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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Tod.
der dem Malerstand hier in der Person seines Vorfahren im
Amt widerfahren war.

Am 8. Juni wurde die Rückreise angetreten und die Galere
des Aposentador begann von Neuem. In Burgos verliess man
die frühere Linie, um über Palencia Valladolid zu erreichen, wo
Philipp einige Tage in dem Palast wohnte, wo er geboren war.
Und wieder folgten dreitägige Feste und wir staunen, wie man
auch nach solchen ergreifenden Erlebnissen das leere Geräusch
dieser ungezählten Wiederholung der alten Posse ertragen
mochte. Am 26. Juni traf man in Madrid wieder ein. "Als Ve-
lazquez in sein Haus eintrat, empfingen ihn die Seinigen, Frau
und Freunde, mit mehr Entsetzen als Freude, es hatte sich
nämlich in der Residenz die Nachricht von seinem Tode ver-
breitet, also dass sie ihren Augen nicht trauten: das war wie es
scheint eine Vorbedeutung der kurzen Zeit die ihm noch zu
leben beschieden war."

Die Arbeit, der er in diesen 72 Tagen obgelegen, hätte
sich besser gepasst für einen in den flandrischen Kriegen ge-
härteten pensionirten Hauptmann. Wie Murillo sich in Cadiz den
Tod geholt, Dürer sein Wechselfieber an der Scheldemündung,
so brachte wohl auch er vom Gestade der See den Keim der
Krankheit mit, die seinem Leben vor der Zeit ein Ende machte.
Am letzten Juli, nachdem er noch den ganzen Morgen über im
Dienst bei Seiner Majestät gewesen, fühlte er sich fiebernd und
eilte durch den pasadizo nach seiner Wohnung. Ein bösartiges
Wechselfieber brach aus, das die Aerzte gleich als tödtlich er-
kannten.

"Er fühlte grosse Beklemmungen und Schmerzen im Magen
und Herzen; der Doctor Vicencio Moles, Arzt des Hofgesindes,
besuchte ihn, und Seine Majestät, besorgt um sein Leben, sandte
ihm die Doctoren Miguel de Alva und Pedro de Chavarri, Ihre
Kammerärzte. Sie erkannten die Gefahr und erklärten es
für den Beginn von terciana sincopal minuta sutil, d. h. ein mit
Ohnmachten verbundenes Tertianfieber, ein höchst gefährliches
Leiden wegen der collapsus der Lebensgeister; der Durst den
er beständig fühlte, sei ein Anzeichen der offenbaren Gefahr.
Ihn besuchte auch auf Befehl S. M. Don Alonso Perez de Guz-
man el Bueno, Erzbischof von Tyrus und Patriarch beider Indien,
er hielt ihm eine lange Predigt zu seiner geistlichen Tröstung.
Und am Freitag, den 6. August, im Jahr nach der Geburt des
Heilands 1660, am Tag der Verklärung des Herrn, nach Empfang

Tod.
der dem Malerstand hier in der Person seines Vorfahren im
Amt widerfahren war.

Am 8. Juni wurde die Rückreise angetreten und die Galere
des Aposentador begann von Neuem. In Burgos verliess man
die frühere Linie, um über Palencia Valladolid zu erreichen, wo
Philipp einige Tage in dem Palast wohnte, wo er geboren war.
Und wieder folgten dreitägige Feste und wir staunen, wie man
auch nach solchen ergreifenden Erlebnissen das leere Geräusch
dieser ungezählten Wiederholung der alten Posse ertragen
mochte. Am 26. Juni traf man in Madrid wieder ein. „Als Ve-
lazquez in sein Haus eintrat, empfingen ihn die Seinigen, Frau
und Freunde, mit mehr Entsetzen als Freude, es hatte sich
nämlich in der Residenz die Nachricht von seinem Tode ver-
breitet, also dass sie ihren Augen nicht trauten: das war wie es
scheint eine Vorbedeutung der kurzen Zeit die ihm noch zu
leben beschieden war.“

Die Arbeit, der er in diesen 72 Tagen obgelegen, hätte
sich besser gepasst für einen in den flandrischen Kriegen ge-
härteten pensionirten Hauptmann. Wie Murillo sich in Cadiz den
Tod geholt, Dürer sein Wechselfieber an der Scheldemündung,
so brachte wohl auch er vom Gestade der See den Keim der
Krankheit mit, die seinem Leben vor der Zeit ein Ende machte.
Am letzten Juli, nachdem er noch den ganzen Morgen über im
Dienst bei Seiner Majestät gewesen, fühlte er sich fiebernd und
eilte durch den pasadizo nach seiner Wohnung. Ein bösartiges
Wechselfieber brach aus, das die Aerzte gleich als tödtlich er-
kannten.

