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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888.

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Fünftes Buch.
das mirar tan suave Lope's, sie wurden streng verbannt, und der
Ausdruck der Würde, des kalten Stolzes, war Gesetz.

So darf es nicht Wunder nehmen, wenn es in spanischen
Gemäldesammlungen so wenig erträgliche Frauenbildnisse giebt,
und besonders jene Klasse, die man "Schönheiten" nannte, fast
gar nicht vorkommt. Palomino erwähnt die in Frankreich,
Deutschland, Italien (heute hätte er England an erster Stelle
nennen müssen) bestehende Sitte, grosse und kleine Bildnisse
vornehmer Damen (madamas sobresalientes en calidad y hermosura)
"ohne Prüderie und Geheimniss aufzustellen"; aber, fügt er hinzu,
bei uns ist der Ehrenpunkt peinlicher" 1). So schrieb er noch
unter den Bourbonen (1723). Nur zur Zeit Philipp II, als der
Geist der Renaissance auch dort am mächtigsten war, wurden
wohl schöne Hofdamen gemalt für die Bildnissgalerie des Pardo,
aber sie sind von der Hand Anton Mors. Sonst bezog man die
"Schönen" etwa aus Venedig, man sieht im Museum noch eine
mehrmals wiederholte Courtisane von der Hand Tintoretto's.
Sandte Tizian selbst jenes Exemplar seiner hübschen Lavinia,
spanischem Geschmack angepasst, als Herodias mit dem Kopf
des Täufers?

Auch am Hofe Philipp IV, wo man sonst an manchem Vor-
urtheil lockerte, hat der erste Maler des Königs nicht oft Damen
zu malen gehabt. Haben wir Grund, es zu bedauern? Die
Ansicht ist verbreitet, dass Velazquez vorzugsweise ein Männer-
maler gewesen sei 2). Ein Charakteristiker von dieser Stärke,
sagt man, könne für Frauenschönheit keinen Beruf gehabt haben,
Aber wie oft, auch in ästhetischen Fragen, hat man die Notwen-
digkeit des Faktums früher bewiesen als dessen Richtigkeit.
Man vergass, dass seine Bildnisse kleiner Mädchen unerreicht
sind, der Infantin Margaretha, ihrer Fräulein, seines Töchterchens,
und bei Malern, Kennern und Laien ungetheilte Bewunderung
finden. Und solche sind mindestens nicht leichter als Frauen-
bilder.

Jenes Vorurtheil erhält eine scheinbare Bestätigung durch
den Befund seiner Werke. Im Madrider Museum kommt nur
eine echte Spanierin vor. Die Zahl der königlichen Damen ist
zwar gross, aber es sind Wiederholungen sehr weniger Aufnah-

1) Museo pictorico II, 97.
2) Velazquez was emphatically a man, and the painter of men. R. Ford,
Penny Cyclopaedia 1843.

Fünftes Buch.
das mirar tan suave Lope’s, sie wurden streng verbannt, und der
Ausdruck der Würde, des kalten Stolzes, war Gesetz.

So darf es nicht Wunder nehmen, wenn es in spanischen
Gemäldesammlungen so wenig erträgliche Frauenbildnisse giebt,
und besonders jene Klasse, die man „Schönheiten“ nannte, fast
gar nicht vorkommt. Palomino erwähnt die in Frankreich,
Deutschland, Italien (heute hätte er England an erster Stelle
nennen müssen) bestehende Sitte, grosse und kleine Bildnisse
vornehmer Damen (madamas sobresalientes en calidad y hermosura)
„ohne Prüderie und Geheimniss aufzustellen“; aber, fügt er hinzu,
bei uns ist der Ehrenpunkt peinlicher“ 1). So schrieb er noch
unter den Bourbonen (1723). Nur zur Zeit Philipp II, als der
Geist der Renaissance auch dort am mächtigsten war, wurden
wohl schöne Hofdamen gemalt für die Bildnissgalerie des Pardo,
aber sie sind von der Hand Anton Mors. Sonst bezog man die
„Schönen“ etwa aus Venedig, man sieht im Museum noch eine
mehrmals wiederholte Courtisane von der Hand Tintoretto’s.
Sandte Tizian selbst jenes Exemplar seiner hübschen Lavinia,
spanischem Geschmack angepasst, als Herodias mit dem Kopf
des Täufers?

