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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Siebentes Buch.
hatte den Fourier Villareal hier zurückgelassen. Vor 45 Jahren
hatte da seine Vermählung durch Vollmacht mit Isabella von
Bourbon stattgefunden, deren Tochter er nun nach Frankreich
zurückbrachte. Er bewohnte die Casa del Cordon, erbaut von
Pedro Fernandez de Velasco, dem Gründer der Condestabile-Ca-
pelle des Doms. Der erste Besuch galt natürlich jenem schauer-
lichen Crucifix, dem Santo Christo de Burgos in San Agostin,
der zweite dem vornehmsten Damenkloster Spaniens, Las Huelgas;
der dritte der weltberühmten Kathedrale. Nirgends fiel schroffer
auf der Gegensatz einstigen Glanzes und gegenwärtigen Elends:
seine Wideraufnahme des niederländischen Kriegs hatte den
Ruin von Burgos vollendet. Bis hierher war das Wetter günstig.

In Bribiesca stand wieder ein Palast der Velasco zur Ver-
fügung; er war eingeschlossen in das Kloster S. Clara, einer
Stiftung der Donna Mencia (1523). Grosses Interesse erweckte der
figurenüberfüllte, bis zum Gewölbe aufgethürmte Retablo mit
seinen unbemalten Statuen von Nussbaumholz. Man bewunderte
"die Geschicklichkeit und Schönheit der Arbeit in der nackten
Materie, wo die Kunst Gold und Farbe verschmähte." Dieser
Retablo war von Diego Guillen im Jahre 1523 begonnen und
von Pedro Lopez de Gamiz aus Miranda vollendet worden.

Dann verliess man die Wüste der altcastilischen Hochebene,
und trat nach Passirung des Felsspalts von Pancorbo, eines fünfzig
Fuss breiten Engpasses, in das Land der Basken. Von nun an behalf
sich Seine Majestät in den Häusern der kleinen aber stolzen hidal-
gos
von Alava und Guipuzcoa, die wol noch lange Zeit die Nach-
wehen dieses Besuchs, wenn auch mit Stolz, empfunden haben
mögen. Ueber Vitoria, Mondragon, Onnate, Villafranca ging es
nach Tolosa; und hier war unter den Sehenswürdigkeiten auch
einmal eine Fabrik, natürlich eine Waffenfabrik. So erreichte
die königliche Karawane endlich, am 11. Mai, S. Sebastian, das
mit einer dreiwöchentlichen Anwesenheit beehrt wurde. Es war
damals ein sehr starker Platz, vor 22 Jahren vom grossen Conde
ohne Erfolg berannt; die braven Guipuzcoaner hatten kürzlich
die Befestigungswerke auf eigene Hand, und auch die Armen
mit Verzicht auf Lohn, neu hergestellt. Inzwischen liess Velaz-
quez den alten Palast der Könige von Navarra in Fuenterrabia,
jetzt "Palast Carl V" genannt (von der neuen Facade) in Stand
setzen. Das aufregendste Schauspiel für den König aber war wol
die Fahrt in dem Hafen von Pasages. Als die mit gelbem Tuch
ausgeschlagene und überspannte gabarra, von zwei Schaluppen

Siebentes Buch.
hatte den Fourier Villareal hier zurückgelassen. Vor 45 Jahren
hatte da seine Vermählung durch Vollmacht mit Isabella von
Bourbon stattgefunden, deren Tochter er nun nach Frankreich
zurückbrachte. Er bewohnte die Casa del Cordon, erbaut von
Pedro Fernandez de Velasco, dem Gründer der Condestabile-Ca-
pelle des Doms. Der erste Besuch galt natürlich jenem schauer-
lichen Crucifix, dem Santo Christo de Burgos in San Agostin,
der zweite dem vornehmsten Damenkloster Spaniens, Las Huelgas;
der dritte der weltberühmten Kathedrale. Nirgends fiel schroffer
auf der Gegensatz einstigen Glanzes und gegenwärtigen Elends:
seine Wideraufnahme des niederländischen Kriegs hatte den
Ruin von Burgos vollendet. Bis hierher war das Wetter günstig.

In Bribiesca stand wieder ein Palast der Velasco zur Ver-
fügung; er war eingeschlossen in das Kloster S. Clara, einer
Stiftung der Doña Mencia (1523). Grosses Interesse erweckte der
figurenüberfüllte, bis zum Gewölbe aufgethürmte Retablo mit
seinen unbemalten Statuen von Nussbaumholz. Man bewunderte
„die Geschicklichkeit und Schönheit der Arbeit in der nackten
Materie, wo die Kunst Gold und Farbe verschmähte.“ Dieser
Retablo war von Diego Guillen im Jahre 1523 begonnen und
von Pedro Lopez de Gamiz aus Miranda vollendet worden.

