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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
die antiken Namen für ein Bild, heute entstrahlt ihnen ein Frost
von Langeweile. Wo der Künstler sie durch Griffe in die Natur
zu beleben sucht, da ergiesst die unfruchtbare Gelehrsamkeit
ihren Spott. Die antiken Figuren des Velazquez sind eigentlich
nicht mehr Parodie als die des Rubens und der Renaissance.

Farbe und Ton kommen auch in andern Arbeiten dieses
Jahrzehnts vor. Das Karminroth des Mantels mit seinen weiss-
lichen Lichtern stimmt nicht gut zu dem gleichartigen Fleischton
und dem Blau des Schurzes. Das wird man gemeint haben
mit "Monotonie", oder "Freskoton" (Beule); während W. Burger
das einzig Löbliche des Bilds in "gewissen Qualitäten des Tons"
fand. Es würde etwas flau erscheinen, wenn der Maler nicht
die dunklen, polirten, goldschimmernden Stahlstücke ober- und
unterhalb der nackten Gestalt dazwischen geworfen hätte.

Der Mars wird zuerst erwähnt in dem beim Tode Carl II
aufgestellten Inventar der Torre de la parada, im achten Zimmer
neben der Rubens'schen Hochzeit der Thetis und des Peleus,
und zwischen Aesop und Menipp, jedes zu fünfzig Dublonen
geschätzt. Es ist kein Grund abzusehn, warum er nicht für dieses
Jagdschloss gemalt sein sollte. Der wilde Kriegsmann sass hier
zwischen den zwei friedlichen Lumpengelehrten, Aesop und
Menipp, ein Bild des Looses der Wissenschaft in Kriegszeit-
altern. --

Das Institut von Gijon besitzt eine sorgfältig gearbeitete
Röthelzeichnung von zweifelloser Echtheit, die eine Studie zum
Mars nach demselben Modell ist1). Die Stellung ist jedoch
etwas verändert. Das linke Bein, auf das er den Elnbogen stützt,
ist über das andre geschlagen; der Kopf, stark auf die Seite
gesunken, ruht begraben in der Handfläche, die Augen sind ge-
schlossen. Das geplagte Modell war eingenickt; der Maler
zeichnete es in dieser Position, die ihn interessirte, weil man
darin ohne Gefahr für den Schwerpunkt einschlafen kann.
Während so der Kopf im Profil erscheint, zeigt sich der Rumpf
ganz von vorn; und die Brust drängt sich in ihrer mächtigen
Breite hervor.

1) Nr. 409. 23 x 96 c. Facsimile in Acebal y Escalera, Bocetos del Instituto
de Jovellanos. Gijon 1878. Er hat auch den Schnauzbart und dünne Kopfhaare.
Grösse des Gemäldes 1,79 x 0,95.

Siebentes Buch.
die antiken Namen für ein Bild, heute entstrahlt ihnen ein Frost
von Langeweile. Wo der Künstler sie durch Griffe in die Natur
zu beleben sucht, da ergiesst die unfruchtbare Gelehrsamkeit
ihren Spott. Die antiken Figuren des Velazquez sind eigentlich
nicht mehr Parodie als die des Rubens und der Renaissance.

Farbe und Ton kommen auch in andern Arbeiten dieses
Jahrzehnts vor. Das Karminroth des Mantels mit seinen weiss-
lichen Lichtern stimmt nicht gut zu dem gleichartigen Fleischton
und dem Blau des Schurzes. Das wird man gemeint haben
mit „Monotonie“, oder „Freskoton“ (Beulé); während W. Burger
das einzig Löbliche des Bilds in „gewissen Qualitäten des Tons“
fand. Es würde etwas flau erscheinen, wenn der Maler nicht
die dunklen, polirten, goldschimmernden Stahlstücke ober- und
unterhalb der nackten Gestalt dazwischen geworfen hätte.

