Unser Kopf passt wol zu dem Spross dieses alten Hauses, dem das Blut eines Pabstes und der ersten Grandenfamilien in den Adern rollt; ein Typus von Stolz und Härte des hohen Geistlichen, insonderheit des spanischen, durch keine Eigenschaf- ten andrer Art gemildert: Furcht einflössend beinahe. Dieser stille kalte durchbohrende Blick müsste zerdrückend wirken auf den Angeklagten, das Wort der Vertheidigung in seiner Kehle er- stickend. Vergegenwärtigt man sich andere Cardinalsköpfe, so hat man doch den Eindruck, dass diess eigentlich kaum ein Diplomat oder Hofmann oder Mäcen ist -- er hat nichts von der Finesse und Eleganz italienischer Cardinalstypen. Es ist ein leidenschaftlicher Mensch, und Jedermann der mit den Character- klassen des heiligen Kollegs vertraut ist, würde hier den Typus der Zelanti erkennen.
Das Auge fällt sogleich auf die hohe faltenlose Fläche der breiten, bleichen Stirn, deren steile Wölbung mit der dünnen, in flachem Bogen eingezogenen, etwas herabhängenden Nase und dem zusammengesunkenen Untergesicht auffallend kontrastirt. Ihr kalter Glanz wird noch bemerklicher durch das hohe und schmale rothe Barett und dessen scharfen Abschnitt. Unter dieser Stirn blicken zwei tiefe, braune Augen, kalt und ruhig, lauernd und gebieterisch hervor. Der zahnlose Mund mit den festge- schlossenen Lippen drückt Entschlossenheit aus. Aus solchem Mund kommen die Worte tonlos, langsam, schneidend. Man hört ihn sagen, wie im Jahre 1640 in der Junta auf Anlass des Aufstands in Catalonien: "Gleichwie ein Brand nur zu dämpfen ist durch viel Wasser, also kann das Feuer des Treubruchs und Aufruhrs nicht gelöscht werden als nur mit Strömen Blutes" 1). In den Aeusserlichkeiten hat der Cardinal höchste Einfachheit be- liebt, selbst das Busenkreuz fehlt.
In der Malweise ist das Bildniss ein schönes Beispiel des mittleren Stils. Plastik ist noch Hauptgesichtspunkt. Wenige Köpfe sind so sorgfältig durchgearbeitet.
Auf gleichmässig dunkelbraunem, schwarz erscheinendem Grund springt das bleiche Antlitz im kalten weissen Tageslicht mit wunderbarer Lebendigkeit hervor. Das Relief ist haupt- sächlich durch einige Stückchen dunkelbraunen Schattens der hervortretenden Knochenprofile erreicht: des Augenbogens, der
1) El fuego de la infedelidad y de la rebelion no se puede estinguir sino con rios de sangre. Lafuente, Historia de Espanna.
Der Cardinal Borja.
Unser Kopf passt wol zu dem Spross dieses alten Hauses, dem das Blut eines Pabstes und der ersten Grandenfamilien in den Adern rollt; ein Typus von Stolz und Härte des hohen Geistlichen, insonderheit des spanischen, durch keine Eigenschaf- ten andrer Art gemildert: Furcht einflössend beinahe. Dieser stille kalte durchbohrende Blick müsste zerdrückend wirken auf den Angeklagten, das Wort der Vertheidigung in seiner Kehle er- stickend. Vergegenwärtigt man sich andere Cardinalsköpfe, so hat man doch den Eindruck, dass diess eigentlich kaum ein Diplomat oder Hofmann oder Mäcen ist — er hat nichts von der Finesse und Eleganz italienischer Cardinalstypen. Es ist ein leidenschaftlicher Mensch, und Jedermann der mit den Character- klassen des heiligen Kollegs vertraut ist, würde hier den Typus der Zelanti erkennen.
