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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.

Dieser leicht sich einprägende Kopf vergegenwärtigt also
den Fürsten zu der Zeit, wo er mit Frankreich Frieden schloss,
ehe er die so demüthigend fehlschlagenden Versuche machte, Por-
tugal wiederzugewinnen. In dieser letzten dunkelsten Zeit seiner
Regierung schien das Unglück die menschlichen Seiten seines
Wesens hervorzuziehen, die ursprüngliche Güte und Harmlosig-
keit seines Charakters. Nach dem Tode seines einzigen Sohnes
hatte er sich vorgenommen, der Vater seiner Völker zu sein;
die Hoffnung noch einen Erben zu bekommen, machte ihn zum
guten Gatten; Madame de Motteville fand, er habe "eine Phy-
siognomie voll Güte". Als er nach 35jähriger Trennung seine
Schwester Anna wiedersah, und der langen Kriege gedacht
wurde, rief er, Ay Sennora, es el diablo que lo ha hecho. Er weinte
bittere Thränen beim Abschied von Maria Theresia und Louis,
"als er beide Kinder an seinem Halse hängen sah."

Das Gesicht ist kräftiger, fetter geworden, aber die Züge
sind zugleich stark durchgearbeitet, man sieht wol Ernst und
Resignation, aber noch nicht Verfall und Krankheit. Die weichen
blonden Locken fallen noch ungebleicht bis auf die golilla herab.
Diese langen Haare, die sich unter Carl II weit und schlicht bis
über die Schultern ausbreiten, kamen im fünften Jahrzehnt auf;
in einer Pragmatik vom Jahr 1646 verbot der König noch, in
seiner Gegenwart mit langen Haaren zu erscheinen. Der statt-
liche Schnurrbart vollendet das Ansehn eines alten Kapitäns, in
dessen Gesicht die Strapazen eines langen Dienstes eingeschrie-
ben stehn, der aber noch dicht hält und "im Geschirr sterben
will". Das mächtige Kinn kommt jetzt erst recht zur Geltung.
Ja man kann sagen, dass er nie so gut ausgesehn hat; wie denn
auch das breit und pastos gemalte Bild überall viel studirt und
kopirt wird. Die Gravität erscheint natürlicher als früher.
Nur die helle weisse Hautfarbe giebt dem Gemälde etwas wei-
ches. So sehr sich der vor einem Menschenalter von Velazquez
gemalte schmale, harte Kopf des Jünglings verändert hat, einige
Grundzüge, der Blick, die Haltung, auch die Frisur der Stirn
sind geblieben, unveränderlich durch den Wechsel der Jahre
und Schicksale.

Der Kopf ist von Carrenno kopirt worden (Academie von
S. Fernando); auch die Exemplare im Louvre (Galerie La Caze),
in der Ermitage, in Bath House, bei Lord Clarendon sind Ko-
pien. Der Kopf in der Galerie von Turin ist verfallener. Auch
der Kopf des Reiterbildes in den Uffizien ist nicht viel früher.

Siebentes Buch.

Dieser leicht sich einprägende Kopf vergegenwärtigt also
den Fürsten zu der Zeit, wo er mit Frankreich Frieden schloss,
ehe er die so demüthigend fehlschlagenden Versuche machte, Por-
tugal wiederzugewinnen. In dieser letzten dunkelsten Zeit seiner
Regierung schien das Unglück die menschlichen Seiten seines
Wesens hervorzuziehen, die ursprüngliche Güte und Harmlosig-
keit seines Charakters. Nach dem Tode seines einzigen Sohnes
hatte er sich vorgenommen, der Vater seiner Völker zu sein;
die Hoffnung noch einen Erben zu bekommen, machte ihn zum
guten Gatten; Madame de Motteville fand, er habe „eine Phy-
siognomie voll Güte“. Als er nach 35jähriger Trennung seine
Schwester Anna wiedersah, und der langen Kriege gedacht
wurde, rief er, Ay Señora, es el diablo que lo ha hecho. Er weinte
bittere Thränen beim Abschied von Maria Theresia und Louis,
„als er beide Kinder an seinem Halse hängen sah.“