Dann verliess man die Wüste der altcastilischen Hochebene,
und trat nach Passirung des Felsspalts von Pancorbo, eines fünfzig
Fuss breiten Engpasses, in das Land der Basken. Von nun an behalf
sich Seine Majestät in den Häusern der kleinen aber stolzen hidal-
gos
von Alava und Guipuzcoa, die wol noch lange Zeit die Nach-
wehen dieses Besuchs, wenn auch mit Stolz, empfunden haben
mögen. Ueber Vitoria, Mondragon, Oñate, Villafranca ging es
nach Tolosa; und hier war unter den Sehenswürdigkeiten auch
einmal eine Fabrik, natürlich eine Waffenfabrik. So erreichte
die königliche Karawane endlich, am 11. Mai, S. Sebastian, das
mit einer dreiwöchentlichen Anwesenheit beehrt wurde. Es war
damals ein sehr starker Platz, vor 22 Jahren vom grossen Condé
ohne Erfolg berannt; die braven Guipuzcoaner hatten kürzlich
die Befestigungswerke auf eigene Hand, und auch die Armen
mit Verzicht auf Lohn, neu hergestellt. Inzwischen liess Velaz-
quez den alten Palast der Könige von Navarra in Fuenterrabia,
jetzt „Palast Carl V“ genannt (von der neuen Façade) in Stand
setzen. Das aufregendste Schauspiel für den König aber war wol
die Fahrt in dem Hafen von Pasages. Als die mit gelbem Tuch
ausgeschlagene und überspannte gabarra, von zwei Schaluppen

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[384/0410] Siebentes Buch. hatte den Fourier Villareal hier zurückgelassen. Vor 45 Jahren hatte da seine Vermählung durch Vollmacht mit Isabella von Bourbon stattgefunden, deren Tochter er nun nach Frankreich zurückbrachte. Er bewohnte die Casa del Cordon, erbaut von Pedro Fernandez de Velasco, dem Gründer der Condestabile-Ca- pelle des Doms. Der erste Besuch galt natürlich jenem schauer- lichen Crucifix, dem Santo Christo de Burgos in San Agostin, der zweite dem vornehmsten Damenkloster Spaniens, Las Huelgas; der dritte der weltberühmten Kathedrale. Nirgends fiel schroffer auf der Gegensatz einstigen Glanzes und gegenwärtigen Elends: seine Wideraufnahme des niederländischen Kriegs hatte den Ruin von Burgos vollendet. Bis hierher war das Wetter günstig. In Bribiesca stand wieder ein Palast der Velasco zur Ver- fügung; er war eingeschlossen in das Kloster S. Clara, einer Stiftung der Doña Mencia (1523). Grosses Interesse erweckte der figurenüberfüllte, bis zum Gewölbe aufgethürmte Retablo mit seinen unbemalten Statuen von Nussbaumholz. Man bewunderte „die Geschicklichkeit und Schönheit der Arbeit in der nackten Materie, wo die Kunst Gold und Farbe verschmähte.“ Dieser Retablo war von Diego Guillen im Jahre 1523 begonnen und von Pedro Lopez de Gamiz aus Miranda vollendet worden. Dann verliess man die Wüste der altcastilischen Hochebene, und trat nach Passirung des Felsspalts von Pancorbo, eines fünfzig Fuss breiten Engpasses, in das Land der Basken. Von nun an behalf sich Seine Majestät in den Häusern der kleinen aber stolzen hidal- gos von Alava und Guipuzcoa, die wol noch lange Zeit die Nach- wehen dieses Besuchs, wenn auch mit Stolz, empfunden haben mögen. Ueber Vitoria, Mondragon, Oñate, Villafranca ging es nach Tolosa; und hier war unter den Sehenswürdigkeiten auch einmal eine Fabrik, natürlich eine Waffenfabrik. So erreichte die königliche Karawane endlich, am 11. Mai, S. Sebastian, das mit einer dreiwöchentlichen Anwesenheit beehrt wurde. Es war damals ein sehr starker Platz, vor 22 Jahren vom grossen Condé ohne Erfolg berannt; die braven Guipuzcoaner hatten kürzlich die Befestigungswerke auf eigene Hand, und auch die Armen mit Verzicht auf Lohn, neu hergestellt. Inzwischen liess Velaz- quez den alten Palast der Könige von Navarra in Fuenterrabia, jetzt „Palast Carl V“ genannt (von der neuen Façade) in Stand setzen. Das aufregendste Schauspiel für den König aber war wol die Fahrt in dem Hafen von Pasages. Als die mit gelbem Tuch ausgeschlagene und überspannte gabarra, von zwei Schaluppen

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/410>, abgerufen am 21.11.2024.