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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.

Alle sonst vorhandenen Bildnisse, mit Ausnahme des kapito-
linischen Brustbilds, in welchen ich das aus Pacheco bekannte
Gemälde von 1630 vermuthete (B. I 295), zeigen ihn ebenfalls in
vorgerückten Jahren, aber mit ganz andrer Stellung des Kopfs
und Wendung des Auges. Von jenem Jugendporträt unterschei-
den sie sich, bei Aehnlichkeit der bleibenden Formen von Stirn,
Nase, Kinn und Mund, durch stärkere Ausprägung der Züge
und durch den Blick. Dort ist er offen, fast träumerisch, echt
künstlerisch, hier mehr verschleiert. Nach dem einen möchte
man sich ihn vorstellen als Mann des ersten Eindrucks und An-
triebs, bei dem Liebe und Hass rasch hervortritt, nach dem andern
als verschlossenen, schweigsamen Beobachter. So sah der Jüng-
ling in das vor seinem Malerauge sich ausbreitende alterthüm-
lich-künstlerische Schauspiel des ewigen Rom: so schritt der
alternde Mann mit den Abzeichen seines Rangs und Amts durch
die Gemächer des Alcazar von Madrid, Befehle ertheilend und
empfangend.

Von den übrigen Bildnissen sind die bekanntesten und oft
graphisch wiedergegebenen die beiden in dem Malersaal der Uffi-
zien. Nach dem Ordensmedaillon von Santiago (1658) auf dem
einen, können sie erst in seinen letzten Jahren, vielleicht erst nach
seinem Tode gemacht sein. Dieses, fast Kniestück (Nr. 217)
zeigt die elegante Figur des Maler Cavaliers. Die Haare, eben-
falls in der Mitte gescheitelt, statt wie im Familienbild die vier-
eckige Stirn freizulassen, sind tief und schräg darüber gestrichen,
wodurch das Oval des Dreiviertelkopfes schmaler erscheint.
Der ernste, stolze Blick, fast leidend, ist zurück nach dem Be-
trachter gewandt. Nichts von Attributen des Metiers ist darin,
kein Malergeräth, nicht einmal der Malerblick. Vielleicht dachte
er wie Congreve, der von der Welt nur als gentleman, nicht als
Poet angesehen sein wollte. Diess bleiche Antlitz ist wie die
ganze Figur jetzt durch den Firniss mit einem weichen dunkel-
gelben Schleier bedeckt. Hinter der mit dem Rücken an die
Seite gestemmten Rechten ragt der Schlüssel der Furriera her-
vor, die Linke berührt den Hut auf dem Tisch, am Elnbogen
zeichnet sich das Degengefäss ab. Die Hände stecken in langen
Lederhandschuhen 1). Die Malweise steht dem Meister nahe.

1) Alle diese Details kann man jetzt nur mit Hülfe früherer Stiche entziffern.
Der klarste, vollständigste ist der nach der Zeichnung des Bonav. Salesa von
Cecchini, im Auftrag zweier jungen Spanier, Franc. Argaiz und Juan Despuig ge-
Siebentes Buch.

Alle sonst vorhandenen Bildnisse, mit Ausnahme des kapito-
linischen Brustbilds, in welchen ich das aus Pacheco bekannte
Gemälde von 1630 vermuthete (B. I 295), zeigen ihn ebenfalls in
vorgerückten Jahren, aber mit ganz andrer Stellung des Kopfs
und Wendung des Auges. Von jenem Jugendporträt unterschei-
den sie sich, bei Aehnlichkeit der bleibenden Formen von Stirn,
Nase, Kinn und Mund, durch stärkere Ausprägung der Züge
und durch den Blick. Dort ist er offen, fast träumerisch, echt
künstlerisch, hier mehr verschleiert. Nach dem einen möchte
man sich ihn vorstellen als Mann des ersten Eindrucks und An-
triebs, bei dem Liebe und Hass rasch hervortritt, nach dem andern
als verschlossenen, schweigsamen Beobachter. So sah der Jüng-
ling in das vor seinem Malerauge sich ausbreitende alterthüm-
lich-künstlerische Schauspiel des ewigen Rom: so schritt der
alternde Mann mit den Abzeichen seines Rangs und Amts durch
die Gemächer des Alcazar von Madrid, Befehle ertheilend und
empfangend.