Auch am Hofe Philipp IV, wo man sonst an manchem Vor-
urtheil lockerte, hat der erste Maler des Königs nicht oft Damen
zu malen gehabt. Haben wir Grund, es zu bedauern? Die
Ansicht ist verbreitet, dass Velazquez vorzugsweise ein Männer-
maler gewesen sei 2). Ein Charakteristiker von dieser Stärke,
sagt man, könne für Frauenschönheit keinen Beruf gehabt haben,
Aber wie oft, auch in ästhetischen Fragen, hat man die Notwen-
digkeit des Faktums früher bewiesen als dessen Richtigkeit.
Man vergass, dass seine Bildnisse kleiner Mädchen unerreicht
sind, der Infantin Margaretha, ihrer Fräulein, seines Töchterchens,
und bei Malern, Kennern und Laien ungetheilte Bewunderung
finden. Und solche sind mindestens nicht leichter als Frauen-
bilder.

Jenes Vorurtheil erhält eine scheinbare Bestätigung durch
den Befund seiner Werke. Im Madrider Museum kommt nur
eine echte Spanierin vor. Die Zahl der königlichen Damen ist
zwar gross, aber es sind Wiederholungen sehr weniger Aufnah-

1) Museo pictórico II, 97.
2) Velazquez was emphatically a man, and the painter of men. R. Ford,
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[22/0042] Fünftes Buch. das mirar tan suave Lope’s, sie wurden streng verbannt, und der Ausdruck der Würde, des kalten Stolzes, war Gesetz. So darf es nicht Wunder nehmen, wenn es in spanischen Gemäldesammlungen so wenig erträgliche Frauenbildnisse giebt, und besonders jene Klasse, die man „Schönheiten“ nannte, fast gar nicht vorkommt. Palomino erwähnt die in Frankreich, Deutschland, Italien (heute hätte er England an erster Stelle nennen müssen) bestehende Sitte, grosse und kleine Bildnisse vornehmer Damen (madamas sobresalientes en calidad y hermosura) „ohne Prüderie und Geheimniss aufzustellen“; aber, fügt er hinzu, bei uns ist der Ehrenpunkt peinlicher“ 1). So schrieb er noch unter den Bourbonen (1723). Nur zur Zeit Philipp II, als der Geist der Renaissance auch dort am mächtigsten war, wurden wohl schöne Hofdamen gemalt für die Bildnissgalerie des Pardo, aber sie sind von der Hand Anton Mors. Sonst bezog man die „Schönen“ etwa aus Venedig, man sieht im Museum noch eine mehrmals wiederholte Courtisane von der Hand Tintoretto’s. Sandte Tizian selbst jenes Exemplar seiner hübschen Lavinia, spanischem Geschmack angepasst, als Herodias mit dem Kopf des Täufers? Auch am Hofe Philipp IV, wo man sonst an manchem Vor- urtheil lockerte, hat der erste Maler des Königs nicht oft Damen zu malen gehabt. Haben wir Grund, es zu bedauern? Die Ansicht ist verbreitet, dass Velazquez vorzugsweise ein Männer- maler gewesen sei 2). Ein Charakteristiker von dieser Stärke, sagt man, könne für Frauenschönheit keinen Beruf gehabt haben, Aber wie oft, auch in ästhetischen Fragen, hat man die Notwen- digkeit des Faktums früher bewiesen als dessen Richtigkeit. Man vergass, dass seine Bildnisse kleiner Mädchen unerreicht sind, der Infantin Margaretha, ihrer Fräulein, seines Töchterchens, und bei Malern, Kennern und Laien ungetheilte Bewunderung finden. Und solche sind mindestens nicht leichter als Frauen- bilder. Jenes Vorurtheil erhält eine scheinbare Bestätigung durch den Befund seiner Werke. Im Madrider Museum kommt nur eine echte Spanierin vor. Die Zahl der königlichen Damen ist zwar gross, aber es sind Wiederholungen sehr weniger Aufnah- 1) Museo pictórico II, 97. 2) Velazquez was emphatically a man, and the painter of men. R. Ford, Penny Cyclopædia 1843.

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Zitationshilfe: Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/42>, abgerufen am 03.12.2024.