fühlte er sich nicht im Stande zu resolviren; er schrieb mit stark zitternder Hand an den Rand: quedo adbatido ("Ich bin nieder- geschlagen"). Dieses Aktenstück sah ich im Archiv zu Simancas.
So hat ihm wahrscheinlich sein vielbeneidetes Hofamt ausser Verlust viel kostbarer Zeit endlich auch den frühzeitigen Tod gebracht. Der grösste Theil seines Lebenswerks war Hofdienst, den Launen seines Herrn gewidmet. Es giebt kaum eins, das so hofmässig, etikettenhaft, traditionell umschrieben ist. Der Kreis der Gegenstände und zum Theil selbst die Darstellung war vererbt. Diess Werk ist vergleichbar einem fürstlichen Lustgarten des Jahrhunderts. Da ist alles durch architektonisch- geometrische Linien bestimmt, selbst dem Wachsthum sind Maasse und Umrisse vorgeschrieben. Da findet man die mythologischen Gruppen mit allegorischem Sinn, die burlesken Figuren der Zwerge, eine Fürstenstatue; auch fehlt die Einsiedelei und Ka- pelle nicht, und ein Blick wird uns vergönnt durch ein grosses Fenster in unzugängliche Gemächer, wo sich die Majestäten im Kreis der Familie zuweilen dem Blick der getreuen Vasallen zeigen. Auf dem Kupferstich nimmt sich ein solcher Garten etwas steif und leblos aus. Aber wenn man am Fuss der Sierra von Balsain wie ein Werk des Geists von Aladin's Lampe den Park von San Ildefonso vor sich sieht, so hält das Vorurtheil nicht Stand. Denn die Quelle und Offenbarung alles Lebens: Licht, Wasser, Farbe, ist hier in vollem Maasse; die Pracht der Blumen, die spiegelklaren Flächen und das Rauschen der Kas- kaden, die ahnungsvollen Durchblicke und die überraschenden Oeffnungen, alles umstrickt uns, inmitten jener Wildniss, wie ein Heiligthum verschollener Götter. In das Leben der Natur, das hier die von der Kunst vorgeschriebnen Formen durch- strömt, scheint sich noch ein eigenes Leben anderen Ursprungs niedergelassen zu haben. Und wenn wir wieder in den Strom der Alltäglichkeit eingetaucht sind, bleibt eine lange tiefe Spur von jenen Augenblicken in der Erinnerung zurück.
Velazquez hat, wie keine Vorläufer und Vorbilder, so auch keine Nachfolger gehabt, -- ausser in seinen Aemtern und Titeln. Aber die Unveränderlichkeit des Hofs giebt ihnen oft einen Schein von Aehnlichkeit. So sehn wir es bei Juan Carrenno de Miranda (1614 + 1685), Kammermaler und Assessor des Schlossmarschall- amts, und wenn er danach gestrebt hätte auch Ordensritter von
Juan Carreño.
fühlte er sich nicht im Stande zu resolviren; er schrieb mit stark zitternder Hand an den Rand: quedo adbatido („Ich bin nieder- geschlagen“). Dieses Aktenstück sah ich im Archiv zu Simancas.
So hat ihm wahrscheinlich sein vielbeneidetes Hofamt ausser Verlust viel kostbarer Zeit endlich auch den frühzeitigen Tod gebracht. Der grösste Theil seines Lebenswerks war Hofdienst, den Launen seines Herrn gewidmet. Es giebt kaum eins, das so hofmässig, etikettenhaft, traditionell umschrieben ist. Der Kreis der Gegenstände und zum Theil selbst die Darstellung war vererbt. Diess Werk ist vergleichbar einem fürstlichen Lustgarten des Jahrhunderts. Da ist alles durch architektonisch- geometrische Linien bestimmt, selbst dem Wachsthum sind Maasse und Umrisse vorgeschrieben. Da findet man die mythologischen Gruppen mit allegorischem Sinn, die burlesken Figuren der Zwerge, eine Fürstenstatue; auch fehlt die Einsiedelei und Ka- pelle nicht, und ein Blick wird uns vergönnt durch ein grosses Fenster in unzugängliche Gemächer, wo sich die Majestäten im Kreis der Familie zuweilen dem Blick der getreuen Vasallen zeigen. Auf dem Kupferstich nimmt sich ein solcher Garten etwas steif und leblos aus. Aber wenn man am Fuss der Sierra von Balsain wie ein Werk des Geists von Aladin’s Lampe den Park von San Ildefonso vor sich sieht, so hält das Vorurtheil nicht Stand. Denn die Quelle und Offenbarung alles Lebens: Licht, Wasser, Farbe, ist hier in vollem Maasse; die Pracht der Blumen, die spiegelklaren Flächen und das Rauschen der Kas- kaden, die ahnungsvollen Durchblicke und die überraschenden Oeffnungen, alles umstrickt uns, inmitten jener Wildniss, wie ein Heiligthum verschollener Götter. In das Leben der Natur, das hier die von der Kunst vorgeschriebnen Formen durch- strömt, scheint sich noch ein eigenes Leben anderen Ursprungs niedergelassen zu haben. Und wenn wir wieder in den Strom der Alltäglichkeit eingetaucht sind, bleibt eine lange tiefe Spur von jenen Augenblicken in der Erinnerung zurück.