Von den übrigen Bildnissen sind die bekanntesten und oft
graphisch wiedergegebenen die beiden in dem Malersaal der Uffi-
zien. Nach dem Ordensmedaillon von Santiago (1658) auf dem
einen, können sie erst in seinen letzten Jahren, vielleicht erst nach
seinem Tode gemacht sein. Dieses, fast Kniestück (Nr. 217)
zeigt die elegante Figur des Maler Cavaliers. Die Haare, eben-
falls in der Mitte gescheitelt, statt wie im Familienbild die vier-
eckige Stirn freizulassen, sind tief und schräg darüber gestrichen,
wodurch das Oval des Dreiviertelkopfes schmaler erscheint.
Der ernste, stolze Blick, fast leidend, ist zurück nach dem Be-
trachter gewandt. Nichts von Attributen des Metiers ist darin,
kein Malergeräth, nicht einmal der Malerblick. Vielleicht dachte
er wie Congreve, der von der Welt nur als gentleman, nicht als
Poet angesehen sein wollte. Diess bleiche Antlitz ist wie die
ganze Figur jetzt durch den Firniss mit einem weichen dunkel-
gelben Schleier bedeckt. Hinter der mit dem Rücken an die
Seite gestemmten Rechten ragt der Schlüssel der Furriera her-
vor, die Linke berührt den Hut auf dem Tisch, am Elnbogen
zeichnet sich das Degengefäss ab. Die Hände stecken in langen
Lederhandschuhen 1). Die Malweise steht dem Meister nahe.

1) Alle diese Details kann man jetzt nur mit Hülfe früherer Stiche entziffern.
Der klarste, vollständigste ist der nach der Zeichnung des Bonav. Salesa von
Cecchini, im Auftrag zweier jungen Spanier, Franc. Argaiz und Juan Despuig ge-
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[324/0346] Siebentes Buch. Alle sonst vorhandenen Bildnisse, mit Ausnahme des kapito- linischen Brustbilds, in welchen ich das aus Pacheco bekannte Gemälde von 1630 vermuthete (B. I 295), zeigen ihn ebenfalls in vorgerückten Jahren, aber mit ganz andrer Stellung des Kopfs und Wendung des Auges. Von jenem Jugendporträt unterschei- den sie sich, bei Aehnlichkeit der bleibenden Formen von Stirn, Nase, Kinn und Mund, durch stärkere Ausprägung der Züge und durch den Blick. Dort ist er offen, fast träumerisch, echt künstlerisch, hier mehr verschleiert. Nach dem einen möchte man sich ihn vorstellen als Mann des ersten Eindrucks und An- triebs, bei dem Liebe und Hass rasch hervortritt, nach dem andern als verschlossenen, schweigsamen Beobachter. So sah der Jüng- ling in das vor seinem Malerauge sich ausbreitende alterthüm- lich-künstlerische Schauspiel des ewigen Rom: so schritt der alternde Mann mit den Abzeichen seines Rangs und Amts durch die Gemächer des Alcazar von Madrid, Befehle ertheilend und empfangend. Von den übrigen Bildnissen sind die bekanntesten und oft graphisch wiedergegebenen die beiden in dem Malersaal der Uffi- zien. Nach dem Ordensmedaillon von Santiago (1658) auf dem einen, können sie erst in seinen letzten Jahren, vielleicht erst nach seinem Tode gemacht sein. Dieses, fast Kniestück (Nr. 217) zeigt die elegante Figur des Maler Cavaliers. Die Haare, eben- falls in der Mitte gescheitelt, statt wie im Familienbild die vier- eckige Stirn freizulassen, sind tief und schräg darüber gestrichen, wodurch das Oval des Dreiviertelkopfes schmaler erscheint. Der ernste, stolze Blick, fast leidend, ist zurück nach dem Be- trachter gewandt. Nichts von Attributen des Metiers ist darin, kein Malergeräth, nicht einmal der Malerblick. Vielleicht dachte er wie Congreve, der von der Welt nur als gentleman, nicht als Poet angesehen sein wollte. Diess bleiche Antlitz ist wie die ganze Figur jetzt durch den Firniss mit einem weichen dunkel- gelben Schleier bedeckt. Hinter der mit dem Rücken an die Seite gestemmten Rechten ragt der Schlüssel der Furriera her- vor, die Linke berührt den Hut auf dem Tisch, am Elnbogen zeichnet sich das Degengefäss ab. Die Hände stecken in langen Lederhandschuhen 1). Die Malweise steht dem Meister nahe. 1) Alle diese Details kann man jetzt nur mit Hülfe früherer Stiche entziffern. Der klarste, vollständigste ist der nach der Zeichnung des Bonav. Salesa von Cecchini, im Auftrag zweier jungen Spanier, Franc. Argaiz und Juan Despuig ge-

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/346>, abgerufen am 22.11.2024.