das Geflimmer bunter Gewebe. Mit feinem Sinn für Harmonie ist der Gegensatz der sonnerhellten Zelle und des verhängten Arbeitsraums ausgeglichen durch die Betonung des kühlen Blau in jener und des warmen Roth in den Schatten von diesem: Blau hat auch der Sonnenmaler van der Meer im Licht. Die Sonne, die mit ihren verschiedenartigen Strahlen Gemälde vor uns webt, wer hat sie je so in ihrem Thun belauscht! Sie selbst scheint hier ihre Zaubereien zu treiben, zittert auf seidenen Stoffen, liebkost einen blendenden Nacken, versinkt in kohlschwarze kastilische Locken; macht diess plastisch deutlich, jenes malerisch nebelhaft, löst Körperlichkeit auf in Imponderabilien und gibt Flächen die Rundung des Lebens, macht das Wirkliche zum Bild und das Bild zur Vision. Man fühlt hier, dass Licht Be- wegung ist, und jedem schwebt das Wort auf der Zunge: Musik der Farben.
Wendet man sich von dieser letzten Historie zurück nach seiner ersten, auch einem Volksstück, dem Bacchus, so hat man dort eine Scene unter freiem Himmel in der Beleuchtung eines geschlossenen Raumes, hier den Triumph von Licht und Farbe in einem Gewölbe.
Es ist auch des Meisters bewegtestes Bild: weiter kann wol die Darstellung der Bewegung im Unbeweglichen nicht ge- trieben werden. Dieser Eindruck wird selbst durch Linien und Formen unterstützt. An die Stelle jenes Netzwerks von starren parallelen Linien in den Meninas treten Kreislinien: in dem Schema der Gruppen, in Bogen und Rundfenster der Zelle, in den Geräthen der Arbeiterinnen. Und da Bewegung von einem gewissen Punkt an hörbar wird, so füllt sich das Bild mit dem wunderlichsten Concert: des sausenden Spinnrads, des knurrenden Haspels, des gedämpft herabdringenden Geschnatters durcheinanderredender Sennoras und des schnurrenden Katers. --
Bei den ausserordentlichen Wechseln der Malweise in diesen dreissig Jahren welche zwischen den Borrachos und den Hilanderas liegen, bemerkt man Gleichförmigkeit in den Grund- sätzen der Komposition. Ueberall hat er sich der Kreis- oder eliptischen Form bedient, bei der man ohne Zwang mit den ver- schiedensten Ansichtsweisen der Figuren und Arten der Be- leuchtung wechseln kann. Im Bacchus und Vulkan steht dem geöffneten Kreise eine Hauptfigur gegenüber, zugleich als Con- vergenzpunkt des Interesses und zum Theil der Blicke. In Breda öffnen sich zwei Massen, Halbkreise bildend, aus dem die Pro-
Die Spinnerinnen.
das Geflimmer bunter Gewebe. Mit feinem Sinn für Harmonie ist der Gegensatz der sonnerhellten Zelle und des verhängten Arbeitsraums ausgeglichen durch die Betonung des kühlen Blau in jener und des warmen Roth in den Schatten von diesem: Blau hat auch der Sonnenmaler van der Meer im Licht. Die Sonne, die mit ihren verschiedenartigen Strahlen Gemälde vor uns webt, wer hat sie je so in ihrem Thun belauscht! Sie selbst scheint hier ihre Zaubereien zu treiben, zittert auf seidenen Stoffen, liebkost einen blendenden Nacken, versinkt in kohlschwarze kastilische Locken; macht diess plastisch deutlich, jenes malerisch nebelhaft, löst Körperlichkeit auf in Imponderabilien und gibt Flächen die Rundung des Lebens, macht das Wirkliche zum Bild und das Bild zur Vision. Man fühlt hier, dass Licht Be- wegung ist, und jedem schwebt das Wort auf der Zunge: Musik der Farben.
Wendet man sich von dieser letzten Historie zurück nach seiner ersten, auch einem Volksstück, dem Bacchus, so hat man dort eine Scene unter freiem Himmel in der Beleuchtung eines geschlossenen Raumes, hier den Triumph von Licht und Farbe in einem Gewölbe.