Das Auge fällt sogleich auf die hohe faltenlose Fläche der breiten, bleichen Stirn, deren steile Wölbung mit der dünnen, in flachem Bogen eingezogenen, etwas herabhängenden Nase und dem zusammengesunkenen Untergesicht auffallend kontrastirt. Ihr kalter Glanz wird noch bemerklicher durch das hohe und schmale rothe Barett und dessen scharfen Abschnitt. Unter dieser Stirn blicken zwei tiefe, braune Augen, kalt und ruhig, lauernd und gebieterisch hervor. Der zahnlose Mund mit den festge- schlossenen Lippen drückt Entschlossenheit aus. Aus solchem Mund kommen die Worte tonlos, langsam, schneidend. Man hört ihn sagen, wie im Jahre 1640 in der Junta auf Anlass des Aufstands in Catalonien: „Gleichwie ein Brand nur zu dämpfen ist durch viel Wasser, also kann das Feuer des Treubruchs und Aufruhrs nicht gelöscht werden als nur mit Strömen Blutes“ 1). In den Aeusserlichkeiten hat der Cardinal höchste Einfachheit be- liebt, selbst das Busenkreuz fehlt.
In der Malweise ist das Bildniss ein schönes Beispiel des mittleren Stils. Plastik ist noch Hauptgesichtspunkt. Wenige Köpfe sind so sorgfältig durchgearbeitet.
Auf gleichmässig dunkelbraunem, schwarz erscheinendem Grund springt das bleiche Antlitz im kalten weissen Tageslicht mit wunderbarer Lebendigkeit hervor. Das Relief ist haupt- sächlich durch einige Stückchen dunkelbraunen Schattens der hervortretenden Knochenprofile erreicht: des Augenbogens, der
1) El fuego de la infedelidad y de la rebelion no se puede estinguir sino con rios de sangre. Lafuente, Historia de España.
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[61/0081]
Der Cardinal Borja.
Unser Kopf passt wol zu dem Spross dieses alten Hauses,
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den Adern rollt; ein Typus von Stolz und Härte des hohen
Geistlichen, insonderheit des spanischen, durch keine Eigenschaf-
ten andrer Art gemildert: Furcht einflössend beinahe. Dieser stille
kalte durchbohrende Blick müsste zerdrückend wirken auf den
Angeklagten, das Wort der Vertheidigung in seiner Kehle er-
stickend. Vergegenwärtigt man sich andere Cardinalsköpfe, so
hat man doch den Eindruck, dass diess eigentlich kaum ein
Diplomat oder Hofmann oder Mäcen ist — er hat nichts von
der Finesse und Eleganz italienischer Cardinalstypen. Es ist ein
leidenschaftlicher Mensch, und Jedermann der mit den Character-
klassen des heiligen Kollegs vertraut ist, würde hier den Typus
der Zelanti erkennen.
Das Auge fällt sogleich auf die hohe faltenlose Fläche der
breiten, bleichen Stirn, deren steile Wölbung mit der dünnen, in
flachem Bogen eingezogenen, etwas herabhängenden Nase und
dem zusammengesunkenen Untergesicht auffallend kontrastirt.
Ihr kalter Glanz wird noch bemerklicher durch das hohe und
schmale rothe Barett und dessen scharfen Abschnitt. Unter dieser
Stirn blicken zwei tiefe, braune Augen, kalt und ruhig, lauernd
und gebieterisch hervor. Der zahnlose Mund mit den festge-
schlossenen Lippen drückt Entschlossenheit aus. Aus solchem
Mund kommen die Worte tonlos, langsam, schneidend. Man
hört ihn sagen, wie im Jahre 1640 in der Junta auf Anlass des
Aufstands in Catalonien: „Gleichwie ein Brand nur zu dämpfen
ist durch viel Wasser, also kann das Feuer des Treubruchs
und Aufruhrs nicht gelöscht werden als nur mit Strömen Blutes“ 1).
In den Aeusserlichkeiten hat der Cardinal höchste Einfachheit be-
liebt, selbst das Busenkreuz fehlt.
In der Malweise ist das Bildniss ein schönes Beispiel des
mittleren Stils. Plastik ist noch Hauptgesichtspunkt. Wenige
Köpfe sind so sorgfältig durchgearbeitet.
Auf gleichmässig dunkelbraunem, schwarz erscheinendem
Grund springt das bleiche Antlitz im kalten weissen Tageslicht
mit wunderbarer Lebendigkeit hervor. Das Relief ist haupt-
sächlich durch einige Stückchen dunkelbraunen Schattens der
hervortretenden Knochenprofile erreicht: des Augenbogens, der
1) El fuego de la infedelidad y de la rebelion no se puede estinguir sino
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/81>, abgerufen am 04.12.2024.
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