"Der Herzog, erzählt Palomino (Museo III, 331), ehrte Diego Velazquez sehr und rühmte seine seltenen Gaben; und als er ihn sehr zu seiner Zufriedenheit porträtirt hatte, belohnte er ihn freigebig, besonders mit einer reichen goldnen Kette [er hat 14000 Dukaten für solche Ketten ausgegeben], die Velazquez zuweilen umlegte, wie es an festlichen Tagen im Palast üblich war."
Dieses Bildniss war zur Zeit, als Marchese Campori sein Buch über die estensischen Künstler schrieb, nicht bekannt; es wird noch in einer in diesem Jahr zu Paris erschienenen Bio- graphie des Malers als verschollen bezeichnet. Schon seit dem Jahre 1843 befand sich aber ein unzweifelhaftes Original des Ve- lazquez, welches den jungen Herzog vorstellt, in der Galerie von Modena. Es war damals von dem Historienmaler und Galerie- director Adeodato Malatesta mit andern Gemälden für 3000 Lire von dem Grafen Paolo Cassoli Lorenzotti als van Dyck erwor- ben worden. Man vermuthet, dass es ein Vorfahr, der Sekretär des Herzogs Rocco Lorenzotti, diesem abgekauft habe.
Das Bildniss macht wirklich den Eindruck einer den kurzen Ruhepausen des Festprogramms abgestohlenen Auf- nahme. Manche würden es eine Skizze nennen; aber diese Skizze ist auf den letzten Eindruck, namentlich in der Farbe gearbeitet.
Der Kopf erscheint in der üblichen Wendung nach rechts, mit dem Blick auf den Betrachter, über der Rüstung liegt die rothe Schärpe. So vollkommen hat er sich dem Geschmack der Nation, bei der er zu Gast war, anbequemt, dass man sein Bild ohne die Daten für einen Spanier erklären würde. So aber verkündigt diese stolze, etwas trotzige Miene, das reiche, lockere, hoch frisirte schwarze Haar, das über die rechte Seite der Stirn wellenförmig herabgleitet, der noch dünne aufwärtsgerichtete Schnurrbart, die golilla, das goldene Vliess, den geschmeidigen, zum Schau- spieler gebornen Italiener. Die Nasenspitze tritt keck hervor, das Kinn weicht hinter die breite Unterlippe zurück. Der Kopf hat etwas jugendlich-unbefangenes; der Eindruck ist für damalige Vorstellungen nicht sehr hofmässig, eine geniale Nachlässigkeit ist darin, eine absichtliche Einfachheit -- sehr abweichend von den spätern, im französischen Geschmack gemalten Bildnissen, wo er kälter, blässer, feiner aussieht.
colissimo ritratto del Re fatto dal Velaschez, tanto simile e tanto bello, che certo e una cosa di stupore. 14. 9bre 1638. Wo mag dieser Schmuck hingekommen sein?
Der Herzog Franz von Este.
„Der Herzog, erzählt Palomino (Museo III, 331), ehrte Diego Velazquez sehr und rühmte seine seltenen Gaben; und als er ihn sehr zu seiner Zufriedenheit porträtirt hatte, belohnte er ihn freigebig, besonders mit einer reichen goldnen Kette [er hat 14000 Dukaten für solche Ketten ausgegeben], die Velazquez zuweilen umlegte, wie es an festlichen Tagen im Palast üblich war.“
Dieses Bildniss war zur Zeit, als Marchese Campori sein Buch über die estensischen Künstler schrieb, nicht bekannt; es wird noch in einer in diesem Jahr zu Paris erschienenen Bio- graphie des Malers als verschollen bezeichnet. Schon seit dem Jahre 1843 befand sich aber ein unzweifelhaftes Original des Ve- lazquez, welches den jungen Herzog vorstellt, in der Galerie von Modena. Es war damals von dem Historienmaler und Galerie- director Adeodato Malatesta mit andern Gemälden für 3000 Lire von dem Grafen Paolo Cassoli Lorenzotti als van Dyck erwor- ben worden. Man vermuthet, dass es ein Vorfahr, der Sekretär des Herzogs Rocco Lorenzotti, diesem abgekauft habe.
Das Bildniss macht wirklich den Eindruck einer den kurzen Ruhepausen des Festprogramms abgestohlenen Auf- nahme. Manche würden es eine Skizze nennen; aber diese Skizze ist auf den letzten Eindruck, namentlich in der Farbe gearbeitet.