Velazquez hat, wie keine Vorläufer und Vorbilder, so auch keine Nachfolger gehabt, — ausser in seinen Aemtern und Titeln. Aber die Unveränderlichkeit des Hofs giebt ihnen oft einen Schein von Aehnlichkeit. So sehn wir es bei Juan Carreño de Miranda (1614 † 1685), Kammermaler und Assessor des Schlossmarschall- amts, und wenn er danach gestrebt hätte auch Ordensritter von
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Juan Carreño.
fühlte er sich nicht im Stande zu resolviren; er schrieb mit stark
zitternder Hand an den Rand: quedo adbatido („Ich bin nieder-
geschlagen“). Dieses Aktenstück sah ich im Archiv zu Simancas.
So hat ihm wahrscheinlich sein vielbeneidetes Hofamt ausser
Verlust viel kostbarer Zeit endlich auch den frühzeitigen Tod
gebracht. Der grösste Theil seines Lebenswerks war Hofdienst,
den Launen seines Herrn gewidmet. Es giebt kaum eins, das
so hofmässig, etikettenhaft, traditionell umschrieben ist. Der
Kreis der Gegenstände und zum Theil selbst die Darstellung
war vererbt. Diess Werk ist vergleichbar einem fürstlichen
Lustgarten des Jahrhunderts. Da ist alles durch architektonisch-
geometrische Linien bestimmt, selbst dem Wachsthum sind Maasse
und Umrisse vorgeschrieben. Da findet man die mythologischen
Gruppen mit allegorischem Sinn, die burlesken Figuren der
Zwerge, eine Fürstenstatue; auch fehlt die Einsiedelei und Ka-
pelle nicht, und ein Blick wird uns vergönnt durch ein grosses
Fenster in unzugängliche Gemächer, wo sich die Majestäten im
Kreis der Familie zuweilen dem Blick der getreuen Vasallen
zeigen. Auf dem Kupferstich nimmt sich ein solcher Garten
etwas steif und leblos aus. Aber wenn man am Fuss der Sierra
von Balsain wie ein Werk des Geists von Aladin’s Lampe den
Park von San Ildefonso vor sich sieht, so hält das Vorurtheil
nicht Stand. Denn die Quelle und Offenbarung alles Lebens:
Licht, Wasser, Farbe, ist hier in vollem Maasse; die Pracht der
Blumen, die spiegelklaren Flächen und das Rauschen der Kas-
kaden, die ahnungsvollen Durchblicke und die überraschenden
Oeffnungen, alles umstrickt uns, inmitten jener Wildniss, wie
ein Heiligthum verschollener Götter. In das Leben der Natur,
das hier die von der Kunst vorgeschriebnen Formen durch-
strömt, scheint sich noch ein eigenes Leben anderen Ursprungs
niedergelassen zu haben. Und wenn wir wieder in den Strom
der Alltäglichkeit eingetaucht sind, bleibt eine lange tiefe Spur
von jenen Augenblicken in der Erinnerung zurück.
Velazquez hat, wie keine Vorläufer und Vorbilder, so auch
keine Nachfolger gehabt, — ausser in seinen Aemtern und Titeln.
Aber die Unveränderlichkeit des Hofs giebt ihnen oft einen Schein
von Aehnlichkeit. So sehn wir es bei Juan Carreño de Miranda
(1614 † 1685), Kammermaler und Assessor des Schlossmarschall-
amts, und wenn er danach gestrebt hätte auch Ordensritter von
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/415>, abgerufen am 22.11.2024.
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