„Er fühlte grosse Beklemmungen und Schmerzen im Magen
und Herzen; der Doctor Vicencio Moles, Arzt des Hofgesindes,
besuchte ihn, und Seine Majestät, besorgt um sein Leben, sandte
ihm die Doctoren Miguel de Alva und Pedro de Chavarri, Ihre
Kammerärzte. Sie erkannten die Gefahr und erklärten es
für den Beginn von terciana sincopal minuta sutil, d. h. ein mit
Ohnmachten verbundenes Tertianfieber, ein höchst gefährliches
Leiden wegen der collapsus der Lebensgeister; der Durst den
er beständig fühlte, sei ein Anzeichen der offenbaren Gefahr.
Ihn besuchte auch auf Befehl S. M. Don Alonso Perez de Guz-
man el Bueno, Erzbischof von Tyrus und Patriarch beider Indien,
er hielt ihm eine lange Predigt zu seiner geistlichen Tröstung.
Und am Freitag, den 6. August, im Jahr nach der Geburt des
Heilands 1660, am Tag der Verklärung des Herrn, nach Empfang

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[387/0413] Tod. der dem Malerstand hier in der Person seines Vorfahren im Amt widerfahren war. Am 8. Juni wurde die Rückreise angetreten und die Galere des Aposentador begann von Neuem. In Burgos verliess man die frühere Linie, um über Palencia Valladolid zu erreichen, wo Philipp einige Tage in dem Palast wohnte, wo er geboren war. Und wieder folgten dreitägige Feste und wir staunen, wie man auch nach solchen ergreifenden Erlebnissen das leere Geräusch dieser ungezählten Wiederholung der alten Posse ertragen mochte. Am 26. Juni traf man in Madrid wieder ein. „Als Ve- lazquez in sein Haus eintrat, empfingen ihn die Seinigen, Frau und Freunde, mit mehr Entsetzen als Freude, es hatte sich nämlich in der Residenz die Nachricht von seinem Tode ver- breitet, also dass sie ihren Augen nicht trauten: das war wie es scheint eine Vorbedeutung der kurzen Zeit die ihm noch zu leben beschieden war.“ Die Arbeit, der er in diesen 72 Tagen obgelegen, hätte sich besser gepasst für einen in den flandrischen Kriegen ge- härteten pensionirten Hauptmann. Wie Murillo sich in Cadiz den Tod geholt, Dürer sein Wechselfieber an der Scheldemündung, so brachte wohl auch er vom Gestade der See den Keim der Krankheit mit, die seinem Leben vor der Zeit ein Ende machte. Am letzten Juli, nachdem er noch den ganzen Morgen über im Dienst bei Seiner Majestät gewesen, fühlte er sich fiebernd und eilte durch den pasadizo nach seiner Wohnung. Ein bösartiges Wechselfieber brach aus, das die Aerzte gleich als tödtlich er- kannten. „Er fühlte grosse Beklemmungen und Schmerzen im Magen und Herzen; der Doctor Vicencio Moles, Arzt des Hofgesindes, besuchte ihn, und Seine Majestät, besorgt um sein Leben, sandte ihm die Doctoren Miguel de Alva und Pedro de Chavarri, Ihre Kammerärzte. Sie erkannten die Gefahr und erklärten es für den Beginn von terciana sincopal minuta sutil, d. h. ein mit Ohnmachten verbundenes Tertianfieber, ein höchst gefährliches Leiden wegen der collapsus der Lebensgeister; der Durst den er beständig fühlte, sei ein Anzeichen der offenbaren Gefahr. Ihn besuchte auch auf Befehl S. M. Don Alonso Perez de Guz- man el Bueno, Erzbischof von Tyrus und Patriarch beider Indien, er hielt ihm eine lange Predigt zu seiner geistlichen Tröstung. Und am Freitag, den 6. August, im Jahr nach der Geburt des Heilands 1660, am Tag der Verklärung des Herrn, nach Empfang

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/413>, abgerufen am 22.11.2024.