Der Kopf erscheint in der üblichen Wendung nach rechts, mit dem Blick auf den Betrachter, über der Rüstung liegt die rothe Schärpe. So vollkommen hat er sich dem Geschmack der Nation, bei der er zu Gast war, anbequemt, dass man sein Bild ohne die Daten für einen Spanier erklären würde. So aber verkündigt diese stolze, etwas trotzige Miene, das reiche, lockere, hoch frisirte schwarze Haar, das über die rechte Seite der Stirn wellenförmig herabgleitet, der noch dünne aufwärtsgerichtete Schnurrbart, die golilla, das goldene Vliess, den geschmeidigen, zum Schau- spieler gebornen Italiener. Die Nasenspitze tritt keck hervor, das Kinn weicht hinter die breite Unterlippe zurück. Der Kopf hat etwas jugendlich-unbefangenes; der Eindruck ist für damalige Vorstellungen nicht sehr hofmässig, eine geniale Nachlässigkeit ist darin, eine absichtliche Einfachheit — sehr abweichend von den spätern, im französischen Geschmack gemalten Bildnissen, wo er kälter, blässer, feiner aussieht.
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Der Herzog Franz von Este.
„Der Herzog, erzählt Palomino (Museo III, 331), ehrte Diego
Velazquez sehr und rühmte seine seltenen Gaben; und als er ihn
sehr zu seiner Zufriedenheit porträtirt hatte, belohnte er ihn
freigebig, besonders mit einer reichen goldnen Kette [er hat
14000 Dukaten für solche Ketten ausgegeben], die Velazquez
zuweilen umlegte, wie es an festlichen Tagen im Palast üblich war.“
Dieses Bildniss war zur Zeit, als Marchese Campori sein
Buch über die estensischen Künstler schrieb, nicht bekannt; es
wird noch in einer in diesem Jahr zu Paris erschienenen Bio-
graphie des Malers als verschollen bezeichnet. Schon seit dem
Jahre 1843 befand sich aber ein unzweifelhaftes Original des Ve-
lazquez, welches den jungen Herzog vorstellt, in der Galerie von
Modena. Es war damals von dem Historienmaler und Galerie-
director Adeodato Malatesta mit andern Gemälden für 3000 Lire
von dem Grafen Paolo Cassoli Lorenzotti als van Dyck erwor-
ben worden. Man vermuthet, dass es ein Vorfahr, der Sekretär
des Herzogs Rocco Lorenzotti, diesem abgekauft habe.
Das Bildniss macht wirklich den Eindruck einer den
kurzen Ruhepausen des Festprogramms abgestohlenen Auf-
nahme. Manche würden es eine Skizze nennen; aber diese
Skizze ist auf den letzten Eindruck, namentlich in der Farbe
gearbeitet.
Der Kopf erscheint in der üblichen Wendung nach rechts, mit
dem Blick auf den Betrachter, über der Rüstung liegt die rothe
Schärpe. So vollkommen hat er sich dem Geschmack der Nation,
bei der er zu Gast war, anbequemt, dass man sein Bild ohne die
Daten für einen Spanier erklären würde. So aber verkündigt diese
stolze, etwas trotzige Miene, das reiche, lockere, hoch frisirte
schwarze Haar, das über die rechte Seite der Stirn wellenförmig
herabgleitet, der noch dünne aufwärtsgerichtete Schnurrbart,
die golilla, das goldene Vliess, den geschmeidigen, zum Schau-
spieler gebornen Italiener. Die Nasenspitze tritt keck hervor,
das Kinn weicht hinter die breite Unterlippe zurück. Der Kopf
hat etwas jugendlich-unbefangenes; der Eindruck ist für damalige
Vorstellungen nicht sehr hofmässig, eine geniale Nachlässigkeit
ist darin, eine absichtliche Einfachheit — sehr abweichend von
den spätern, im französischen Geschmack gemalten Bildnissen,
wo er kälter, blässer, feiner aussieht.
2)
2) colissimo ritratto del Rè fatto dal Velaschez, tanto simile e tanto bello, che certo
è una cosa di stupore. 14. 9bre 1638. Wo mag dieser Schmuck hingekommen sein?
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Justi, Carl: Diego Velazquez und sein Jahrhundert. Bd. 2. Bonn, 1888, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/justi_velazquez02_1888/87>, abgerufen am 04.12.2024.
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