Es ist auch des Meisters bewegtestes Bild: weiter kann wol die Darstellung der Bewegung im Unbeweglichen nicht ge- trieben werden. Dieser Eindruck wird selbst durch Linien und Formen unterstützt. An die Stelle jenes Netzwerks von starren parallelen Linien in den Meninas treten Kreislinien: in dem Schema der Gruppen, in Bogen und Rundfenster der Zelle, in den Geräthen der Arbeiterinnen. Und da Bewegung von einem gewissen Punkt an hörbar wird, so füllt sich das Bild mit dem wunderlichsten Concert: des sausenden Spinnrads, des knurrenden Haspels, des gedämpft herabdringenden Geschnatters durcheinanderredender Señoras und des schnurrenden Katers. —
Bei den ausserordentlichen Wechseln der Malweise in diesen dreissig Jahren welche zwischen den Borrachos und den Hilanderas liegen, bemerkt man Gleichförmigkeit in den Grund- sätzen der Komposition. Ueberall hat er sich der Kreis- oder eliptischen Form bedient, bei der man ohne Zwang mit den ver- schiedensten Ansichtsweisen der Figuren und Arten der Be- leuchtung wechseln kann. Im Bacchus und Vulkan steht dem geöffneten Kreise eine Hauptfigur gegenüber, zugleich als Con- vergenzpunkt des Interesses und zum Theil der Blicke. In Breda öffnen sich zwei Massen, Halbkreise bildend, aus dem die Pro-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0355"n="331"/><fwplace="top"type="header">Die Spinnerinnen.</fw><lb/>
das Geflimmer bunter Gewebe. Mit feinem Sinn für Harmonie<lb/>
ist der Gegensatz der sonnerhellten Zelle und des verhängten<lb/>
Arbeitsraums ausgeglichen durch die Betonung des kühlen Blau<lb/>
in jener und des warmen Roth in den Schatten von diesem: Blau<lb/>
hat auch der Sonnenmaler van der Meer im Licht. Die Sonne,<lb/>
die mit ihren verschiedenartigen Strahlen Gemälde vor uns webt,<lb/>
wer hat sie je so in ihrem Thun belauscht! Sie selbst scheint<lb/>
hier ihre Zaubereien zu treiben, zittert auf seidenen Stoffen,<lb/>
liebkost einen blendenden Nacken, versinkt in kohlschwarze<lb/>
kastilische Locken; macht diess plastisch deutlich, jenes malerisch<lb/>
nebelhaft, löst Körperlichkeit auf in Imponderabilien und gibt<lb/>
Flächen die Rundung des Lebens, macht das Wirkliche zum<lb/>
Bild und das Bild zur Vision. Man fühlt hier, dass Licht Be-<lb/>
wegung ist, und jedem schwebt das Wort auf der Zunge: Musik<lb/>
der Farben.</p><lb/><p>Wendet man sich von dieser letzten Historie zurück nach<lb/>
seiner ersten, auch einem Volksstück, dem Bacchus, so hat man<lb/>
dort eine Scene unter freiem Himmel in der Beleuchtung eines<lb/>
geschlossenen Raumes, hier den Triumph von Licht und Farbe<lb/>
in einem Gewölbe.</p><lb/><p>Es ist auch des Meisters bewegtestes Bild: weiter kann<lb/>
wol die Darstellung der Bewegung im Unbeweglichen nicht ge-<lb/>
trieben werden. Dieser Eindruck wird selbst durch Linien<lb/>
und Formen unterstützt. An die Stelle jenes Netzwerks von<lb/>
starren parallelen Linien in den Meninas treten Kreislinien:<lb/>
in dem Schema der Gruppen, in Bogen und Rundfenster der<lb/>
Zelle, in den Geräthen der Arbeiterinnen. Und da Bewegung<lb/>
von einem gewissen Punkt an hörbar wird, so füllt sich das Bild<lb/>
mit dem wunderlichsten Concert: des sausenden Spinnrads, des<lb/>
knurrenden Haspels, des gedämpft herabdringenden Geschnatters<lb/>
durcheinanderredender <hirendition="#i">Señoras</hi> und des schnurrenden Katers. —</p><lb/><p>Bei den ausserordentlichen Wechseln der Malweise in<lb/>
diesen dreissig Jahren welche zwischen den <hirendition="#i">Borrachos</hi> und den<lb/><hirendition="#i">Hilanderas</hi> liegen, bemerkt man Gleichförmigkeit in den Grund-<lb/>
sätzen der Komposition. Ueberall hat er sich der Kreis- oder<lb/>
eliptischen Form bedient, bei der man ohne Zwang mit den ver-<lb/>
schiedensten Ansichtsweisen der Figuren und Arten der Be-<lb/>
leuchtung wechseln kann. Im Bacchus und Vulkan steht dem<lb/>
geöffneten Kreise eine Hauptfigur gegenüber, zugleich als Con-<lb/>
vergenzpunkt des Interesses und zum Theil der Blicke. In Breda<lb/>
öffnen sich zwei Massen, Halbkreise bildend, aus dem die Pro-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[331/0355]
Die Spinnerinnen.