Der Mars wird zuerst erwähnt in dem beim Tode Carl II
aufgestellten Inventar der Torre de la parada, im achten Zimmer
neben der Rubens’schen Hochzeit der Thetis und des Peleus,
und zwischen Aesop und Menipp, jedes zu fünfzig Dublonen
geschätzt. Es ist kein Grund abzusehn, warum er nicht für dieses
Jagdschloss gemalt sein sollte. Der wilde Kriegsmann sass hier
zwischen den zwei friedlichen Lumpengelehrten, Aesop und
Menipp, ein Bild des Looses der Wissenschaft in Kriegszeit-
altern. —

Das Institut von Gijon besitzt eine sorgfältig gearbeitete
Röthelzeichnung von zweifelloser Echtheit, die eine Studie zum
Mars nach demselben Modell ist1). Die Stellung ist jedoch
etwas verändert. Das linke Bein, auf das er den Elnbogen stützt,
ist über das andre geschlagen; der Kopf, stark auf die Seite
gesunken, ruht begraben in der Handfläche, die Augen sind ge-
schlossen. Das geplagte Modell war eingenickt; der Maler
zeichnete es in dieser Position, die ihn interessirte, weil man
darin ohne Gefahr für den Schwerpunkt einschlafen kann.
Während so der Kopf im Profil erscheint, zeigt sich der Rumpf
ganz von vorn; und die Brust drängt sich in ihrer mächtigen
Breite hervor.

1) Nr. 409. 23 × 96 c. Facsimile in Acebal y Escalera, Bocetos del Instituto
de Jovellanos. Gijon 1878. Er hat auch den Schnauzbart und dünne Kopfhaare.
Grösse des Gemäldes 1,79 × 0,95.
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[366/0390] Siebentes Buch. die antiken Namen für ein Bild, heute entstrahlt ihnen ein Frost von Langeweile. Wo der Künstler sie durch Griffe in die Natur zu beleben sucht, da ergiesst die unfruchtbare Gelehrsamkeit ihren Spott. Die antiken Figuren des Velazquez sind eigentlich nicht mehr Parodie als die des Rubens und der Renaissance. Farbe und Ton kommen auch in andern Arbeiten dieses Jahrzehnts vor. Das Karminroth des Mantels mit seinen weiss- lichen Lichtern stimmt nicht gut zu dem gleichartigen Fleischton und dem Blau des Schurzes. Das wird man gemeint haben mit „Monotonie“, oder „Freskoton“ (Beulé); während W. Burger das einzig Löbliche des Bilds in „gewissen Qualitäten des Tons“ fand. Es würde etwas flau erscheinen, wenn der Maler nicht die dunklen, polirten, goldschimmernden Stahlstücke ober- und unterhalb der nackten Gestalt dazwischen geworfen hätte. Der Mars wird zuerst erwähnt in dem beim Tode Carl II aufgestellten Inventar der Torre de la parada, im achten Zimmer neben der Rubens’schen Hochzeit der Thetis und des Peleus, und zwischen Aesop und Menipp, jedes zu fünfzig Dublonen geschätzt. Es ist kein Grund abzusehn, warum er nicht für dieses Jagdschloss gemalt sein sollte. Der wilde Kriegsmann sass hier zwischen den zwei friedlichen Lumpengelehrten, Aesop und Menipp, ein Bild des Looses der Wissenschaft in Kriegszeit- altern. — Das Institut von Gijon besitzt eine sorgfältig gearbeitete Röthelzeichnung von zweifelloser Echtheit, die eine Studie zum Mars nach demselben Modell ist 1). Die Stellung ist jedoch etwas verändert. Das linke Bein, auf das er den Elnbogen stützt, ist über das andre geschlagen; der Kopf, stark auf die Seite gesunken, ruht begraben in der Handfläche, die Augen sind ge- schlossen. Das geplagte Modell war eingenickt; der Maler zeichnete es in dieser Position, die ihn interessirte, weil man darin ohne Gefahr für den Schwerpunkt einschlafen kann. Während so der Kopf im Profil erscheint, zeigt sich der Rumpf ganz von vorn; und die Brust drängt sich in ihrer mächtigen Breite hervor. 1) Nr. 409. 23 × 96 c. Facsimile in Acebal y Escalera, Bocetos del Instituto de Jovellanos. Gijon 1878. Er hat auch den Schnauzbart und dünne Kopfhaare. Grösse des Gemäldes 1,79 × 0,95.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/390>, abgerufen am 27.11.2024.