Das Gesicht ist kräftiger, fetter geworden, aber die Züge
sind zugleich stark durchgearbeitet, man sieht wol Ernst und
Resignation, aber noch nicht Verfall und Krankheit. Die weichen
blonden Locken fallen noch ungebleicht bis auf die golilla herab.
Diese langen Haare, die sich unter Carl II weit und schlicht bis
über die Schultern ausbreiten, kamen im fünften Jahrzehnt auf;
in einer Pragmatik vom Jahr 1646 verbot der König noch, in
seiner Gegenwart mit langen Haaren zu erscheinen. Der statt-
liche Schnurrbart vollendet das Ansehn eines alten Kapitäns, in
dessen Gesicht die Strapazen eines langen Dienstes eingeschrie-
ben stehn, der aber noch dicht hält und „im Geschirr sterben
will“. Das mächtige Kinn kommt jetzt erst recht zur Geltung.
Ja man kann sagen, dass er nie so gut ausgesehn hat; wie denn
auch das breit und pastos gemalte Bild überall viel studirt und
kopirt wird. Die Gravität erscheint natürlicher als früher.
Nur die helle weisse Hautfarbe giebt dem Gemälde etwas wei-
ches. So sehr sich der vor einem Menschenalter von Velazquez
gemalte schmale, harte Kopf des Jünglings verändert hat, einige
Grundzüge, der Blick, die Haltung, auch die Frisur der Stirn
sind geblieben, unveränderlich durch den Wechsel der Jahre
und Schicksale.

Der Kopf ist von Carreño kopirt worden (Academie von
S. Fernando); auch die Exemplare im Louvre (Galerie La Caze),
in der Ermitage, in Bath House, bei Lord Clarendon sind Ko-
pien. Der Kopf in der Galerie von Turin ist verfallener. Auch
der Kopf des Reiterbildes in den Uffizien ist nicht viel früher.

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[310/0330] Siebentes Buch. Dieser leicht sich einprägende Kopf vergegenwärtigt also den Fürsten zu der Zeit, wo er mit Frankreich Frieden schloss, ehe er die so demüthigend fehlschlagenden Versuche machte, Por- tugal wiederzugewinnen. In dieser letzten dunkelsten Zeit seiner Regierung schien das Unglück die menschlichen Seiten seines Wesens hervorzuziehen, die ursprüngliche Güte und Harmlosig- keit seines Charakters. Nach dem Tode seines einzigen Sohnes hatte er sich vorgenommen, der Vater seiner Völker zu sein; die Hoffnung noch einen Erben zu bekommen, machte ihn zum guten Gatten; Madame de Motteville fand, er habe „eine Phy- siognomie voll Güte“. Als er nach 35jähriger Trennung seine Schwester Anna wiedersah, und der langen Kriege gedacht wurde, rief er, Ay Señora, es el diablo que lo ha hecho. Er weinte bittere Thränen beim Abschied von Maria Theresia und Louis, „als er beide Kinder an seinem Halse hängen sah.“ Das Gesicht ist kräftiger, fetter geworden, aber die Züge sind zugleich stark durchgearbeitet, man sieht wol Ernst und Resignation, aber noch nicht Verfall und Krankheit. Die weichen blonden Locken fallen noch ungebleicht bis auf die golilla herab. Diese langen Haare, die sich unter Carl II weit und schlicht bis über die Schultern ausbreiten, kamen im fünften Jahrzehnt auf; in einer Pragmatik vom Jahr 1646 verbot der König noch, in seiner Gegenwart mit langen Haaren zu erscheinen. Der statt- liche Schnurrbart vollendet das Ansehn eines alten Kapitäns, in dessen Gesicht die Strapazen eines langen Dienstes eingeschrie- ben stehn, der aber noch dicht hält und „im Geschirr sterben will“. Das mächtige Kinn kommt jetzt erst recht zur Geltung. Ja man kann sagen, dass er nie so gut ausgesehn hat; wie denn auch das breit und pastos gemalte Bild überall viel studirt und kopirt wird. Die Gravität erscheint natürlicher als früher. Nur die helle weisse Hautfarbe giebt dem Gemälde etwas wei- ches. So sehr sich der vor einem Menschenalter von Velazquez gemalte schmale, harte Kopf des Jünglings verändert hat, einige Grundzüge, der Blick, die Haltung, auch die Frisur der Stirn sind geblieben, unveränderlich durch den Wechsel der Jahre und Schicksale. Der Kopf ist von Carreño kopirt worden (Academie von S. Fernando); auch die Exemplare im Louvre (Galerie La Caze), in der Ermitage, in Bath House, bei Lord Clarendon sind Ko- pien. Der Kopf in der Galerie von Turin ist verfallener. Auch der Kopf des Reiterbildes in den Uffizien ist nicht viel früher.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/330>, abgerufen am 22.11.2024.