das Geflimmer bunter Gewebe. Mit feinem Sinn für Harmonie
ist der Gegensatz der sonnerhellten Zelle und des verhängten
Arbeitsraums ausgeglichen durch die Betonung des kühlen Blau
in jener und des warmen Roth in den Schatten von diesem: Blau
hat auch der Sonnenmaler van der Meer im Licht. Die Sonne,
die mit ihren verschiedenartigen Strahlen Gemälde vor uns webt,
wer hat sie je so in ihrem Thun belauscht! Sie selbst scheint
hier ihre Zaubereien zu treiben, zittert auf seidenen Stoffen,
liebkost einen blendenden Nacken, versinkt in kohlschwarze
kastilische Locken; macht diess plastisch deutlich, jenes malerisch
nebelhaft, löst Körperlichkeit auf in Imponderabilien und gibt
Flächen die Rundung des Lebens, macht das Wirkliche zum
Bild und das Bild zur Vision. Man fühlt hier, dass Licht Be-
wegung ist, und jedem schwebt das Wort auf der Zunge: Musik
der Farben.
Wendet man sich von dieser letzten Historie zurück nach
seiner ersten, auch einem Volksstück, dem Bacchus, so hat man
dort eine Scene unter freiem Himmel in der Beleuchtung eines
geschlossenen Raumes, hier den Triumph von Licht und Farbe
in einem Gewölbe.
Es ist auch des Meisters bewegtestes Bild: weiter kann
wol die Darstellung der Bewegung im Unbeweglichen nicht ge-
trieben werden. Dieser Eindruck wird selbst durch Linien
und Formen unterstützt. An die Stelle jenes Netzwerks von
starren parallelen Linien in den Meninas treten Kreislinien:
in dem Schema der Gruppen, in Bogen und Rundfenster der
Zelle, in den Geräthen der Arbeiterinnen. Und da Bewegung
von einem gewissen Punkt an hörbar wird, so füllt sich das Bild
mit dem wunderlichsten Concert: des sausenden Spinnrads, des
knurrenden Haspels, des gedämpft herabdringenden Geschnatters
durcheinanderredender Señoras und des schnurrenden Katers. —
Bei den ausserordentlichen Wechseln der Malweise in
diesen dreissig Jahren welche zwischen den Borrachos und den
Hilanderas liegen, bemerkt man Gleichförmigkeit in den Grund-
sätzen der Komposition. Ueberall hat er sich der Kreis- oder
eliptischen Form bedient, bei der man ohne Zwang mit den ver-
schiedensten Ansichtsweisen der Figuren und Arten der Be-
leuchtung wechseln kann. Im Bacchus und Vulkan steht dem
geöffneten Kreise eine Hauptfigur gegenüber, zugleich als Con-
vergenzpunkt des Interesses und zum Theil der Blicke. In Breda
öffnen sich zwei Massen, Halbkreise bildend, aus dem die Pro-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/355>, abgerufen am 15.08.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.