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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
gegen die fremde Succession. Das andre eine Hindeutung auf
das in Gestalt eines rasch zur Braut emporblühenden Kindes in
wenigen Jahren wiederkehrende österreichische Heirathsglück.

In diesem Prosper war in der That, nach elf Jahren, der
ersehnte, von Eltern und Nation mit den kräftigsten Gründen den
Heiligen Spaniens ans Herz gelegte Thronerbe wieder da.
Grammont sah ihn im Oktober 1660 und nennt ihn schön; neben
ihm zeigte man noch ein zehnmonatliches Brüderchen, Ferdinand
Thomas (geboren am 21. December 1658); dieses sah aber so fahl
aus: "dass es wohl nicht lange anstehn wird, bis es der andern
Welt angehört". Wirklich starb es wenige Tage darauf (den 23.
Oktober). Auch Prosper war ein ängstliches Kind, fallsüchtig,
Quirini beschreibt es als "von zärtlicher Komplexion, träg in der
Bewegung, farblos in österreichischer Weise, mit offnem Mund,
blauen Augen und grossem Kopf, aber wenig Kraft in den Knien,
um nicht zu sagen ein Schwächling." Es wollte nur von dem
vierundsiebenzigjährigen Franciskaner Antonio de Castilla ge-
tragen werden, was nicht ungefährlich war. "Aber Ihre Majestä-
ten, die mit unvergleichlichem Eifer und Ehrerbietung das heilige
Kleid verehren, ertragen diesen Unfug mit merkwürdiger Nach-
sicht" 1).

Das Bild befand sich fast ein Jahrhundert lang auf der kaiser-
lichen Burg zu Gratz, in der Schatz- und Kunstkammer, von
wo es 1765 nach Wien gebracht wurde 2); im Belvedere hiess es
früher Maria Theresia. Stirling erkannte zuerst die Ueberein-
stimmung mit der Beschreibung Palomino's (S. 349): der Hut mit
der weissen Feder auf dem Kissen des Tabourets, der rothe
Kindersessel mit dem Hündchen 3); die durch Thür und Fenster
sich öffnende Wand.

1) Relazioni degli ambasc. Veneti; Spagna. Quirini vom Jahre 1661.
2) C. v. Lützow in der Belvedere Galerie, mit Radirung von W. Unger.
E. von Engerth, beschreibendes Verzeichniss etc. S. 442.
3) Die kleine Hündin soll ein Lieblingsthierchen des Malers gewesen sein
(Palomino 349), der mit diesen Damenspielzeugen ebenso viel Glück hatte wie mit
den Helden der Jagdreviere. Cean Bermudez sah in Buen Retiro "einen Hund
auf einem Kissen", den man wiedererkennen könnte in dem drolligen Bologneser
der Raczynski Galerie (Nr. 16). Diesen hatte D. Francisco d'Assis dem Grafen,
der irgend eine Vertretung des Velazquez für seine Galerie wünschte, nebst jenem
Kopf der Blinden, zum Geschenk gemacht. Hinter dem Hündchen funkeln in der
Dämmerung die grünen Auge einer Katze. Diess meisterhaft mit reliefartiger Farbe
gemalte Bildchen ist indess von jenen Thieren auf königlichen Sesseln abweichend

Siebentes Buch.
gegen die fremde Succession. Das andre eine Hindeutung auf
das in Gestalt eines rasch zur Braut emporblühenden Kindes in
wenigen Jahren wiederkehrende österreichische Heirathsglück.

In diesem Prosper war in der That, nach elf Jahren, der
ersehnte, von Eltern und Nation mit den kräftigsten Gründen den
Heiligen Spaniens ans Herz gelegte Thronerbe wieder da.
Grammont sah ihn im Oktober 1660 und nennt ihn schön; neben
ihm zeigte man noch ein zehnmonatliches Brüderchen, Ferdinand
Thomas (geboren am 21. December 1658); dieses sah aber so fahl
aus: „dass es wohl nicht lange anstehn wird, bis es der andern
Welt angehört“. Wirklich starb es wenige Tage darauf (den 23.
Oktober). Auch Prosper war ein ängstliches Kind, fallsüchtig,
Quirini beschreibt es als „von zärtlicher Komplexion, träg in der
Bewegung, farblos in österreichischer Weise, mit offnem Mund,
blauen Augen und grossem Kopf, aber wenig Kraft in den Knien,
um nicht zu sagen ein Schwächling.“ Es wollte nur von dem
vierundsiebenzigjährigen Franciskaner Antonio de Castilla ge-
tragen werden, was nicht ungefährlich war. „Aber Ihre Majestä-
ten, die mit unvergleichlichem Eifer und Ehrerbietung das heilige
Kleid verehren, ertragen diesen Unfug mit merkwürdiger Nach-
sicht“ 1).

