Erst im Jahre 1659, als Marianne von Oesterreich inzwischen Spanien zwei Prinzen geschenkt hatte, hat Mazarin die Verwirk- lichung seines vierzehn Jahre lang verfolgten Projekts erlebt, Dank dem Geschick des spanischen Gesandten Antonio Pimentel. Die feierliche Brautwerbung wurde dem Marschall von Gram- mont aufgetragen. Sein ritterlich glänzender Einzug in Madrid am 16. Oktober, wo er, „als Courier eines jungen, galanten, ver- liebten Königs“, den Weg vom Alcaláthor bis zum Alcazar mit seinem grossen Gefolge im Galopp zurücklegte, war in hohem Grad nach dem Geschmack der Spanier. Philipp IV empfing ihn im „Spiegelsaal“, stehend vor einem Thron „von unschätz- barem Werth“; der Saal war für die Ceremonie von Velazquez in Stand gesetzt worden. Dem Franzosen fiel das gewaltige Reiterbild Carl V von Tizian auf, das über dem Thron hing, „so natürlich, schreibt der Sohn des Marschalls, dass man glaubte, Mann und Pferd lebten“. Philipp befahl Velazquez, dem Gesandten und seinen Söh- nen den Palast zu zeigen, was am 20. Oktober geschah (Palo- mino III, 348); auch die Paläste des Admirals von Castilien, des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/320
Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/320>, abgerufen am 22.11.2024.