Das Bild befand sich fast ein Jahrhundert lang auf der kaiser-
lichen Burg zu Gratz, in der Schatz- und Kunstkammer, von
wo es 1765 nach Wien gebracht wurde 2); im Belvedere hiess es
früher Maria Theresia. Stirling erkannte zuerst die Ueberein-
stimmung mit der Beschreibung Palomino’s (S. 349): der Hut mit
der weissen Feder auf dem Kissen des Tabourets, der rothe
Kindersessel mit dem Hündchen 3); die durch Thür und Fenster
sich öffnende Wand.

1) Relazioni degli ambasc. Veneti; Spagna. Quirini vom Jahre 1661.
2) C. v. Lützow in der Belvedere Galerie, mit Radirung von W. Unger.
E. von Engerth, beschreibendes Verzeichniss etc. S. 442.
3) Die kleine Hündin soll ein Lieblingsthierchen des Malers gewesen sein
(Palomino 349), der mit diesen Damenspielzeugen ebenso viel Glück hatte wie mit
den Helden der Jagdreviere. Cean Bermudez sah in Buen Retiro „einen Hund
auf einem Kissen“, den man wiedererkennen könnte in dem drolligen Bologneser
der Raczynski Galerie (Nr. 16). Diesen hatte D. Francisco d’Assis dem Grafen,
der irgend eine Vertretung des Velazquez für seine Galerie wünschte, nebst jenem
Kopf der Blinden, zum Geschenk gemacht. Hinter dem Hündchen funkeln in der
Dämmerung die grünen Auge einer Katze. Diess meisterhaft mit reliefartiger Farbe
gemalte Bildchen ist indess von jenen Thieren auf königlichen Sesseln abweichend
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[308/0328] Siebentes Buch. gegen die fremde Succession. Das andre eine Hindeutung auf das in Gestalt eines rasch zur Braut emporblühenden Kindes in wenigen Jahren wiederkehrende österreichische Heirathsglück. In diesem Prosper war in der That, nach elf Jahren, der ersehnte, von Eltern und Nation mit den kräftigsten Gründen den Heiligen Spaniens ans Herz gelegte Thronerbe wieder da. Grammont sah ihn im Oktober 1660 und nennt ihn schön; neben ihm zeigte man noch ein zehnmonatliches Brüderchen, Ferdinand Thomas (geboren am 21. December 1658); dieses sah aber so fahl aus: „dass es wohl nicht lange anstehn wird, bis es der andern Welt angehört“. Wirklich starb es wenige Tage darauf (den 23. Oktober). Auch Prosper war ein ängstliches Kind, fallsüchtig, Quirini beschreibt es als „von zärtlicher Komplexion, träg in der Bewegung, farblos in österreichischer Weise, mit offnem Mund, blauen Augen und grossem Kopf, aber wenig Kraft in den Knien, um nicht zu sagen ein Schwächling.“ Es wollte nur von dem vierundsiebenzigjährigen Franciskaner Antonio de Castilla ge- tragen werden, was nicht ungefährlich war. „Aber Ihre Majestä- ten, die mit unvergleichlichem Eifer und Ehrerbietung das heilige Kleid verehren, ertragen diesen Unfug mit merkwürdiger Nach- sicht“ 1). Das Bild befand sich fast ein Jahrhundert lang auf der kaiser- lichen Burg zu Gratz, in der Schatz- und Kunstkammer, von wo es 1765 nach Wien gebracht wurde 2); im Belvedere hiess es früher Maria Theresia. Stirling erkannte zuerst die Ueberein- stimmung mit der Beschreibung Palomino’s (S. 349): der Hut mit der weissen Feder auf dem Kissen des Tabourets, der rothe Kindersessel mit dem Hündchen 3); die durch Thür und Fenster sich öffnende Wand. 1) Relazioni degli ambasc. Veneti; Spagna. Quirini vom Jahre 1661. 2) C. v. Lützow in der Belvedere Galerie, mit Radirung von W. Unger. E. von Engerth, beschreibendes Verzeichniss etc. S. 442. 3) Die kleine Hündin soll ein Lieblingsthierchen des Malers gewesen sein (Palomino 349), der mit diesen Damenspielzeugen ebenso viel Glück hatte wie mit den Helden der Jagdreviere. Cean Bermudez sah in Buen Retiro „einen Hund auf einem Kissen“, den man wiedererkennen könnte in dem drolligen Bologneser der Raczynski Galerie (Nr. 16). Diesen hatte D. Francisco d’Assis dem Grafen, der irgend eine Vertretung des Velazquez für seine Galerie wünschte, nebst jenem Kopf der Blinden, zum Geschenk gemacht. Hinter dem Hündchen funkeln in der Dämmerung die grünen Auge einer Katze. Diess meisterhaft mit reliefartiger Farbe gemalte Bildchen ist indess von jenen Thieren auf königlichen Sesseln abweichend

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/328>, abgerufen am 22.11.2024.